Wiener Erzbischof referierte bei internationaler ökumenischer Konferenz in ungarischer Benediktinerabtei Pannonhalma
Kardinal Christoph Schönborn hat eine deutliche Verschiebung des kirchlichen globalen Kräfteverhältnisses zwischen Nord und Süd konstatiert. "Die Zukunft der Kirche liegt in Afrika, Asien und Lateinamerika." Das sei ihm auch besonders im Rahmen der Weltsynode in Rom deutlich geworden, berichtete der Wiener Erzbischof im Rahmen eines Vortrags in der ungarischen Abtei Pannonhalma. Europa sei gewissermaßen im Niedergang, "wenn auch nicht am Ende". Aber, so Kardinal Schönborn: "Es muss sich etwas ändern." Und: "Wir müssen mehr voneinander lernen und mehr aufeinander hören."
Die Benediktinerabtei Pannonhalma lud am Freitag und Samstag zu einer hochkarätig besetzten ökumenischen Konferenz. In Vorträgen, Diskussionen und Workshops ging es um die Lage der Kirchen und die Gemeinschaft der Christen in der heutigen Gesellschaft. Schönborn sprach zum Thema "Kirche und die Zeichen der Zeit".
Fünf Zeichen hob Schönborn hervor, die er für die Kirche für sehr bedeutend halte. Neben der Kräfteumkehr zwischen Nord und Süd ging er etwa auch auf das Verhältnis zwischen Christentum und Islam ein. Beide Religionen hätten einen unbedingten Wahrheitsanspruch und universellen Missionsauftrag. Sei trotzdem Dialog möglich und gebe es Gemeinsamkeiten?, so die Frage des Kardinals.
Papst Franziskus habe durch seine Freundschaften und Begegnungen mit den führenden Vertretern der islamischen Welt gezeigt, dass dies möglich sei. Und auf der Basis des gemeinsamen Menschseins sei 2019 die Erklärung von Abu Dhabi Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt entstanden.
Der Dialog bleibe freilich eine ständige Herausforderung, so Schönborn auch unter Verweis auf Konfliktfelder etwa in Schulen in Österreich. Und er hob zudem hervor, dass im Blick auf das Verhältnis von Christentum und Islam auch nie das Judentum vergessen werden dürfe.
Weiters sprach der Wiener Erzbischof in seinen Ausführungen in Pannonhalma die große ökologische Herausforderung an. Die jungen Menschen von heute stünden vor dramatischen Zukunftsfragen. Schönborn verwies auf die Papstenzyklika Laudato si. Ein zentraler Punkt von Papst Franziskus: Humanökologie und Weltökologie dürften nicht voneinander getrennt werden.
Schwer unter Druck sah Schönborn zudem als vierten Punkt die Religionsfreiheit. Es sei erschreckend zu sehen, "wie in vielen Ländern weltweit eine Konfessionalisierung der Politik feststellbar ist". Religiöse Minderheiten seien schwer unter Druck und würden immer öfter Gefahr laufen, ihre Bürgerrechte zu verlieren. Aber auch die zunehmende Laizität in Europa bereite ihm große Sorgen, so Schönborn. Vielfach würden von den politisch und gesellschaftlich maßgeblichen Kräften nicht mehr christliche Werte vertreten. "Die Christen werden zu Fremden im eigenen Land", warnte Schönborn. Trotzdem nicht zu verbittern, sei eine der großen Aufgaben für die Kirche, so der Kardinal.
Zu guter Letzt wolle er die Frage stellen: "Was hat Bestand?" Die Antwort sei tiefsinnig und banal zugleich: "Wir haben alle eine Mutter und einen Vater, wir waren alle einmal Kinder und wir werden einmal sterben. Das mögen wir bedenken und im Herzen aufnehmen. Und wenn wir mit Jesus verbunden sind und das in aller Einfachheit leben, dann gibt das so viel Hoffnung in unserer heutigen Zeit."
Der griechisch-orthodoxe Metropolit von Austria und Exarch von Ungarn, Arsenios (Kardamakis), plädierte in seinen Ausführungen bei der Konferenz für Realismus in der Ökumene. "Ohne ehrlichen Blick auf die Christenheit und die Not der Welt werden wir in der Ökumene nicht vorankommen." Dazu gehöre auch der ernsthafte Blick auf die jeweils eigenen Schwächen. Dies sei die Voraussetzung, um mit den Schwächen des anderen adäquat umgehen zu können, so Kardamakis. Und er fügte hinzu: "Wir müssen noch viel mehr aufeinander hören. Jede Generation von Neuem."
Kardamakis rief die Kirchen zudem dazu auf, aus der reichen gemeinsamen Tradition der Kirchenväter zu schöpfen und er hob die Bedeutung der Liturgie für die Ökumene hervor.
Der Auftrag Jesu an die Jünger zur Einheit sei keine Option für die Kirchen, sondern eine Verpflichtung, betonte der Metropolit weiter. Freilich: Jesus lasse die Menschen dabei nicht allein. Seine Gegenwart gebe Kraft und schaffe Perspektiven. Von daher könne die Trennung überwunden werden.
Kardamakis erinnerte zudem daran, dass vor einem Jahr der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. an der gleichen Ökumene-Konferenz in Pannonhalma teilnahm. Der Metropolit sprach von "Tagen der Freude und der geschwisterlichen Begegnung". Die Erzabtei Pannonhalma sei ein sichtbares Symbol dafür, dass es möglich sei, die Spaltungen und Konflikte der Vergangenheit zu überwinden und weitere Schritte in Richtung Einheit zu gehen.
Auch "Pro Oriente"-Vizepräsident Prof. Rudolf Prokschi unterstrich die Bedeutung der Benediktiner für die Ökumene. Da der Gründervater des Benediktinerordens, der heilige Benedikt, lange vor den späteren Trennungen zwischen Ost- und Westkirche lebte und tätig war, könnten die benediktinischen Gemeinschaften auf ihre lange und authentische Tradition zurückgreifen "und somit ein nützliches Instrument in den Händen Gottes auf dem Weg zur Einheit sein". Prokschi erinnerte daran, dass schon Papst Pius XI. die Benediktiner vor genau 100 Jahren darin bestärkte und sie zu neuen Initiativen in der Ökumene, besonders zwischen der Katholischen und Orthodoxen Kirche, ermutigte. Insofern sei es sehr zu begrüßen, dass die benediktinische Erzabtei von Pannonhalma in letzter Zeit ihre Bemühungen in diese Richtung intensivierte, was auch durch diese ökumenische Konferenz deutlich werde.
Diese Aktivitäten in Bezug auf die Ostkirchen dienten aber nicht nur der christlichen Einheit, sondern hätten auch eine gesamtgesellschaftliche Relevanz, zeigte sich Prokschi überzeugt. Gerade in der gegenwärtigen schwierigen weltpolitischen Lage, in der nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in Europa Krieg herrscht, könne das ökumenische Engagement für die Einheit der Christen ein wichtiger Baustein zur Wiederherstellung des Friedens sein. Und zwar eines Friedens, der mehr sei als bloß die Abwesenheit von Krieg oder ein mehr oder weniger eingehaltener Waffenstillstand.
Erzabt Cirill Hortobagyi von Pannonhalma konnte zur Tagung zahlreiche hochrangige Kirchenvertreter und weitere Expertinnen und Experten begrüßen. Zu Wort kamen u.a. auch der frühere Anglikaner-Primas Alterzbischof Rowan Williams, der Apostolische Nuntius in Ungarn Erzbischof Michael Wallace Banach und die frühere Ko-Präsidentin der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), Stephanie Dietrich aus der lutherischen Kirche Norwegens; weiters etwa auch der griechisch-orthodoxe Theologieprofessor Nikolaos Loudovikos (Thessaloniki), der deutsch-französische katholische Dogmatik-Professor Michael Seewald (Münster), der ungarische Theologe und Religionswissenschaftler Andras Mate-Toth und der ungarische Schriftsteller Peter Nadas. Außerdem sprachen der leitende Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn, Tamas Fabiny, der Altabt von Pannonhalma, Bischof Asztrik Varszegi sowie die Wiener Theologin Dorothee Bauer.
Kardinal Schönborn referierte am Freitagnachmittag. Am Freitagabend war ein ökumenischer Gottesdienst in der Abteikirche von Pannonhalma angesetzt, dem Schönborn und Alterzbischof Williams vorstanden. Die Inhalte der Vorträge vom Freitag sollten am Samstag in Workshops vertieft werden.
Die Erzabtei Pannonhalma auf dem Martinsberg ist neben der Domstadt Esztergom das wichtigste spirituelle Zentrum Ungarns und gilt als bedeutender Ort für den ökumenischen Dialog der christlichen Kirchen. Die Benediktiner in der 996 begründete Abtei Pannonhalma feiern derzeit ein Jubiläumsjahr zur Weihe der Abteikirche vor 800 Jahren. Noch bis November geht es bei zahlreichen Veranstaltungen um gesellschaftlichen Zusammenhalt, Gemeinschaft, Kultur und Dialog.