"Vergine Madre, figlia, del tuo figlio, Jungfrau, Mutter, Tochter deines Sohnes"- Dante Canto XXXIII Divina Commedia
"Vergine Madre, figlia, del tuo figlio, Jungfrau, Mutter, Tochter deines Sohnes"- Dante Canto XXXIII Divina Commedia
Eine neue theologische Note aus Rom sorgt für klare Verhältnisse: Die Mutter Jesu ist nicht „Miterlöserin“. Das Dokument des Dikasteriums für die Glaubenslehre dient der Einheit, dem ökumenischen Dialog – und schützt den Glauben vor Überfrachtung.
Um theologische Spekulationen zu beenden und die christozentrische Balance im katholischen Glauben wiederherzustellen, hat das vatikanische Dikasterium für die Glaubenslehre unter Kardinal Víctor Manuel Fernández ein klärendes Dokument zur Rolle der Jungfrau Maria vorgelegt.
Die zentrale Botschaft ist eine unmissverständliche Absage an den geforderten Titel „Miterlöserin“ (Co-Redemptrix). Eine Übersteigerung der Marienrolle würde die Alleinstellung Christi als einzigen Erlöser verwässern, wie es in der Bibel klar bezeugt wird: „Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus“ (1 Tim 2,5). Das Dokument betont mit Papst Franziskus: Der Erlöser ist einer allein. Maria ist nicht Mit-Erlöserin, sondern der Prototyp der von Christus zuerst Erlösten.
Auch beim Titel „Mittlerin“ (Mediatrix) mahnt Rom zur größten Zurückhaltung. Marias Mitwirken wird zwar als „mütterlicher Schutz“ oder „vielfache Fürsprache“ anerkannt, darf aber keine theologische Gleichstellung erfahren. Es handelt sich immer nur um eine „teilhabende Mittlerschaft“, die vom Prinzip der einzigen Mittlerschaft Christi normiert bleiben muss.
Diese Klärung ist eine konsequente Fortführung der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils (Lumen Gentium, Kap. VIII), das Marias Rolle bewusst aus der Kirche heraus und im Dienst an Christus definierte. Dies dient der theologischen Einheit und dem ökumenischen Dialog, indem der Glaube vor Überfrachtung geschützt wird.
Mit der Doktrinellen Note „Mater Populi Fidelis“ hat das Dikasterium für die Glaubenslehre ein wegweisendes Dokument zur Marienverehrung veröffentlicht. Der von Papst Leo XIV. approbierte Text reagiert auf jahrzehntelange theologische Debatten und Anfragen aus dem Volk Gottes, um die authentische Rolle Mariens im Heilsgeschehen zu klären.
Jan-Heiner Tück, Dogmatiker an der Universität Wien, sieht die größte Stärke der Note in ihrer klaren Abgrenzung von maximalistischen marianischen Vorstellungen. Die Note schließe entschieden aus, Maria als „Erlöserin” oder gar Göttin hochzustilisieren. Dies korrigiert problematische Frömmigkeitspraktiken, die im Mittelalter zur Kompensation der Strenge des „gerechten Richters” Christus Maria als barmherzige Alternative sahen. Tück brandmarkt diese Praxis als Abwegigkeit und potenzielle Idolatrie Mariens. Der Erlöser ist einer allein. Der in Teilen der Tradition verwendete Titel „Miterlöserin – Coredemptrix” wird unter Berufung auf das Zweite Vatikanische Konzil und die Päpste klar abgewiesen.
Tück unterstreicht das folgende Zitat von Papst Franziskus: „Der Erlöser ist einer allein. Und dieser Titel verdoppelt sich nicht.“ Die Note schärft konsequent den Primat der Christologie vor der Mariologie ein. Maria ist, was sie ist, von Christus her und auf ihn hin. Diesen Gedanken unterstreicht Tück mit einem schönen Zitat aus Dantes „Divina Commedia”, in dem Maria als „Tochter des Sohnes” bezeichnet wird.
Die Klarheit ist laut Tück ein wichtiges ökumenisches Signal. Angesichts der konstanten protestantischen Kritik, die katholische Kirche gefährde die Einzigartigkeit der Mittlerschaft Christi, schafft das Dokument eine klare theologische Basis: Der Titel "Mittlerin – mediatrix" wird nur akzeptiert, wenn klar ist, dass Mariens Mitwirkung eindeutig der Mittlerschaft Christi untergeordnet ist. Es geht um "teilnehmende Mittlerschaft" und "mütterliche Fürsprache" – aber um keine Konkurrenz oder Ergänzung zu Christus. Maria wird als "privilegierte Zeugin" und "erste Jüngerin" gewürdigt, die Ja zum Erlöser sagte und unter dem Kreuz ausharrte.
Trotz des Lobes sieht Tück zwei entscheidende Aspekte, die in der Note stärker gewichtet werden sollten: Zum einen Marias jüdische Wurzeln: Obwohl das Dokument von „Maria von Nazareth” spricht, hätte es die Verwurzelung Mariens im „semantischen Universum Israels” stärker betonen müssen. Sie betete die Psalmen und lebte nach der Tora. Angesichts des 60-jährigen Jubiläums von „Nostra Aetate” wäre es wünschenswert gewesen, wenn über Empfängnis und Geburt hinaus auch die Beschneidung Jesu am achten Tag erwähnt worden wäre – das zentrale Bundeszeichen Israels und die Schnittstelle zwischen Altem und Neuem Bund.
Tück vermisst zudem eine stärkere Hervorhebung, dass das Bekenntnis zur jungfräulichen Mutterschaft eine doppelte Provokation darstellt, denn es ist eine Provokation für die Gesellschaft, für die Kirche und für die Menschen. Es ist der skandalöse Realismus des göttlichen Neuanfangs. Zugleich verteidigt die Geburt des Erlösers das Leibliche gegen eine drohende Entwertung. Gegenwärtig richtet sich diese Botschaft insbesondere gegen "technognostische Strömungen". Letztere verheißen eine Unsterblichkeit als rein digitales oder technisch erzeugtes Double des Menschen. Der theologische Leitsatz "Caro cardo salutis" besagt, dass das Fleisch der Schlüssel zum Heil ist. Dies ist ein Aspekt der christlichen Erlösungshoffnung, die auch die leibliche Dimension des Menschseins umfasst.
Der niederländische Theologe und Journalist Hendro Munsterman , Autor des Buches „Marie corédemptrice? Débat sur un titre marial controversé“, argumentiert gegenüber der italienischen Zeitung „La Repubblica“, dass überzogene Mariendarstellungen häufig die Folge der weitgehenden Verdrängung der weiblichen Dimension Gottes seien. Er betont, dass die Bibel Gott zwar als Vater bezeugt, aber auch eine klare mütterliche Seite Gottes kennt. Diese theologische Sicht teilte bereits Papst Johannes Paul I.
Wer sich über das Wesen Gottes irrt, neigt dazu, Maria göttliche Titel und Funktionen zuzuschreiben. Dieses Ungleichgewicht hat historische Dimensionen. Viele Titel des Heiligen Geistes, wie etwa "Trösterin", seien im Laufe der Kirchengeschichte auf Maria übertragen worden. Das Glaubensdikasterium lehnt den Titel "Miterlöserin" ab. Dies geschehe laut Münsterman auch im Hinblick auf die Ökumene, da Maria ein großes Hindernis im Verhältnis zu den Protestanten darstelle. Das Ziel sei es, die tiefe katholische Marienlehre zu betonen, ohne dabei theologisch wenig klare Titel zu verwenden. Maria ist zwar aktiv in das Heilsgeschehen eingebunden, doch die Initiative des Heils geht stets von Gott aus.
Auch die Tübinger Dogmatikerin Johanna Rahner äußerte sich zum aktuellen vatikanischen Lehrschreiben und wünschte sich einen stärkeren Fokus auf Maria als revolutionäres Vorbild und in der Machtkritik.
Mit Blick auf das Magnifikat betonte Rahner, dass Marias Lobgesang, in dem Gott die Mächtigen vom Thron stürzt und die Erniedrigten erhöht, ein befreiungstheologischer Weckruf und ein politisches Programm sei. Sie sieht darin den revolutionärsten Text über Maria, der die Fähigkeit habe, die Welt zu verändern und sogar die hierarchische Ämterstruktur der Kirche zu hinterfragen, indem er Hoffnung auf Wandel gibt.
Das Lehrschreiben selbst klärt dogmatisch, dass Maria keine Miterlöserin im Heilsplan Gottes ist, was Rahner als „sehr hilfreich“ bezeichnet. Sie betont, dass Jesus Christus der einzige Erlöser ist und Maria als Fürsprecherin fungiert. Die Vorstellung einer „Quadrität“ statt der Trinität sei nicht katholisch. Das Dokument zieht somit eine klare Grenze, um das einmalige Erlösungswerk Christi nicht durch mariologische Frömmigkeit in Frage zu stellen, auch wenn die unklare Begrifflichkeit in der privaten Frömmigkeit wohl weiterbestehen wird.