Ordensmann Friedrich Bechina: "In interdisziplinären Forschungsgruppen ist es mehr als nur ein moderner Trend, einen Theologen dazu zu nehmen".
Theologen braucht es in allen Bereichen, und sogar dort, wo es niemand vermuten würde: Das sagte der leitende Mitarbeiter der vatikanischen Bildungskongregation, der Österreicher Friedrich Bechina, in einem "Radio Vatikan"-Gespräch am Montag, 4. Jänner 2016. Der 49-jährige Wiener ist seit 15 Jahren an der römischen Kurie tätig und wurde vor drei Jahren von Papst Benedikt XVI. zum Untersekretär der Bildungskongregation ernannt.
Das Thema Bildung sei ein großes Anliegen des Papstes, sagte Bechina. Franziskus habe das vor einem Monat einmal mehr bei einem Bildungskongress unterstrichen, den der Vatikan veranstaltete. Für Bechina hat die Schwerpunktsetzung des Papstes mit dessen jesuitischer Spiritualität und Identität zu tun.
Eine fundierte geisteswissenschaftliche Ausbildung, wie es auch die Theologie bieten kann, sei heute sehr gefragt, betonte der österreichische Kurienmitarbeiter: "Wir brauchen Menschen, die bildungsfähig sind, die kritisches Denken, Teamfähigkeit und andere dieser Kompetenzen entwickelt haben, und die bekommt man sicher mehr gerade in der 'liberal arts education'. Deswegen sind wir mit unseren kirchlichen und katholischen Universitäten, die normalerweise großen Schwerpunkt auf diese Bereiche legen, durchaus im Trend."
Ein theologisches Studium kann an staatlichen oder kirchlichen Universitäten absolviert werden. Für Bechina braucht es dabei ein gutes Gleichgewicht: "Es hat einen Wert, wenn die Kirche an den staatlichen Universitäten präsent ist, aber es braucht auch immer wieder das Gegengewicht."
Wenn die Kirche ausbildungsmäßig ganz isoliert sei, dann laufe sie Gefahr, dass sie "privatisiert oder in fundamentalistisch-einseitige Sichtweisen gerät". Dadurch sei für die Kirche die Herausforderung, im Verbund einer staatlichen Universität zu sein, sehr wichtig. Sie müsse dann "immer wieder kritische Selbstreflexion" üben.
Auf der anderen Seite wäre es schlimm, wenn man ganz abhängig würde, räumte der Kongregations-Sekretär ein: "Ich glaube, das System, wie wir es in Deutschland und Österreich haben, dass es beides gibt, ist gegenseitig bereichernd und wertvoll, und es ist auch ein Schutz für beide. Ich denke, dass auch staatliche theologische Fakultäten langfristig besser bestehen, wenn es auch kirchliche gibt, und umgekehrt, weil dadurch auch eine natürliche Konkurrenz entsteht, die durchaus fruchtbar sein kann."
Bechina warf auch einen Blick in die Praxis: In den Vereinigten Staaten hätten Wirtschaftsexperten ihr Bachelorstudium häufig in einem geisteswissenschaftlichen Fach abgeschlossen. Sie hätten dann bessere Chancen am Arbeitsmarkt und würden von den Arbeitgebern als insgesamt kompetenter wahrgenommen.
Bechina berichtete von einem Gespräch im Vorfeld der Bologna-Ministerkonferenz, wo es um die Weiterentwicklung eines gemeinsamen Europäischen Hochschulraums ging. Dort seien auch Vertreter der Industriellenvereinigungen von Europa und Arbeitgeberverbänden präsent gewesen. "Eine Vertreterin aus Deutschland hat gemeint, die großen und führenden Unternehmen sagen, dass ihnen mehr und mehr breit Gebildete, oft auch humanistisch Gebildete, langfristig lieber sind. Diese sind langfristig besser einsetzbar, besser entwickelbar als jemand, der ganz spezifisch auf einen Beruf technisch ausgebildet ist." Geisteswissenschaftler seien umfassender einsetzbar, weil sie in ihren Studien Kompetenzen bekämen, die in allen Bereichen nützlich seien.
Gerade Theologen seien am Arbeitsmarkt sehr gefragt: "In interdisziplinären Forschungsgruppen ist es mehr als nur ein moderner Trend, einen Theologen dazu zu nehmen, weil - wie man auf Englisch sagt - 'he thinks out of the box'. Der Theologe geht oft Probleme von einem ganz anderen Blickwinkel an, mit einer anderen Methode." Theologie sei ja auch eine interdisziplinäre Fächerkombination, die von Exegese über Kirchenrecht bis hin zu philosophischen, systematischen und praktischen Fächern reiche. "Das heißt, das Theologiestudium selber erzieht zu Interdisziplinarität und qualifiziert demnach auch zu interdisziplinärer Forschung."
Friedrich Bechina, geboren 1966 in Wien, ist Mitglied der Gemeinschaft "Opus Christi Regis" ("Das Werk"). Er studierte Wirtschaftswissenschaften und Theologie, ehe er im Anschluss an der Gregoriana-Universität in Rom promovierte. Nach seiner Priesterweihe 1996 war er als Kaplan der Pfarre Feldkirch-Gisingen sowie im Schuldienst der Diözese Feldkirch tätig.
2001 folgte Bechina dem Ruf in den Vatikan als Mitarbeiter der Bildungskongregation, wo er ab 2005 den Arbeitsbereich für Hochschulzusammenarbeit, Bildungsreform, Fragen des Staatskirchenrechtes und Öffentlichkeitsarbeit leitete. Er vertrat in dieser Funktion den Heiligen Stuhl in Bildungsfragen wie etwa im Bologna-Prozess. 2010 bis 2011 war Bechina gewähltes Mitglied im Vorstand des Steuerungskomitees des Europarates für Hochschulbildung und Forschung. 2013 wurde er die "Nummer 3" der Bildungskongregation. Deren Präfekt ist Kardinal Giuseppe Versaldi, "Nummer 2" (Sekretär) ist Erzbischof Angelo Vincenzo Zani.