"Gebet ist Lebenselixier des Glaubens", so Kardinal Christoph Schönborn, vor 20 Jahren im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung.
"Gebet ist Lebenselixier des Glaubens", so Kardinal Christoph Schönborn, vor 20 Jahren im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung.
Vor 20 Jahren befragte die Chefredakteurin der Kirchenzeitung, Marie-Therese Hemberger, den neuen Erzbischof von Wien, Christoph Schönborn, nach den Schwerpunkten seiner Amtszeit. Zum 20-jährigen Jubiläum hat erzdioezese-wien.at einen Rückblick auf dieses Interview.
Wiener Kirchenzeitung: Exzellenz, was sind die Schwerpunkte, die Sie als Erzbischof in Wien setzen möchten?
Erzbischof Schönborn: Keine anderen können es sein als die des Evangeliums, anknüpfend an das, was meine Vorgänger gewirkt haben, und im Hören auf das, was der Geist heute der Kirche sagt.
Und was sagt der Geist?
Erzbischof Schönborn: Der stärkste Ruf des Geistes scheint heute der zu sein: mehr aus der Dimension des Glaubens heraus zu leben. Um die Dimension des Glaubens zu ermöglichen, gibt es aber eine Voraussetzung. Der heilige Thomas sagt: "Die Gnade setzt die Natur voraus." Beide Dimensionen – jene des Glaubens und jene einer menschlichen Natur, auf der Glaube erst wachsen kann – sind aber heute besonders pflegebedürftig. Ich meine damit sowohl das Leben aus der Gnade als die eigentliche Dimension des christlichen Lebens wie die Stärkung der menschlichen Basis des christlichen Lebens, die Aufbereitung des humanen Fundaments für den Glauben, also Tugenden wie Treue, Gerechtigkeit, Tapferkeit oder Maßhalten. Alle die Haltungen eben, die den Nährboden für ein christliches Leben bilden. Am besten kann man es vielleicht mit einem Bibelzitat erhellen, mit einer Stelle, die mir besonders hilfreich erscheint für meine Aufgabe als Erzbischof von Wien: "Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe" (1Kor 13,13)
Wo sind die besonderen Orte der Hoffnung in der Kirche?
Erzbischof Schönborn: Zuerst einmal die verborgenen Heiligen, stille Beter. Aber auch die Kranken, die durch ihr Leben die Kirche tragen. Sie alle sind das oft übersehene und doch alles tragende Fundament aller fruchtbaren Aktivitäten der Kirche. Mutter Teresa will, dass jede ihrer Schwestern einen "Paten" hat, der durch das Tragen seines Kreuzes das Apostolat der Schwestern mitträgt.
Orte der Hoffnung. Das ist sicher auch die Schule, das weite Feld der Erziehung, junge Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und zu fördern. Trotz aller Widrigkeiten in der heutigen Gesellschaft. Besondere Ermutigung bedürfen die Religionslehrer, die vielfach die einzige Begegnung der Schüler mit der Kirche darstellen. Ein dritter Ort der Hoffnung ist sicher die Priesterausbildung. Ich bin beeindruckt von den Berufungen, die der Herr schenkt, auch wenn sie nicht sehr zahlreich zu sein scheinen.
Hoffnung ist überall dort, wo wir lebendigem Glauben begegnen, der sich nicht entmutigen lässt durch äußere und innere Anfechtungen.
Neue Gemeinschaften liegen Ihnen am Herzen. Wie kann man das Entstehen und Gedeihen solcher Gemeinschaften fördern?
Erzbischof Schönborn: In der ganzen Welt sind in den vergangenen Jahren neue Gemeinschaften entstanden. Da gibt es schnell oder langsam wachsende, große und kleine. Ich sehe in diesen Gemeinschaften Elemente der Belebung. Das ist kein Gegensatz zu den Pfarren, denn diese bleiben immer das Fundament, die Grundform der christlichen Gemeinschaft, sondern es ist eine Ergänzung und Bereicherung, die auch dem Leben der Pfarre zugute kommen soll. Das können Gemeinschaften ganz verschiedener Art sein: neue Orden, Säkularinstitute, Gruppen des Laienapostolats, verschiedene Bewegungen und so weiter.
Wie kann man mit den Unzufriedenen in der Kirche im Dialog bleiben und ihr Abwandern, möglicherweise ihren Austritt verhindern?
Erzbischof Schönborn: Ich werde in den nächsten Wochen Begegnungen mit den Vikariatsräten sowie mit den Priestern und Diakonen abhalten. Dabei sollen auch die Fragen des Kirchenvolksbegehrens zur Sprache gebracht werden, das heißt, es wird darum gehen, die Themen auszuweiten auf die Fragen hin, die dort zu kurz kommen. Ich denke da zum Beispiel an zentrale Fragen des Glaubens, auch an die soziale und missionarische Dimension der Kirche. Die Gespräche sollen eine Gelegenheit bieten, einen umfassenden Dialog in der Diözese zu fördern. Pro Vikariat wird es drei solche Begegnungen geben, eine mit dem Vikariatsrat und zwei mit den Seelsorgern. Die Gespräche werden bald, jedenfalls noch Ende November, stattfinden und jeweils einen ganzen Tag dauern.
Was heute zu fehlen scheint, ist der Glaube. Wie kann man ihn stärken?
Erzbischof Schönborn: Als allererstes durch das Gebet. Das Gebet ist das Lebenselixier des Glaubens, der Atem des christlichen Lebens. Es wird viel gebetet – im Stillen, oft sogar ohne dass sich der Beter im Klaren darüber ist, dass seine Gedanken, seine Sehnsucht, sein unruhiges Herz (wie Augustinus es nennt) schon Gebet sind. Zur Stärkung des Glaubens bedürfen wir der Hinwendung zur Gegenwart Christi in der Eucharistie, im Tabernakel, zu seiner geheimnisvollen und "strahlenden" Gegenwart.
Zur Stärkung des Glaubens gehört auch die Weitergabe, das Zeugnis des Glaubens. Er wächst in dem Maß, in dem er bezeugt wird. Das Wachstum des Glaubens geschieht auch durch die tätige Liebe, durch die Geduld mit den Mühsamen, die kleinen Aufmerksamkeiten im Alltag, durch das Lächeln, das Franz von Sales das "Kleingeld der Liebe" genannt hat.
Kirche und Kunst scheinen derzeit so weit voneinander entfernt zu sein wie nie zuvor. Wie kann man zu einer engeren Zusammenarbeit, zu einem tieferen Miteinander gelangen?
Erzbischof Schönborn: Mir scheint der Abstand nicht ganz so groß zu sein, ich beobachte sogar ein wachsendes gegenseitiges Interesse. In den vergangenen Jahren bin ich zunehmend Künstlern begegnet, die zum Teil sehr intensiv den Glauben suchen und für die Kirche wirken wollen. Dabei spürt man schmerzlich eine gegenseitige Unbeholfenheit, oft Sprachlosigkeit, das Fehlen einer gemeinsamen Sprache. Doch bin ich auch hier voll Hoffnung, dass es einen neuen Aufbruch christlicher Kunst gibt.
Die Kirche muss wohl initiativer werden, auch im inhaltlichen Gespräch mit Künstlern, im Vermitteln von Sinn und Bedeutung christlicher Symbole und Inhalte. Das soll geschehen, ohne den Künstler Vorschreibungen zu machen, wohl aber, um ihnen zu helfen, Glaubensinhalte besser zu erfassen, um sie auch stärker zur Sprache bringen zu können.
Aktuelles Interview mit Kardinal Christoph Schönborn in der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag":
„Lasst uns gehen!“ - 20 Jahre gemeinsam unterwegs
14.30 Uhr: Welcome im Stephansdom
15.00 Uhr: Beginn der Eucharistiefeier, danach Agape
20 Jahre Erzbischof von Wien Information und Plakat
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