Wie muss das neue Jahr aussehen, damit wir es ehrlichen Herzens „ein Jahr des Heiles“ nennen können?
Wie muss das neue Jahr aussehen, damit wir es ehrlichen Herzens „ein Jahr des Heiles“ nennen können?
Gedanken von Kardinal Schönborn zum Evangelium am Hochfest der Gottesmutter Maria (1. Jänner 2015) Lk 2, 16-21
Ein neues Jahr hat begonnen. Das Jahr 2015. Das zweitausendfünfzehnte Jahr „unserer Zeitrechnung“, wie heute gerne gesagt wird. Vielleicht, weil man Scheu hat zu sagen „nach Christi Geburt“. Doch ist es eine Tatsache, dass unsere Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte und inzwischen schon zwei Jahrtausende von Jesu Geburt an gezählt werden. Post Christum natum heißt es in den alten Texten: Nach Christ Geburt.
Lange war es Brauch, zu jeder Jahreszahl hinzuzufügen: Im Jahre des Heils… Damit wollte man zum Ausdruck bringen, dass Christus der Bringer des Heils ist, und dass deshalb jedes neue Jahr an diesem Heil Anteil hat. Eigentlich eine höchst optimistische Sicht auf das neue Jahr, das kaum einen Tag alt ist.
Wird es ein „Jahr des Heiles“ sein, dieses Jahr 2015? Und was heißt „Heil“ in diesem Zusammenhang? Wird es einen neuen Schub an Wirtschaftswachstum geben? Werden die öffentlichen (und privaten) Schulden sinken und das Realeinkommen wieder steigen? Wird der Flüchtlingsstrom aus den Krisengebieten der Welt abebben? Wird es in der Ukraine, in Syrien und im Irak, zwischen Israel und Palästina endlich Frieden geben? Oder können wir heilfroh sein, wenn die Lage wenigstens nicht schlimmer wird?
Wie muss das neue Jahr aussehen, damit wir es ehrlichen Herzens „ein Jahr des Heiles“ nennen können? Im Evangelium vom heutigen 1. Jänner sehe ich drei Hinweise, wie dieses neue Jahr „heilsam“ werden kann. Ob es das wirklich wird, hängt nicht nur von den äußeren Umständen ab. Sie können sehr belastend, bedrückend sein. Gott gebe, dass uns das erspart bleibt. Wir wünschen uns alle ein gutes, gesundvolles, friedvolles, gesegnetes Neues Jahr. Unsere eigene Einstellung kann aber einiges dazu beitragen, wie sich das Jahr gestaltet.
Da ist zuerst die Haltung der Hirten im heutigen Evangelium. Es ist ihnen gesagt worden, dass eine große Freude auf sie wartet: „Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.“ Aber diese Freude mussten sie erst finden. Sie gingen sie suchen. Und sie ließen sich nicht abschrecken von dem, was sie fanden: Ein Kind armer Eltern, das in einem Stall, in einer Futterkrippe lag. Die Hirten von Bethlehem zeigen uns, wo wir im neuen Jahr eine Quelle des Glücks finden können: nicht im äußeren Schein, im täuschenden Glanz, nicht in dem, was in der „Society“ als Glück angepriesen wird. Die Hirten fanden die Freude im Kleinen, Unscheinbaren, im neugeborenen Kind. Vielleicht wird es uns im neuen Jahr wirtschaftlich nicht besser gehen als im vergangenen Jahr. Von diesen armen Menschen vom Hirtenfeld bei Bethlehem können wir lernen, wo die einfachen Freuden zu finden sind. Sie mögen uns im Jahr des Heiles 2015 nicht fehlen.
„Maria bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“ Darin sehe ich einen zweiten Hinweis für ein gelungenes Jahr 2015. In unserer hektischen Zeit sind wir in Gefahr, „besinnungslos“ zu werden, nicht mehr innezuhalten und nachzudenken. Wie Maria die Ereignisse, die eigenen Erfahrungen zu bedenken, „im Herzen darüber nachzudenken“, das gibt Halt und inneren Frieden. Das Gebet ist dabei eine große Hilfe.
Und schließlich ein dritter Hinweis: Nach jüdischem Brauch wurde Jesus acht Tage nach seiner Geburt, also heute, beschnitten. Der Name Jesus, Jeschua auf Hebräisch, bedeutet: Gott schafft Heil! Von Jesu Geburt an zählen wir die Jahre. Gott gebe, dass 2015 für uns alle wirklich ein Jahr des Heiles werde.
So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten. Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach. Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war. Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, noch ehe das Kind im Schoß seiner Mutter empfangen wurde.
Gedanken zum EvangeliumWöchentlicher Evangelienkommentar von Kardinal Christoph Schönborn |