"Nach Angaben der Deutschen Bibelgesellschaft ist die Bibel in 2.527 Sprachen übersetzt, als ganze oder zumindest in Teilen. Sicher ist, dass kein anderes Buch in so viele Sprachen übersetzt ist wie die Bibel", so Kardinal Christoph Schönborn.
"Nach Angaben der Deutschen Bibelgesellschaft ist die Bibel in 2.527 Sprachen übersetzt, als ganze oder zumindest in Teilen. Sicher ist, dass kein anderes Buch in so viele Sprachen übersetzt ist wie die Bibel", so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken zur ersten Lesung, von Kardinal Christoph Schönborn, am Pfingstsonntag, 24. Mai 2015. (Apostelgeschichte 2,1-11)
Die Österreichische Staatsdruckerei hat ein interessantes Werk aus dem 19. Jahrhundert nachgedruckt. Auf großen Blättern ist da das Vaterunser, das Grundgebet, das Jesus gelehrt hat, in 814 Sprachen dargeboten. Und das zudem in den Schriftzeichen der verschiedenen Sprachen. Manchmal versuche ich, in diesem eindrucksvollen Werk zu lesen. Es ist wirklich staunenswert, in wieviel Sprachen wir Menschen uns ausdrücken können.
Aber das ist noch nicht alles. Nach Angaben der Deutschen Bibelgesellschaft ist die Bibel in 2.527 Sprachen übersetzt, als ganze oder zumindest in Teilen. Nach offiziellen Schätzungen gibt es weltweit etwa 6.500 lebende Sprachen. Da bin ich mit meinen acht Sprachen, die ich mehr oder weniger kann, gerade einmal bei einem Promille der Sprachen der Welt angelangt. Sicher ist, dass kein anderes Buch in so viele Sprachen übersetzt ist wie die Bibel.
Warum erwähne ich das am Pfingstfest, das wir heute feiern? Weil die Menschen damals, am Pfingstfest in Jerusalem, über die Apostel staunten, weil "jeder sie in seiner Sprache reden hörte". Das Sprachenwunder von damals betraf die vielen Pilger, die zum Pfingstfest nach Jerusalem gekommen waren, "fromme Menschen aus allen Völkern unter dem Himmel". "Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören?"
Wie oft habe ich mir schon dieses Sprachenwunder für mich selber gewünscht! Wie hilflos ist man in einem Land, dessen Sprache man nicht versteht und dessen Schrift man nicht lesen kann. Seit jeher bewegt die Menschen die Frage: warum so viele Sprachen? Diese Vielfalt ist etwas Großartiges, aber auch etwas Mühsames. Inzwischen hat das Englisch eine Art weltweite Vorherrschaft erlangt. Wird es einmal nur eine Sprache für alle Menschen geben?
Pfingsten verspricht etwas anderes. Nicht eine Einheitssprache, der sich alle unterwerfen müssen, sondern eine Sprache, die alle Menschen verstehen können. Und diese eine Sprache kann nur der Heilige Geist lehren, und wer sie gelernt hat, der kann sich überall auf der Welt verständigen, auch wenn er die Sprache des Landes nicht kennt und die Schrift nicht lesen kann. Es ist die Sprache der Liebe.
Ein jüdisches Sprichwort sagt: "Was von Herzen kommt, geht zu Herzen." Das Sprachenwunder von Pfingsten kann ich mir nur so erklären. Die Menschen, die da zusammenströmten und die Apostel reden hörten, waren berührt. Sie bekamen mit, dass hier etwas Großes geschah. Sie verstanden die Sprache des Herzens. Unter den 6.500 Sprachen der Welt ist sie die einzige, die alle verstehen. Es ist die Sprache Gottes, weil Gott die Liebe ist. Sie wird weniger mit Worten gesprochen als mit Taten. Mehr mit den Augen als mit dem Mund. Sie braucht keinen Übersetzer, weil sie direkt zum Herzen spricht. "Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen", sagt der heilige Paulus. Darum brauchen wir heute ein neues Pfingsten!
Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.
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Gedanken zum Evangelium von Kardinal Schönborn