Es sind nicht nur Gäste aus dem fernen Wien in der Kapelle von Mulapula dabei, auch die umliegenden Gemeinden der Pfarre sind zusammengekommen.
Es sind nicht nur Gäste aus dem fernen Wien in der Kapelle von Mulapula dabei, auch die umliegenden Gemeinden der Pfarre sind zusammengekommen.
Eine Studienreise führte sechzehn Laien und Priester der Erzdiözese Wien auf die Philippinen. Dort erlebten sie eine lebendige Kirche, die aus dem Wort Gottes lebt und sich der Bedürfnisse der Menschen annimmt. "Der SONNTAG" berichtet.
Die Plastikstühle werden zu mehreren Kreisen zurechtgerückt. Nachdem der Wortgottesdienstleiter das Tagesevangelium vom „Gang auf dem See“ vorgelesen hat, tauschen sich die Mitglieder der Gemeinde Mulapula über die Bibelstelle aus.
Die Kapelle, die rund zwei Gehstunden von der Pfarrkirche entfernt ist, platzt an diesem Tag aus allen Nähten.
Es sind nicht nur Gäste aus dem fernen Wien mit dabei, auch die umliegenden Gemeinden der Pfarre sind zusammengekommen.
Unter ihnen ist die dreifache Mutter Mary Grace. Sie ist dankbar, dass es in ihrer Ortschaft eine Basisgemeinde gibt. Wöchentlich trifft sie sich mit einigen Familien aus der Gemeinde – jedes Mal im Haus einer anderen Familie.
Die Treffen, bei denen sie gemeinsam die Bibel teilen, geben ihr Halt, wenn sie an ihrer schwierigen finanziellen Situation und an der Arbeitslosigkeit ihres Ehemannes leidet.
In der vergangenen Woche haben sie bei dem Treffen überlegt, welche kranke Person sie in der Nachbarschaft mit einem Besuch überraschen könnten. Sie legten ein paar Pesos zusammen, um beim Greißler eine Kleinigkeit zu besorgen, und besuchten eine alte Frau, für die sie auch beteten.
Die Erfahrung des spontanen Gebets macht an diesem Samstagnachmittag in Mulapula auch ein Wiener Priester, der in seinem Bibelaustauschkreis von seinen persönlichen Herausforderungen erzählt.
Spontan wird er in die Mitte gebeten und ihm werden die Hände auf die Schulter gelegt. In freien Worten werden seine Anliegen von der Gemeinschaft vor Gott getragen.
Frei zu beten ist ganz einfach, weiß Mary Grace: „Wir reden einfach mit Gott.“
Die sechzehn Frauen und Männer, Laien und Priester, aus der Erzdiözese Wien haben mehrere solche Gemeinden auf der philippinischen Insel Panay kennengelernt.
„Es geht vor dem Horizont unseres diözesanen Entwicklungsprozesses um eine gemeinsame Lernerfahrung von Priestern und MitarbeiterInnen in den Dienststellen; es geht um unseren gemeinsamen Weg, auf eine neue Art Kirche zu sein und das Pfarrleben zu gestalten“, erklärt die Pastoralamtsleiterin Veronika Prüller-Jagenteufel, die diese Studienreise geleitet hat.
Ein Team des philippinischen Pastoralinstituts Bukal ng Tipan („Quelle des Bundes“) hat die Gruppe dabei begleitet und in das Leben der Kirche auf den Philippinen eingeführt.
Die Erzdiözese Jaro, zu der auch Mary Graces Gemeinde Mulapula gehört, umfasst 2,1 Millionen Katholiken und besteht aus 92 Pfarren mit 188 Priestern.
Bereits in den 1970er Jahren wurden hier im Osten der Insel Panay die ersten Basisgemeinden gegründet. Die gesellschaftlichen Entwicklungen und das Ende des Marcos-Regime 1986 haben manche Basisgemeinden stark politisch geprägt.
Der 1991 gefällte Beschluss der philippinischen Bischöfe, ganz auf die Basic Ecclesial Communities (dt. kirchliche Basisgemeinden) zu setzen, bringt auch deren klare kirchliche Verortung mit sich.
Und die Statistik spricht für sich: Die Beteiligung der Menschen am kirchlichen Leben konnte mit diesem Modell von 2 auf 25 Prozent erhöht werden.
Die zentralen Kennzeichen der kirchlichen Basisgemeinden sind die Gemeinschaft der Katholiken in der jeweiligen Nachbarschaft; das Leben aus dem Wort Gottes; gemeinsame Aktionen , vor allem die Sorge um die Armen und die Anbindung der Basisgemeinden an die Pfarre.
Im deutschsprachigen Raum haben sich bereits mehrere Diözesen vom Bukal-Team inspirieren lassen und sind auf die Philippinen gereist.
Estela Padilla, eine international tätige Theologin und Teil des Teams, erklärt, dass viele deutsche Diözesen weniger das Format der Basisgemeinden übernehmen, sondern das Anliegen einer partizipativen Kirche unter dem Begriff der „lokalen Kirchenentwicklung“ umsetzen wollen.
Der englische Schlüsselbegriff „participation“ geht dabei über eine Beteiligung an der Leitung, wie er in unserem Kontext oft verstanden wird, weit hinaus.
Padilla verdeutlicht dies, indem sie auf eine dreifache Teilhabe aller Christen verweist:
Teilhabe
Gerade die Teilhabe am Leben der Welt versucht das Bukal-Team, das auch auf den Philippinen Pfarren und Diözesen in ihren Veränderungsprozessen begleitet, methodisch anzugehen.
Der Weg, um von den Sorgen und Bedürfnissen der Menschen zu erfahren, ist simpel:
Man muss die Menschen fragen. So gehen Menschen aus der Pfarre in ihrer Nachbarschaft von Haus zu Haus, fragen nach und tragen die Ergebnisse zusammen.
Damit wird deutlich, dass Kirche ein Interesse an den Menschen hat – egal wie oft diese die Pfarrkirche von innen sehen.
So wird die „Kirche der Armen“, wie sie sich selber nennt, von der bloßen Überschrift zur gemeinsamen Handlungsmaxime.
Am Ende ihrer Studienreise sitzen die Teilnehmer der Studienreise im tropischen Garten des Bukal-Instituts in Manila und werten ihre Erfahrungen anhand des Tagesevangeliums aus.
Der biblische Abschluss erinnert an den Beginn der Reise, der mit Exerzitien seinen Anfang nahm.
Bei allen theoretischen und praktischen Auseinandersetzungen mit dem Thema Kirche geht es immer auch um die persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Die Menschen – wie Mary Grace – zeigen, mit welcher Freude im Herzen sie eine Beziehung mit Jesus leben.
Zum gesamten Blog über die Studienreise auf die Philippinen
Markus Beranek, Andrea Geiger, Gerald Gump, Veronika Prüller-Jagenteufel und Stefan Reuffurth mit zwei Pfarrmitgliedern.
Der SONNTAG Die Zeitung der ED. Wien
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Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien