Wien feiert 250 Jahre "Barbareum": Internationale Tagung beleuchtet Rolle der katholischen Ostkirchen für Einheit Europas. Kardinal Schönborn ist Gastgeber.
Im Oktober 1775 errichtete Kaiserin Maria Theresia bei der früheren Jesuiten-Kollegskirche St. Barbara, unweit der Wiener Universität, das erste Priesterseminar für die griechisch-katholischen Geistlichen ihrer Kronländer. Spiritus Rektor dieser bedeutenden Bildungseinrichtung war der griechisch-katholische Basilianermönch Jozafat Bastasic aus Kroatien, kaiserlicher Zensor für die kirchenslawischen liturgischen Bücher am Wiener Hof. Obwohl Joseph II. das Seminar bereits knapp zehn Jahre später auflöste und in den Herkunftsländern neue Seminare für den Klerus der mit Rom unierten Katholiken gründete, wurde St. Barbara gleichzeitig die erste griechisch-katholische Pfarre außerhalb der jeweiligen Herkunftsländer.
Aus diesem Anlass findet vom 20. bis 22. Mai 2025 eine internationale Tagung in Wien statt. Die Veranstaltung bringt Rektoren griechisch-katholischer Priesterseminare aus der weltweiten Diaspora der katholischen Ostkirchen sowie zahlreiche griechisch-katholische Bischöfe zusammen. Im Fokus der Tagung steht die Rolle der katholischen Ostkirchen bei der Verkündigung des Evangeliums sowie der Förderung von Einheit, Frieden und Stabilität in Europa, wie das Ostkirchenordinariat bekannt gab. Gastgeber der Tagung ist Kardinal Christoph Schönborn in seiner Funktion als Ordinarius für die Katholischen Ostkirchen in Österreich.
Kardinal Schönborn würdigte das "Barbareum" im Vorfeld der Tagung als eine "Oase" der gemeinsamen Ausbildung, des Gebets und der Brüderlichkeit. Dieser Ort habe junge Männer unterschiedlicher Regionen, Sprachen und Traditionen vereint. Aus dieser gemeinsamen Quelle seien zahlreiche Kirchenführer und Bischöfe hervorgegangen, die mit ihren spezifischen Gaben zum Aufbau eines gemeinsamen Fundaments für ein geeintes Europa beigetragen hätten. Schönborn betonte, dass dieses Erbe der Einheit in der Vielfalt auch heute noch eine bedeutende Ressource für den Kontinent darstelle – in geistlicher, historischer und sozialer Hinsicht.
Das Programm der Tagung beginnt am Dienstagabend, dem 20. Mai, mit einer Vesper in der griechisch-katholischen Kirche St. Barbara. Die inhaltliche Auseinandersetzung startet am Donnerstag im Erzbischöflichen Palais mit Eröffnungsreden von Kardinal Schönborn, Ostkirchen-Generalvikar Yuriy Kolasa und dem Wiener Ostkirchenexperten Prof. Thomas Nemeth. Ein spiritueller Höhepunkt der Tagung wird die Pontifikalliturgie am Mittwoch, dem 21. Mai, um 18 Uhr im Stephansdom sein. Zahlreiche hochrangige Kirchenvertreter haben ihre Teilnahme zugesagt, darunter die Bischöfe Cyril Vasil (Slowakei), Fülöp Kocsis (Ungarn), Milan Stipic (Kroatien), Bohdan Danylo (USA) und Virgil Bercea (Rumänien). Auch der Apostolische Nuntius in Österreich, Erzbischof Pedro Lopez Quintana, wird an der Tagung teilnehmen.
Die griechisch-katholische Kirche in Wien und das "Barbareum"
Die Präsenz der griechisch-katholischen Kirche in Wien reicht zurück in das frühe 18. Jahrhundert zurück. Sowohl in Rumänien alks auch Kroatien und im Königreich Ungarn hatten die Habsburger die Kirchenunion ostkirchlicher Gebiete mit dem Papst gefördert. Nachdem 1772 durch die Besetzung Galiziens mit den "Ruthenen" drei Millionen unierten Katholiken des byzantinischen Ritus dazu kamen, veranlasste Kaiserin Maria Theresia 1775 die Übertragung der Kirche und des Klosters St. Barbara in der Wiener Postgasse an die ukrainische griechisch-katholische Gemeinde. Im Zuge dessen wurde auch das Priesterseminar "Barbareum" gegründet.
Das "Barbareum" entwickelte sich rasch zu einem Zentrum des theologischen und intellektuellen Austauschs. Die Seminaristen widmeten sich dem Studium von Philosophie, Theologie, liturgischer Praxis und verschiedenen Sprachen, darunter Latein, Griechisch und Altkirchenslawisch. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Förderung einer starken griechisch-katholischen Identität in Einheit mit der römisch-katholischen Kirche. Die Studenten besuchten auch Lehrveranstaltungen an den Wiener Universitäten, und das Seminar pflegte enge Beziehungen zu römisch-katholischen Institutionen.
Die positive Entwicklung des "Barbareum" fand jedoch ein jähes Ende: 1784 löste Kaiser Joseph II. das Priesterseminar auf. Die Ausbildung des griechisch-katholischen Klerus wurde von Wien in die neuen unierten Generalseminare von Lemberg und Eger verlegt. Gleichzeitig errichtete der Kaiser für die Galizier die griechisch-katholische Zentralpfarre St. Barbara.
Kirchenrechtlich unterstand St. Barbara bis 1935 dem Lemberger Metropoliten. In diesem Jahr übertrug ein Dekret der Kongregation für die orientalischen Kirchen die Jurisdiktion an den Wiener Erzbischof, der diese jedoch nur als Delegat der vatikanischen Ostkirchenkongregation ausübte. Somit wurde St. Barbara keine Diözesanpfarre der Wiener Erzdiözese, sondern blieb eine päpstliche Pfarre.
Ein weiteres Dekret der Kongregation für die orientalischen Kirchen vom 3. Oktober 1945 übertrug dem Wiener Erzbischof (damals Kardinal Theodor Innitzer) schließlich die selbstständige Jurisdiktionsgewalt über die Priester und Gläubigen des byzantinischen Ritus in Österreich. 1946 ernannte Innitzer mit Myron Hornykewytsch (1886-1959) den ersten Generalvikar für die Katholiken des byzantinischen Ritus in Österreich. Aktuell ist Kardinal Schönborn Ordinarius für alle ostkirchlichen Katholiken in Österreich.