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01.12.2021 · Aus der Diözese

Wiener Diözesansynode zwischen Zweitem Vaticanum und dem Prozess für eine synodale Kirche

Die Wiener Diözesansynode hat viel in Bewegung gesetzt, hat viele wirklich mobilisiert und motiviert, Weichen für die Partizipation wurden gestellt. Vieles, vor allem die neuen territorialen Strukturen, sind seither selbstverständliche Wirklichkeit geworden.

50 Jahre nach der Wiener Diözesansynode befindet sich die katholische Kirche im synodalen Prozess, den Papst Franziskus in Hinblick auf die Bischofssynode 2023 ausgerufebn hat. Prof. Josef Weismayer spannt einen Bogen von 1971-2021.

Papst Franziskus hat in den vergangenen Jahren immer wieder vom Prinzip der Synodalität gesprochen, die das Leben und die Sendung der Kirche prägen sollte. Es geht um ein intensiveres Miteinander. Am 21. Mai dieses Jahres hat Papst Franziskus für die 16. Ordentliche Bischofssynode, die im Oktober 2023 stattfinden soll, die Bemühung „Für eine synodale Kirche“ als Thema festgelegt und verkündet. Im Oktober 2021 wurde ein Vorbereitungsdokument veröffentlicht, das für eine synodale Kirche drei Schwerpunkte festlegt: „Gemeinschaft, Partizipation und Mission.“ Diese Bischofssynode soll von der Basis her, d.h. von den einzelnen Diözesen her vorbereitet und erarbeitet werden. Die Kirche als Volk Gottes besteht ja „in und aus den Teilkirchen“, wie das 2. Vatikanische Konzil in der Kirchenkonstitution „Lumen gentium“ betont hat (LG 23). Die Bischofssynode im Herbst 2023 soll diesen Prozess zusammenfassen und damit einen großen Schritt „für eine synodale Kirche“ tun.

 

Beim Konzil hatte man nicht von Synodalität gesprochen, aber ein anderes Stichwort hat die Diskussion geprägt: Kollegialität. Gegenüber einem stark zentralistischen, allein auf den Papst zentrierten Kirchenverständnis in der Nachfolge des 1. Vatikanischen Konzil betonte das 2. Vaticanum, dass die Kirche als Volk Gottes vom Papst gemeinsam mit dem Kollegium der Bischöfe geleitet wird. Die konkrete Ausgestaltung dieser kollegialen Führung war ein Anliegen des Konzils. Die Verwirklichung dieses Ziels war aber schon ein Problem für die Formulierung in den Konzilstexten, denn an vielen Stellen, wo in den Dokumenten vom Kollegium der Bischöfe gesprochen wird, findet sich immer die sehr besorgte Bemerkung, dass Kollegialität nicht ohne den Papst, sondern nur mit ihm zu verstehen ist. Jedenfalls ging es um das Anliegen eines „Miteinander“, einer intensiven Gemeinschaft, um eine partnerschaftliche Leitung. Aber in Wahrheit ist bald nach dem Ende des 2. Vatikanischen Konzils eine sehr zentralistische Verfahrensweise in der Kirche vorherrschend geworden, eine sehr starke „Papstzentrierung“, auch in der Verwaltung. Es scheint, dass Papst Franziskus diesen Trend verändern will. Es soll in einer synodalen Kirche wirklich um Gemeinschaft, um Partizipation und Mission gehen.

 

Die Wiener Diözesansynode (1969-1971) als Zwischenetappe

Wir erinnern uns in diesen Tagen - besonders beim Stichwort Synodalität – an die Wiener Diözesansynode, die vor 50 Jahren stattgefunden hat. Die Beschlüsse des 2. Vatikanischen Konzils sollten ja in den Diözesen bekanntgemacht und vor allem durchgeführt werden. Das Konzil sollte an der Basis ankommen. Dazu bot sich das Instrument der Diözesansynoden an. So wurden in Österreichs Diözesen in den Jahren nach Konzilsende Diözesansynoden abgehalten. In der Erzdiözese Wien hatte man schon 1965 mit den entsprechenden Vorbereitungen und Vorarbeiten begonnen. Kardinal König hat den Koadjutor „sedi datus“ Erzbischof Franz Jachym zum Präsidenten der Synode ernannt und mit der Durchführung beauftragt.

 

Die kirchenrechtlich normierte Form einer Diözesansynode hätte aber dem Anliegen, die Beschlüsse des Konzils auf die Ebene der Diözese herunterzubrechen, nur sehr mangelhaft entsprochen. Es ging ja um eine möglichst große Beteiligung der ganzen Diözese, um Partizipation als Aspekt der Synodalität, wenn man die Begriffe des Konzepts von Papst Franziskus heranzieht. Das Gremium einer Diözesansynode hätte nach dem damals gültigen Kirchenrecht nur aus Klerikern bestanden. Der Bischof allein war der „unicus legislator“, d.h. beschließende Kraft hatten Beschlüsse nur durch den Diözesanbischof. Kardinal König konnte die Möglichkeit einer das Diözesanvolk wirklich repräsentierenden Versammlung von den römischen Behörden erreichen. Die Zahl der 340 Synodalen gliederte sich in 160 Priester, 152 Laien und 25 Ordensangehörige. Durch dieses Zahlenverhältnis konnte erreicht werden, dass die Priester eine knappe Mehrheit hielten, was vom kanonischen Recht her notwendig schien. Grundsätzlich blieb aber bestehen, dass erst durch die Unterschrift des Erzbischofs die Beschlüsse der Synode Gesetzeskraft erlangten. Auch das heute gültige Kirchenrecht, der Codex juris canonici von 1983, sieht den Bischof als den „unicus legislator“ der Diözesansynode vor (Can. 466).

Die Synode hat die den Diözesanbischof beratende Aufgabe sehr ernst genommen. Das Konzil hatte ja eine umfassende Reform und Erneuerung der Kirche als Ziel vorgegeben. Es ging um die Verkündigung des Evangeliums, um die Heiligung durch die Sakramente und um das soziale und caritative Wirken der Kirche in der vielgestaltigen Welt von heute. All diese Bereiche zu bedenken aus dem Blickwinkel unserer Erzdiözese war auch Aufgabe der Diözesansynode. Es brauchte drei mehrtätige Sessionen, um diese Aufträge und Aufgaben abzuarbeiten.

 

Arbeitsgruppen hatten zu den Anliegen des Erneuerungsprogramms schon Texte verfasst, die nun zur „Begutachtung“ an das Gottesvolk ausgeschickt und vorgelegt wurden. Diese Einladung durch das Synodenpräsidium wurde in einer einmaligen Bereitschaft angenommen. Auf der Ebene von Pfarren und Dekanaten bildeten sich Gesprächsgruppen, desgleichen im Rahmen der Theologischen Erwachsenenbildung (Bildungswerk, Theologische Kurse usw.). Eine vergleichbare Beteiligung an ähnlichen Prozessen hat es seither in der Diözese nicht mehr gegeben. Mit diesen Voten aus dem Gottesvolk der Kirche von Wien hatten sich dann die Kommissionen und Arbeitsgruppen der Synodalen auseinanderzusetzen, die ihrerseits auch Fachleute, Periti genannt, zu ihren Diskussionen hinzuzogen. Die Diskussion und die Beschlussfassung zu den vorbereiteten Texten in den einzelnen Themenbereichen erfolgte in echter „parlamentarischer“ Manier. Die Beschlüsse der Synode, die durch die Unterschrift des Erzbischofs Verbindlichkeit erhielten, wurden 1972 im „Grünen Buch“ veröffentlicht: Leben und Wirken der Kirche von Wien. Handbuch der Synode 1969-1971“.

 

Bereiche der Partizipation

Die umfassende Beteiligung des ganzen Gottesvolkes an den Beratungen über die Zukunft der Kirche von Wien war ein zentrales Anliegen. Durch die Zusammensetzung des Kreises der Synodalen war schon ein entscheidender Schritt zu großer Partizipation gesetzt. Im Rückblick kann man sagen, es gab nie ein Blockbildung Priester gegen Laien. Die Diskussion und die Meinungsbildung ging quer durch die verschiedenen Gruppen.

 

Eine wichtige strukturelle Voraussetzung geschah durch den Beschluss, die Diözese in drei Territorialvikariate zu gliedern: Stadt Wien – nördlicher Teil der Erzdiözese (Weinviertel) – südlicher Teil der Erzdiözese (Industrieviertel und Bucklige Welt). In der Verwirklichung dieses Beschlusses spielte die Partizipation eine wichtige Rolle: Der Bischofsvikar sollte durch einen pastoralen Vikariatsrat unterstützt werden, dessen Mitglieder auch durch einen Wahlmodus bestimmt werden sollten. Für die Person des Bischofsvikars hatte die Synode auch eine Mitwirkung des Gottesvolkes vorgesehen: In einem Wahlvorgang sollte eine Liste von drei Kandidaten erstellt werden, aus denen der Erzbischof den Vikar auswählt und bestellt. Dieser Bestellungsmodus wurde unter Kardinal König auch durchgeführt.

 

Partizipation war auch auf der Ebene der Dekanate und der Pfarrgemeinden vorgesehen. Die Bestimmungen zum Pfarrgemeinderat mussten später auf römische Intervention hin zugunsten der Stellung des Pfarrers geändert werden.

Mit Blick auf das Ideal einer synodalen Kirche im Sinn von Papst Franziskus war die Wiener Diözesansynode schon einige Schritte weiter, im Blick auf die Bischofssynode ist hier noch ein größeres Maß an Partizipation möglich und wünschenswert. Die Wiener Diözesansynode hat viel in Bewegung gesetzt, hat viele wirklich mobilisiert und motiviert, Weichen für die Partizipation wurden gestellt. Vieles, vor allem die neuen territorialen Strukturen, sind seither selbstverständliche Wirklichkeit geworden. Dem Anliegen des Weges für eine synodale Kirche ist zu wünschen, dass es ähnliche Impulse vermitteln kann wie die Vorbereitungsarbeiten zur Wiener Diözesansynode.

erstellt von: emer. Univ.-Prof. Dr. Josef Weismayer
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