Für die Integration türkischstämmiger junger Menschen in Deutschland sei das Ausscheiden von Mesut Özil aus dem DFB "ein bedauerliches Signal". Das sagte der Religionswissenschaftler Michael Blume im Interview mit "Vatican News".
Für die Integration türkischstämmiger junger Menschen in Deutschland sei das Ausscheiden von Mesut Özil aus dem DFB "ein bedauerliches Signal". Das sagte der Religionswissenschaftler Michael Blume im Interview mit "Vatican News".
Rücktritt sei „ein bedauerliches Signal“.
Für die Integration türkischstämmiger junger Menschen in Deutschland sei das Ausscheiden von Mesut Özil aus dem DFB "ein bedauerliches Signal". Das sagte der Religionswissenschaftler Michael Blume am Dienstag, 24. Juli 2018 im Interview mit "Vatican News".
Der Religionswissenschaftler hatte im vergangenen Jahr das Buch "Islam in der Krise" vorgelegt und ist mit einer türkischstämmigen Muslimin verheiratet. Der Generalvikar der Diözese Essen, Klaus Pfeffer, schrieb dazu auf seiner Facebook-Seite, abgesehen von einem "schwer erträglichen" Foto-Shooting mit Erdogan und fehlender "Selbstkritik" Özils halte er es für besonders schlimm, "wie schnell gegenwärtig in unserem Land ein offener Rassismus mit nationalistischem Gewand um sich greifen kann".
In Deutschland gebe es zwei ganz unterschiedlichen Wahrnehmungen, so Blume. In der Mehrheitsgesellschaft werde gesagt, Özil habe nie die deutsche Hymne mitgesungen. Unter den türkischstämmigen jungen Leuten sei dagegen die Wahrnehmung anders: "Seht ihr, so lange er Tore schießt, ist er ein Deutscher, und wenn es dann einmal schief läuft, wenn die Mannschaft verliert, dann wird er ausgebürgert, er ist ein Deutscher zweiter Klasse." Tatsächlich müsse man sagen, dass das Bild, wie Özil dem türkischen Präsidenten Erdogan ein Trikot überreiche, ganz massiv in deutschen Medien diskutiert und auch vom DFB angeprangert worden sei, "aber auf der anderen Seite, dass die DFB-Spitze selber mit Lothar Matthäus dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ebenfalls ein Trikot überreicht hat, das wird wiederum fast nur in den türkischstämmigen Medien thematisiert". Insofern sei schon bei vielen Menschen, gerade auch - aber nicht nur - bei Migranten, das Gefühl, dass "da Rassismus eine Rolle spielt", so Blume.
Rassismus und Antisemitismus kämen durch das Internet hoch, das Kirchenengagement gegen Rassismus sei hier immens wichtig, erinnerte er. Verschwörungsmythen breiteten sich stark aus und würden auch gegeneinander gerichtet. Wenn man diesem Verfall von liberalen Gesellschaften überhaupt noch stoppen wolle, wäre es das wichtigste, "dass wir alle darüber nachdenken, was eigentlich diese neuen Medien mit uns machen, in positiver und in negativer Hinsicht".
Der Spaltpilz fresse sich durch die Gesellschaft, und das betreffe weltweit alle Gesellschaften. "Wie tief der Schaden ist, und ob unsere Demokratien unbeschadet ist, wird sich in den nächsten zehn bis 20 Jahren entscheiden. Momentan sieht es so aus, dass wir noch kein Gegenmittel gefunden haben, um diese Entwicklung wieder zu stoppen."
In dieser Situation hält Blume die Medienarbeit der Kirchen für wichtiger denn je: "Der Papst oder prominente Bischöfe finden durchaus Gehör, und man verhält sich dazu. Auf den extremistischen Seiten sind aber die Kirchen schon lange zu Hassfiguren geworden. Das wird jetzt noch heftiger werden. Die Wut, die sich jetzt auf Juden und Muslime richtet, richtet sich auch zunehmend gegen die Kirchen. Da wird dann gesagt: Mit der Aufnahme von Flüchtlingen arbeiten die mit an der Zerstörung Europas, sie sind ja selber schon verjudet und islamisiert. Ich nehme selber immer stärker wahr, dass die Kirchen in diesen antisemitischen und rassistischen Strom hineingezogen werden."
Gleichzeitig gebe es innerhalb der Kirchen natürlich auch Stimmen, die denken, man könne durch eine Distanzierung von Muslimen oder Juden die eigene Position verbessern. "Von daher würde ich sagen, auf die mediale Arbeit der Kirchen, auf die Haltung der Kirchen wird es in den nächsten Jahren mit Sicherheit noch stärker ankommen als heute. Halten sie die Gesellschaften zusammen, oder lassen sie es zu, dass die Spaltung in die Kirchen eingreifen?", erklärte der Religionswissenschaftler.