Japan erlaubt jetzt die Geburt von Mensch-Tier-Mischwesen. Und damit tauchen auch ethische Fragen auf: Werden damit Tiere zu Ersatzteillagern für menschliche Organe? Ist damit letztendlich alles machbar und von außen reparierbar?
Der Biomediziner Hiromitsu Nakauchi, der Arbeitsgruppen an den Universitäten Stanford und Tokio leitet, darf nun mit Zustimmung des japanischen Wissenschaftsministeriums entsprechende Forschungsvorhaben durchführen. Seine Vision sind – vereinfacht gesagt – Tiere, die als menschliche Ersatzteillager dienen. Die einen bejubeln diesen Schritt, andere warnen vor den Folgen. Im Gespräch mit dem SONNTAG geht der Wiener Moraltheologe Matthias Beck auf einen in der Diskussion bisher wenig beachteten Aspekt, nämlich den des Tierleids, ein.
Sind jetzt bei diesen Versuchen die Tiere gleichsam Organ-„Ersatzteillager“ für den Menschen?
Matthias Beck: Tiere werden hier zu einem solchen „Organersatzteillager“ verwendet und instrumentalisiert. Die menschlichen Stammzellen (induzierte pluripotente Stammzellen, die aus einer erwachsenen Zelle reprogrammiert werden) werden ja einem Tierembryo eingepflanzt. Das tut man deshalb, da der Embryo noch kein Immunsystem hat und die fremden Zellen daher (zunächst) nicht abgestoßen werden. Sie integrieren sich in den Tierorganismus. Ob man am Ende wirklich ein „reines“ menschliches Organ hat oder ein von Tierzellen durchmischtes, bleibt abzuwarten. Zumindest müsste das Organ wohl zunächst vom tierischen Blut durchblutet werden.
Die menschlichen Zellen sollten sich nicht im Gehirn der Tiere festsetzen, sie könnten sonst womöglich menschliche Eigenschaften entwickeln (z. B. Affen für Waffengebrauch). Auch menschliche Samen und Eizellen sollten von Tieren nicht hergestellt werden, da dadurch die folgenden Generationen betroffen wären. Hier ist noch viel Diskussionsbedarf. Mir scheint, das Problem wird sich auch physiologisch als viel komplexer herausstellen, als es jetzt aussieht.
Darf man Tieren bewusst Leid zufügen, sie töten, um Organe für Menschen zu gewinnen?
Matthias Beck: Man sollte dem Tier nicht bewusst Leid zufügen. Es würde das menschliche Organ austragen und dann getötet werden. Es müsste wohl genetisch so programmiert werden, dass es zunächst kein eigenes tierisches Organ ausbildet, um dann das menschliche zur Entwicklung zu bringen. Inwieweit schon dadurch Tierleid ausgelöst werden kann, ist wohl derzeit nicht abzusehen. Natürlich müssen hier Tierschutzbedingungen eingehalten werden.
Das ganze Procedere mit Tierversuchen und Tierleid haben wir schon bei der Testung von Arzneimitteln diskutiert. Allerdings gehen wir bei der Anwendung der „Organherstellung“ einen Schritt weiter und benutzen den Tierorganismus als „Integrationsorganismus“ für das Wachsen eines menschlichen Organes, das im Labor nicht so gut wächst. Eine menschliche Leber ist größer als die Maus (entsteht hier Leid?). Also braucht man größere Tiere. Die ganze Diskussion muss im Kontext der Organtransplantation gesehen werden. Wir werden immer zu wenig Organe haben und daher wird die Forschung nach neuen Wegen suchen. Dies ist jetzt ein weiterer Schritt. Womöglich löst diese aktuelle Debatte eine neue grundsätzliche Diskussion aus, ob man nicht durch Lebensstiländerungen manche Transplantation präventiv vermeiden könnte. Sonst bewegen wir uns immer weiter in der zirkulären Diskussion, dass doch alles irgendwie machbar und von außen reparierbar sein müsste.