Podiumsdiskussion der Akademie für Dialog und Evangelisation.
Podiumsdiskussion der Akademie für Dialog und Evangelisation.
Wie Kirche aus Glaubwürdigkeitskrise wieder herauskommt, ist eine "institutions-narzisstische" Frage. Deutscher Jesuit nahm in Wien an Diskussion über Rolle der Medien teil.
Nicht kirchliche Imagepflege ist beim Umgang mit Missbrauchsfällen wesentlich, sondern die persönliche Kommunikation mit den Opfern. Das betonte der deutsche Jesuit Klaus Mertes, der sich 2010 als Rektor am Berliner Canisius-Kolleg maßgeblich für die Aufklärung von Missbrauchsfällen einsetzte. Er sei mit Angeboten von PR-Beratern überschüttet worden, die dem einzigen Ziel dienten, wie die Kirche aus ihrer Glaubwürdigkeitskrise wieder herausgeführt werden kann. Diese "institutions-narzisstische" Frage sei eine große Versuchung, aber, so Mertes: "Das ist doch nicht das wichtigste Thema." Die Priorität müsse auf dem Opferschutz liegen, forderte der Experte am Mittwoch, 10. April 2019 im Rahmen einer Podiumsdiskussion in Wien.
"Macht.Medien.Angst - wer lügt, gewinnt?" war die Themenvorgabe der veranstaltenden "Akademie für Dialog und Evangelisation" im Figlhaus, weitere Teilnehmer an dem "Talk" über die Verantwortung, Rolle und Krise der Medien waren ORF-Moderatorin Claudia Reiterer und Red-Bull-Medienmacher Boro Petric.
"Die große Kunst von Journalisten ist es, Dinge verständlich und einfach zu präsentieren, ohne sie dabei zu banalisieren", sagte Klaus Mertes. Die Kürze und Zuspitzung sei eine ureigene Aufgabe des Journalismus, wie auch bei einer Lehrer-Schüler-Beziehung. "Es geht um eine didaktische Reduzierung, um überhaupt verständlich zu werden und es so zu tun, ohne dabei die Thematik selbst zu banalisieren." Um beim Thema Missbrauch in der Kirche Öffentlichkeit herzustellen, komme man nicht an den Betroffenen vorbei. Es gebe jedoch Transparenzvorgaben, die eigentlich den Opferschutz verletzen würden.
In den Medien gibt es nach den Worten Mertes' viele "Lautschreier" und Faktenverdreher, "denen es letztlich nur darum geht, die Exklusivnachricht und das Geld dafür zu bekommen". Aber es gebe auch Qualitätsjournalismus, der an Wahrheit interessiert ist. Er habe auch den Journalisten-Typus "Aktivist" kennengelernt, berichtete der Jesuit von einem Hintergrundgespräch mit einem Publizisten, der ihm offenbart habe, dass er mit seiner Berichterstattung "einen Kardinal absägen" wolle - für Mertes eine Grenzüberschreitung. Er erinnerte an den Fall des deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff, der letztendlich aufgrund von medial verbreiteten Gerüchten zurücktreten musste.
Claudia Reiterer sagte zu Ereignissen wie dem aktuellen Skandal um die Ballettschule der Wiener Staatsoper, wo "monatelang vertuscht" worden sei, mit den Betroffenen zu reden sei wichtig, abenso aber Transparenz und öffentliche Kommunikation herzustellen. Aufhorchen ließ die ORF-Mitarbeiterin mit der Aussage, "der Begriff Wahrheit hat für mich im Journalismus nichts verloren, im religiösen Glauben schon". Laut Reiterer gilt nicht "wer lügt, gewinnt", sondern "wer laut ist, gewinnt." Facebook und Co. hält sie trotzt ihrer meinungsbildenden Funktion nicht für soziale Medien, sondern für Plattformen. Denn echte Medien hätten Rechte und auch Pflichten.
Boro Petric, verantwortlich für Magazine wie "Red Bulletin" oder "Servus", sagte, Medien entbinden ihre Nutzer nicht von der Verantwortung, sich eine fundierte Meinung zu bilden. "Wenn ich als Mediennutzer weiß, was die Absicht ist, dann kann ich damit umgehen", so Petric.