"Vor allem am Lebensende und bei schwerwiegenden Erkrankungen zeigt sich der Wert menschlicher Verbundenheit", so der Innsbrucker Bischof in einer Stellungnahme.
Wenn das Sterben öffentlich zur Schau gestellt wird, bleibt Betroffenheit nicht aus – doch ebenso wenig die Frage: Wo beginnt die mediale Grenzüberschreitung? Faktum ist, dass die persönliche Entscheidung eines Prominenten, mit dem Leben Schluss zu machen, in die Öffentlichkeit gestellt wurde. Mit welcher Absicht? Ganz großes Unbehagen hat mich erfasst, weil ich der sympathischen Person gerne gesagt hätte, bitte mach es nicht! Es gibt so viele Menschen, die dich schätzen und noch gerne mit dir zusammen sein würden.
Geblieben ist mir die Frage, ob wir vor gesellschaftlich einem Paradigmenwechsel stehen? Wenn wir bisher von einer nahestehenden Person gehört haben, dass ihr die Last des Lebens zu viel geworden ist, dann haben wir doch alles in die Wege geleitet, um zu helfen – mit einem einfachen Dasein, Zuhören und schlichtweg einer Ermutigung, nicht aufzugeben. Nicht ohne Grund gibt es einen Welttag der Suizidprävention, den wir jährlich am 10. September begehen.
Wirklich hinterfragen möchte ich vor allem die Darstellung, als ob es nur eine Form des würdevollen Sterbens gäbe – und alles andere nur ein erbärmliches Dahinsiechen sei, das selbstverständlich niemanden zu wünschen ist. Diese Darstellung verhöhnt meines Erachtens letztlich die einschlägigen medizinischen und auf Pflege ausgerichteten Einrichtungen sowie alle Personen, die sich im familiären Umfeld um ein gutes Leben und gutes Abschiednehmen von ihren Angehörigen bemühen. Vor allem am Lebensende und bei schwerwiegenden Erkrankungen zeigt sich der Wert menschlicher Verbundenheit.
Es gibt in Österreich eine relativ gut zugängliche Hospiz- und Palliativversorgung – unabhängig vom sozialen Status und allen weltanschaulichen oder religiösen Überzeugungen. Ob in den stationären Einrichtungen oder in der mobilen Form, Hospiz steht für eine einfühlsame Betreuung, die die individuelle Situation eines schwerkranken Menschen ernstnimmt und ebenso achtsam die Angehörigen miteinbezieht. Von vielen Begegnungen weiß ich, dass vor allem die positive Atmosphäre in den Hospizhäusern dafür ausschlaggebend ist, dass Menschen in würdevoller Weise ihr Leben zu Ende führen können. Die Hospizangebote auszubauen, ist ein Gebot der Stunde.
Aus aktuellem Anlass möchte ich auch dankbar erwähnen, dass es seit fast 60 Jahren österreichweit die Telefonseelsorge gibt. Menschen in existentiellen Krise haben damit ein rasches Gesprächsangebot zur Verfügung. Unzählige Personen konnten von dieser diskreten Soforthilfe bisher profitieren. Darüber hinaus wird seitens der psychologischen, psychotherapeutischen und psychiatrischen Grundversorgung in unserem Land viel getan, damit Menschen mit schweren Belastungen und depressiven Störungen wieder in eine lebensbejahende Haltung zurückfinden können.
An der Seite des Lebens zu stehen – bis zuletzt! Diese Haltung wird hoffentlich auch in Zukunft von einem breiten gesellschaftlichen Konsens befürwortet und getragen werden. Lassen wir uns nicht von verstörenden Sterbeinszenierungen in eine Unkultur drängen, wo die Auslöschung des eigenen Lebens als Tat größtmöglicher Freiheit gepriesen wird. Sich für das Leben einzusetzen, ist ein Ausdruck wirklicher Liebe.
Bischof Hermann Glettler
Referatsbischof für Lebensschutz in der Österreichischen Bischofskonferenz
Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr und gebührenfrei unter der Notrufnummer 142 erreichbar sowie unter www.telefonseelsorge.at.
Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums unter www.suizid-praevention.gv.at.