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21.04.2017 · Kardinal · Gedanken zum Evangelium

Der ungläubige Thomas

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 23. April 2017 (Joh 20,19-31)

Glaube bleibt ein Geschenk. Deshalb darf ich nie jemanden verachten, der sich wie Thomas mit dem Glauben schwertut.

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 23. April 2017 (Joh 20,19-31)

Vor Jahren wurde ich einmal von einem Schweizer Zöllner ordentlich „gefilzt“. Damals waren die Grenzen noch nicht so offen wie heute. Ich trug meine Mönchskutte, war also klar als Geistlicher zu erkennen. Trotzdem wollte der Zöllner mein Gepäck ganz genau kontrollieren. Ich wunderte mich und fragte ihn: „Trauen Sie mir nicht, halten sie mich für einen Schwindler, einen unechten Mönch?“ Darauf die überraschende Antwort: „Der Patron von uns Zöllnern ist der heilige Thomas: Was wir nicht sehen und berühren können, glauben wir nicht.“

 

Thomas der Zweifler! Er glaubt nur, was er selber gesehen und angegriffen hat! Das macht ihn für viele so sympathisch. Wer sich mit dem Glauben schwer tut, erkennt sich spontan in diesem Apostel, der auch nicht einfach alles glaubt, was andere ihm erzählen. Manche Menschen zögern zu glauben. Sie wollen Sicherheit. Sie stellen Fragen. Sie sagen nicht gleich Ja und Amen. Gläubige Menschen sind dann leicht ungeduldig mit solchen Zweiflern. Sie werfen ihnen vor, nicht glauben zu wollen. Der ungläubige Thomas kommt aber denen zu Hilfe, die mit dem Glauben zögern.

 

Ist Thomas wirklich so ungläubig? Machen wir, die wir uns gerne selber als „Gläubige“ bezeichnen, nicht denen, die suchen und fragen, zu leicht den Vorwurf, dass sie Ungläubige seien? Thomas hatte  das Pech, dass er am Osterabend nicht dabei war. Die anderen hatten alle das Glück gehabt, Jesus zu erleben. Sie sahen ihn, wie er plötzlich durch die verschlossenen Türen hereinkam und unter ihnen war.

 

Wie oft sagen Menschen: Ich kann nicht glauben! In Wirklichkeit hatten sie nie das Glück, eine echte Erfahrung mit Gott zu haben. Vielleicht sind sie in einer Umgebung aufgewachsen, in der sie keine überzeugenden gläubigen Menschen erlebt haben. Oder sie sind Menschen begegnet, die sich selber für sehr gläubig halten, in ihrem Leben aber alles andere als glaubwürdige Gläubige sind. Manchmal können wir Gläubige den „Ungläubigen“ mit unserer Art, unserem Reden und Verhalten, ganz schön auf die Nerven gehen. Und leider übersehen wir Gläubige nur allzu leicht, dass sogenannte Ungläubige sehr ernsthaft Suchende sind. Gott ist ihnen oft viel näher als wir glauben.

 

Allen diesen Suchenden, Zweifelnden, Fragenden kann der Apostel Thomas ein Trost und eine Ermutigung sein. Warum? Zuerst dadurch, dass Jesus den Thomas nicht tadelt. Er zeigt ihm seine Wunden, die Spuren der Kreuzigung an seinem Leib. Jesus lässt sich von Thomas berühren und berührt dadurch sein Herz. Und so kommt Thomas zum Glauben: mein Herr und mein Gott!

 

Thomas hatte das Glück, Jesus direkt und persönlich zu begegnen. Darum konnte er schließlich an ihn glauben. Wie aber sollen wir glauben, die nicht sehen? Glaube bleibt ein Geschenk. Deshalb darf ich nie jemanden verachten, der sich wie Thomas mit dem Glauben schwertut.

erstellt von: Kardinal Christoph Schönborn
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Johannesevangelium 20,19-31

Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!  Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.  Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.  Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!  Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert. Thomas, genannt Didymus - Zwilling -, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.  Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.  Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch!  Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott!  Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.  Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.


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Kardinal Schönborn

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