Caritas-Präsident Michael Landau bei einem Lokalaugenschein in Armenien.
Caritas-Präsident Michael Landau bei einem Lokalaugenschein in Armenien.
Vor 30 Jahren suchte ein verheerendes Erdbeben die armenische Stadt Gjumri heim. Mehr als 2.000 Familien, darunter unzählige Kinder, leiden noch heute an den Folgen und müssen in unvorstellbarer Armut leben.
Am 7. Dezember 1988 um genau 11.41 Uhr blieb die Turmuhr in der Stadt Leninakan in der Sowjetrepublik Armenien stehen. Die Zeiger auf dem massigen Bau der nordarmenischen Stadt hielten den Beginn einer Katastrophe von fast apokalyptischem Ausmaß fest. Ein Erdbeben verwüstete die Stadt und Umgebung. Bis zu 25.000 Menschen starben, 2,5 Millionen wurden obdachlos.
Heute, gut 30 Jahre danach, heißt Leninakan längst Gjumri und aus der Sowjetrepublik wurde der unabhängige Staat Armenien. Doch immer noch sind die Folgen der Katastrophe nicht gänzlich überwunden. Drei Viertel der Stadt wurden damals zerstört. Durch internationale Mithilfe wurden behelfsmäßige Holz-Container ("Domiks") aufgestellt, um die vielen Obdachlosen unterzubringen. Es wurde ihnen versprochen, nach der ersten Nothilfephase eine Wohnung zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Aber auch heute noch müssen mehr als 2.000 Familien in diesen "Domiks" leben. Eine davon sind die Aleksanyans: der Vater Ara (38), die Mutter Anjela (32), die beiden Kinder Aida (12) und Aram (10), sowie Oma Aida (69) und Opa Aram (69). In der Nacht hatte es minus 16 Grad, jetzt zu Mittag bei meinem Besuch ist es mit minus fünf Grad fast schon warm. Doch durch die undichten dünnen Holzwände zieht ständig ein bissig kalter Luftstrom. Verdreckte Decken an den Wänden und ein alter Teppich am Boden können die Kälte nicht abhalten. In der Nacht ist die Wasserleitung eingefroren. Ein Holzofen sorgt für ein bisschen Wärme in der gut sieben Meter langen Notbehausung. Doch die Familie hat meist kein Holz. Deshalb verbrennt Vater Ara alles, was er so in der Stadt findet. Und meistens ist das Plastikmüll. Als die Wärme im Raum nachlässt, schiebt er eine Plastikflasche nach. Der Gestank von verbranntem Plastik erfüllt den Raum.
Die logische Folge: die ganze Familie ist lungenkrank, alle husten ständig, der Großvater ist zudem so gut wie bettlägrig. Am gesündesten wirkt noch Großmutter Aida. Sie ist mit ihren 69 Jahren die fitteste und zugleich die einzige, die sich noch gut an die Zeit vor dem Erdbeben erinnern kann. Damals hätten sie ein wunderbares Leben geführt, erzählt sie mit Tränen in den Augen. Sie und ihr Mann hätten eine Wohnung und jeder einen Job gehabt. Doch dann kam nicht nur das Erdbeben sondern auch der Zusammenbruch der Sowjetunion und die Entstehung des unabhängigen aber zugleich bettelarmen Armenien.
Ihre Wohnung wurde beim Erdbeben zerstört, erzählt die Mutter Anjela, die damals noch ein Kleinkind war. Die Familie konnte recht bald in diesen Wohncontainer umzuziehen und somit zumindest überleben; ein Glück, denn nicht wenige Erdbebenopfer starben nicht unmittelbar durch das Beben, sondern erst in den Tagen danach, als sie im Freien erfroren.
Einmal hätte es eine Chance gegeben, dem Elend im Container zu entkommen, erzählt Vater Ara - als es eine staatliche finanzielle Unterstützung gab, um sich eine Wohnung anzuschaffen. Doch die Aleksanyans brauchten das Geld für medizinische Behandlungen.
Ara hat schon drei Magenoperationen hinter sich. Die Tochter Aida ist schwer herzkrank. Eine Operation vor fünf Jahren rettete der heute 12-Jährigen das Leben. Doch nun muss sie sich bald einer neuen Operation unterziehen, erzählt die Mutter. Die Operation an sich wäre zwar in einem Spital in der Hauptstadt Jerewan gratis, doch die Familie hat keine Ahnung, wie sie das Geld für den Transport und die rundum notwendigen neuen Medikamente aufbringen soll.
Die Eltern sind arbeitslos, nur der Großvater und die Großmutter bekommen eine kleine Pension. Die Großfamilie verfügt im Monat über umgerechnet 100 Dollar. Doch das gesamte Geld geht schon jetzt für Medikamente und Essen drauf. Ohne finanzielle Unterstützung durch die Caritas könnten die Kinder nicht zur Schule gehen, hätten sie oft auch nicht genug zu essen oder Heizmaterial. Oft übernimmt die Caritas auch die Kosten für den Strom, bedankt sich Mutter Anjela.
Der zehnjährige Aram und die zwölfjährige Aida gehen gerne zur Schule, erzählen sie. Zeichnen ist ihr gemeinsames Lieblingsfach und stolz präsentieren sie einige ihrer Meisterwerke. Was für sie das größte Probleme ist, frage ich die beiden: "Dass es im Winter so kalt ist und die vielen Ratten", antwortet Aram. Der Vater schiebt den alten Teppich zur Seite. Darunter kommen morsche Holzplanken zum Vorschein. Ara zeigt auf ein Loch: "Hier kommen die Ratten herein. Kein Nahrungsmittel ist vor ihnen sicher." So viele könne er gar nicht fangen oder erschlagen, dass nicht immer wieder neue kommen. Die Familie wird der Plage nicht Herr. - Und ihr "Domik" rottet weiter vor sich hin.
Mitarbeiter der Caritas besuchen regelmäßig die Aleksanyans und versorgen sie mit dem nötigsten. Und so wie dieser Familie helfen sie noch hunderten weiteren. Es sind die Ärmsten der Armen, die noch in dem "Domiks" von Gjumri leben müssen. Kinder, Eltern und Großeltern, die im Leben nie Glück hatten und nun auch durch das schwache armenische Sozialnetz rutschen. Besonders für Kinder wie die herzkranke Aida und den lungenkranken Aram bittet die Caritas in diesem Winter um Hilfe.
Caritas-Kampagne für Osteuropa
Caritas-Spendenkonto zur Februar-Kampagne ("lachen > leiden"): Erste Bank: IBAN AT23 2011 1000 0123 4560, BIC GIBAATWWXXX, Kennwort: Kinder in Not. Online-Spenden: www.caritas.at/kinder