Eine internationale Tagung in Wien zum 250-jährigen Bestehen des Priesterseminars "Barbareum" befasste sich mit der prägenden Rolle Wiens in der Priesterausbildung der Habsburgermonarchie und leitete daraus wichtige Perspektiven für die katholischen Ostkirchen Europas ab.
Die jüngste internationale griechisch-katholische Tagung im Festsaal des Wiener Erzbischöflichen Palais befasste sich mit der theologischen und pastoralen Ausbildung in der Geschichte und heute sowie neuen Herausforderungen, die alle katholischen Ostkirchen teilen. Anlass der Tagung, die Rektoren der griechisch-katholischen Priesterseminare aus ganz Europa sowie zahlreiche Bischöfe zusammenführte, war das 250-Jahr-Jubiläum des Wiener griechisch-katholischen Priesterseminars "Barbareum", einer Gründung Maria Theresias. Aus den historischen Betrachtungen sollten bei diesem Symposion auch Schlussfolgerungen für die Zukunft der katholischen Ostkirchen in Europa gezogen werden.
Der Wiener Ostkirchenexperte Prof. Thomas Németh unterstrich in seinem Eröffnungsvortrag die besondere Bedeutung des Standortes Wien für die Ausbildung von Angehörigen katholischer Ostkirchen zwischen 1775 und 1918.
In diesem Zeitraum studierten rund 1.200 angehende griechisch-katholische Kleriker an der Universität Wien beziehungsweise an vier Ausbildungseinrichtungen: dem "Barbareum", dem Stadtkonvikt, dem griechisch-katholischen Zentralseminar und dem "Frintaneum" (Priesterkolleg St. Augustin). Németh betonte, dass die Wiener Ausbildung nicht nur theologische Inhalte vermittelte, sondern auch die nationale Identität der griechisch-katholischen Gläubigen stärkte und wichtige Verbindungen zwischen Wien und den Herkunftsregionen knüpfte.
Erzpriester Robert Rapljenovic aus der kroatischen Eparchie Krizevci, betonte, dass das Theologiestudium in Wien damals als das modernste Theologiestudium überhaupt galt. Es zeichnete sich durch eine deutlich pastorale Ausrichtung aus, was eine Abkehr von rein theoretischer Bildung darstellte. Gerade dieser Aspekt machte es auch für die griechisch-katholischen Bischöfe so attraktiv, ihre Seminaristen nach Wien zu senden.
Eldina Lovas, Historikerin in Zagreb erläuterte in ihrem Vortrag die Reform der Priesterausbildung und die Kirchenpolitik Maria Theresias im 18. Jahrhundert, die maßgeblich die unter sich sehr verschiedenen Griechisch-katholischen Kirchen in der Habsburgermonarchie prägte und vielkerlei Hinsicht einigte. Der Staat war bemüht, aktiv in die kirchliche Bildung einzugreifen, um Priester hervorzubringen, die nicht nur geistliche, sondern auch soziale und politische Funktionen im Sinne des Staates erfüllen konnten. Das Theologiestudium, einst Domäne der kirchlichen Autoritäten, geriet damit unter staatliche Aufsicht, was sich in der Festlegung von Studienzeiten, der Anpassung von Lehrplänen und der Einführung neuer Kurse wie der Pastoraltheologie zeigte.
Ausgangspunkt dieser erneuerten griechisch-katholischen Priesterausbildung war die Errichtung des "Barbareums" im Oktober 1775. Nachdem Galizien 1772 von den Österreichern besetzt worden war, sah sich die Habsburgermonarchie mit der Präsenz von drei Millionen unierten Katholiken des byzantinischen Ritus konfrontiert. Dies veranlasste Maria Theresia 1775, Kirche und Kloster von St. Barbara in der Wiener Postgasse der ukrainischen griechisch-katholischen Gemeinde zu übertragen. Damit verbunden wurde auch das Priesterseminar "Barbareum" gegründet. Das Seminar entwickelte sich sehr schnell zu einem Zentrum des theologischen und intellektuellen Austausches.
Die griechisch-katholischen Seminaristen studierten Philosophie, Theologie, liturgische Praxis und Sprachen, darunter Latein, Griechisch und Altkirchenslawisch. Es wurde großer Wert darauf gelegt, eine starke griechisch-katholische Identität zu fördern und gleichzeitig in Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche zu stehen. Die Studenten besuchten deshalb auch Vorlesungen an den Wiener Universitäten, und das Seminar unterhielt enge Beziehungen zu römisch-katholischen Institutionen.
Ein feierlicher Gottesdienst im byzantinischen Ritus im Wiener Stephansdom bildete am Mittwochabend den spirituellen Höhepunkt der dreitägigen Konferenz". Ihr stand Bischof Milan Stipic, Bischof von Krizevci (KroatienI) gemeinsam mit Erzbischof Cyril Vasil' (Kosice/Slowakei), Bohdan Daylo (Parma/USA) und Virgil Bercea von Oradea Mare (Rumänien) vor.
Die historische Bedeutung des "Barbareums" als erster großer Schritt zur Verständigung der verschiedenen katholischen byzantinischen Kirchen innerhalb der Habsburgermonarchie fand beim Symposion in Wien auch in den Beiträgen der Kirchenoberhäupter Widerhall. Metropolit Fülöp Kocsis, Oberhaupt der griechisch-katholischen Kirche Ungarns, verwies auf das Schlussdokument der letzten Ordentlichen Bischofssynode über die Synodalität aus dem Jahr 2024. Er äußerte den Wunsch nach weiteren Schritten einer gemeinsamen Repräsentanz, etwa in einem Rat der Ersthierarchen der unabhängigen katholischen Ostkirchen, um die Präsenz und Stimme der Ostkirchen in der Weltkirche zu stärken.
Der rumänische Bischof Virgil Bercea von Oradea Mare schloss sich dem an und forderte ein deutlicheres gemeinsames Auftreten sowie die Überwindung der nach wie vor national geprägten Mentalität der einzelnen Kirchen zugunsten einer stärker profilierten gemeinsamen griechisch-katholischen Identität. Darüber hinaus sprach Bischof Bercea das Thema einer dringenden Liturgiereform an, die seiner Ansicht nach nur auf synodaler Ebene angegangen werden kann.
Bischof Milan Stipic betonte bei einem Podiumsgespräch die Notwendigkeit, nationale Grenzen zu überwinden und die kirchliche Identität nicht nur an der nationalen Struktur festzumachen. Die jeweilige Tradition, eigene Sprache und eigene Nationalität müsse unbedingt bewahrt werden, "aber wir müssen zusammen sein und uns als Brüder und Schwestern fühlen", rief Stipic auf.
Bischof Bohdan Danylo aus der Eparchie Saint Josaphat der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche in Parma (USA) sagte, die wachsenden katholischen Kirchen müssten auf ihren gemeinsamen Weg und ein organisches Wachstum achten. Er erwarte zu diesen Fragen weitere Impulse bei einer internationalen Tagung der katholischen Ostkirchen, die im September erneut in Wien stattfinden wird.
Der slowakische Erzbischof Cyril Vasil', Eparch von Kosice und früherer Sekretär des Ostkirchendikasteriums im Vatikan, verwies in seinem Schluss-Statement auf die sehr unterschiedlichen historischen Hintergründe und Mentalitäten sowie die – abgesehen von der gemeinsamen Liturgie und der byzantinischen Tradition – sehr unterschiedlichen pastoralen Ansätze in verschiedenen Weltregionen.
Aus seiner Erfahrung an der Kurie und als Rektor des Päpstlichen Orientalischen Institutes in Rom bestätigte er, dass die Herangehensweise an die Getauften und die Hierarchie bei den Ostkirchen im Nahen Osten, wo die Gläubigen in direktem Kontakt mit der muslimischen Welt leben, völlig anders sei als in Rumänien oder der Ukraine mit der kommunistischen Vergangenheit.
Eher ernüchternd antwortete Vasil auf eine Frage nach dem Beitrag der katholischen Ostkirchen zur Ökumene mit den orthodoxen Kirchen. Er sei sich nicht sicher, ob bei den orthodoxen Gesprächspartnern eine "tiefe Trauer über die Tatsache, dass wir Christen gespalten sind", wirklich vorhanden sei, da diese sich vielmehr sicher seien, dass sie zum guten Teil der Kirche gehören und mit der Situation zufrieden. Aktuelle politische Entwicklungen, wie die russische Aggression gegen die Ukraine, erschweren aus Vasils Sicht das ökumenische Gespräch nicht zusätzlich, da die tiefe Verwicklung von Kirchen in politische Zusammensetzungen historisch betrachtet nichts Neues sei und eine Last, die alle Kirchen betreffe, aber ebenso in der lateinischen Tradition oder die Kirche der Reformation.
Vor dem abschließenden Podium hatte Vasil in einem längeren Vortrag über Fokuspunkte einer gemeinsamen Identität der griechisch-katholischen Kirchen gesprochen, die "keine Inseln", sondern klar Teil der katholischen Kirche seien und ihre Geschichte und Schicksal teilten.
Als Stärken nannte er etwa die verbreitete Volksreligiosität, die relativ hohe Beteiligung der griechisch-katholischen Gläubigen an den liturgischen Feiern und die zahlreichen Priesterberufungen. Vasil geht davon aus, dass sich die griechisch-katholischen Kirchen in dem Maße, in dem sie sich allmählich etablieren, immer mehr als gleichberechtigte Partner angesehen werden. Der Stärkung der griechisch-katholischen Kirchen Mittel- und Osteuropas komme dabei heute besondere Bedeutung zu – "auch angesichts der Tatsache, dass die katholischen Kirchen im Nahen Osten in den letzten Jahrzehnten aufgrund der anhaltenden Migration infolge der politischen Instabilität in der Region rapide geschrumpft sind", sagte Vasil.
Auch auf Risiken in der Entwicklung der griechisch-katholischen Kirchen ging der slowakische Erzbischof ein. So müsse die Konzentration auf die Liturgie von einer angemessenen Katechese begleitet werden. Gleichzeitig dürfe keine bloße "Monastisierung" des liturgischen Lebens in Pfarren stattfinden. "Es gehe darum, geeignete Ausdrucksformen zu finden, die dem byzantinischen Ritus entsprechen und eine noch größere Vielfalt des liturgischen Lebens ermöglichen." Unter mehreren Punkten nannte Vasil' die Notwendigkeit der Offenheit für die Bedürfnisse der katholischen Weltkirche und einer Sensibilität für die gesamtkirchlichen Ereignisse.
Ausdrücklich plädierte Vasil' zudem für eine qualitativ hochwertige berufliche und geistliche Ausbildung. Diese solle "die Kenntnis der grundlegenden theologischen und liturgischen Regeln fördern und so die Voraussetzungen dafür schaffen, dass eventuelle neue Formen das Ergebnis einer organischen Entwicklung sind und gleichzeitig den Anforderungen der Ökumene entsprechen".
Der Erzbischof rief zudem dazu auf, die besten griechisch-katholischen Studenten nach Rom zu schicken, wo sie in spiritueller und mit internationaler Erfahrung ausgebildet würden. "Rom ist ein besonderer Ort, einzigartig in der Welt, an dem wirklich jede Tradition präsent ist, jede theologische Strömung verfolgt werden kann", sagte Vasil. Anders als in früheren Jahrhunderten würden Angehörige orientalischer Kirchen dort auch nicht mehr latinisiert. In Rom seien die wichtigsten Reformen für die orientalische Kirchen durchgeführt worden – Liturgiereform, kanonische Reform, ekklesiologische Reform. "Es ist der Ort, an dem die Orientalen orientalischer wurden.", so Vasil's Resüme.