Jesus wusch seinen Jüngern die Füße: ”Gottesdienst“ meint zuallererst, dass Gott dem Menschen dienen will.
Autor: DDr. Paul M. Zulehner,
Professor für Pastoraltheologie (Institut für Praktische Theologie) an der Uni Wien.
Jesus wusch seinen Jüngern die Füße: ”Gottesdienst“ meint zuallererst, dass Gott dem Menschen dienen will.
Autor: DDr. Paul M. Zulehner,
Professor für Pastoraltheologie (Institut für Praktische Theologie) an der Uni Wien.
Wie Liturgie zu einer Feier wird, in der Gottes Gegenwart zur tiefgreifenden Erfahrung werden kann.
Wir meinen, wir wären es, die sonntags zusammenkommen, um Gott zu dienen. Doch es ist umgekehrt: ”Gott ruft sein Volk zusammen“, um uns seine Dienste zu schenken: uns zu trösten, zu heilen, zu stärken, zu wandeln, unserem Leben eine neue Richtung zu geben. Gott sucht zu erreichen, dass wir in der Spur seines Sohnes wandeln. Sein Dienst zielt darauf, dass wir uns den Leib seines Sohnes einverleiben, um so ”Leib Christi“ zu werden. Wo wir Gott uns so dienen lassen, werden wir ”gottvoll“, randvoll also mit Gott, der die Liebe ist. Gottvolle Menschen werden zu gottförmig Liebenden.
Wie aber können unsere Gottesdienste dergestalt ”gottvoll“ werden, dass Gott an uns seinen Dienst – mit allen Sinnen erfahrbar – erfüllen kann? Wir haben Menschen aus Wiener Kirchengemeinden gefragt, wie sie Gottesdienste erleben. Ihre Antworten kreisen um zwei Stichworte: Kunst des Feierns und Kunst der Predigt.
Kunst des Feierns: Ein gläubiger Mensch geht sonntags in die Kirche, um – bildlich gesprochen – in das ”Kraftfeld“ Gottes einzutauchen und Gottes Gegenwart zu erleben. Nur wenn solches Eintauchen in Gott erlebt werden kann, soll man füglich Gottesdienste als ”erlebnisstark“ bezeichnen. Das kann nicht durch noch so tolle Gestaltung, moderne oder gregorianische Musik, durch liturgische Gags ernötigt werden. Es braucht vielmehr gefüllte Stille, ein inneres Horchen und Schauen mit den Ohren und Augen des Herzens.
Es gilt, eine liturgische ”Inszenierung“ zu finden, die nicht verhindert, dass ”Gott vorkommen“, zum Vorschein kommen kann. Das ist nicht nur eine Frage derer, die dem Gottesdienst vorstehen und ihn kompetent vorbereiten, sondern der ganzen Gemeinde. Es gibt gotttaube Gemeinden und gottvolle. Wer in eine gottesdienstliche Versammlung geht, kann das schnell erspüren.
Ist diese Art von ”erlebnisstark“ gesichert, können auch noch weitere Aspekte benannt werden: ”Die Sonntagsgottesdienste brauchen eine einladende Gestaltung, die Beteiligung möglichst vieler, besonders von Familien, Kindern und Jugendlichen. Sie sind schön, sprechen Sinne und Gemüt an, sind auch abwechslungsreich und ansprechend. Vor allem sind sie lebensnah und so in einem anderen Sinn ‚erlebnisstark‘, greifen aktuelle Themen auf.“ (Passauer Pastoralplan 2000)
Kunst der Predigt: Die Predigt irritiert viele. Die Gottesdienste sind insgesamt zu wortlastig. Es wird unentwegt gepredigt, erklärt, kommentiert. Das ist wie wenn im Hamlet im Burgtheater dauernd der Regisseur auf die Bühne tritt und den Leuten vorauserzählt, was sie gleich im Schauspiel viel packender erleben werden. Vom Wortdurchfall, einer unseligen liturgischen Logorrhöe ist die Rede.
Dazu kommt, worüber und wie gepredigt wird. Die Sprache ist oft so antiquiert, dass sie Zeitgenossen wie eine Fremdsprache erscheint – die offiziellen Gebete eingeschlossen. Es wird moralisiert. Verschwiegen werden die Größe und das Geheimnis Gottes, die Würde des Menschen, die Schönheit wie die Gefahr des Glaubens. Viel zu wenige erleben die heilende Kraft der Liturgie.
Ein Katholik sagte mir einmal im Gespräch: Ich gehe in keinen katholischen Gottesdienst mehr, weil ich spirituell suche. Das sollte uns nicht zu oft passieren.