P. Hans Zollner SJ vor der Päpstlichen Universität Gregoriana.
P. Hans Zollner SJ vor der Päpstlichen Universität Gregoriana.
In vielen Ländern in Kirche und Gesellschaft zu wenig Bewusstsein über Missbrauch.
Nach Angaben des Kinderschutzexperten P. Hans Zollner arbeitet der Vatikan an einem System, um die Kommunikation mit Missbrauchsopfern zu verbessern. Die Glaubenskongregation sei dabei, "ein Modell zu entwickeln, wie man auf die Anfragen von Missbrauchopfern in zig Sprachen an verschiedene Stellen im Vatikan per Brief und E-Mail reagieren kann", sagte der Jesuit am Donnerstag, 21. September 2017 im Interview der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress in Rom.
Nötig sei mehr als eine "schlichte Eingangsbestätigung", so der Psychologe. Zollner leitet das Kinderschutzzentrum an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und ist Mitglied der päpstlichen Kinderschutzkommission, die in dieser Woche zum vorläufig letzten Mal im Vatikan tagt.
Anfang März hatte sich die Irin Marie Collins als letztes von ursprünglich zwei Missbrauchsopfern aus der Kommission zurückgezogen und dies mit einer mangelnden Kooperationsbereitschaft der vatikanischen Behörden begründet. Collins kritisierte auch, der Vatikan habe nicht angemessen auf Schreiben und Anfragen von Missbrauchsopfern reagiert. Das Ausscheiden Collins aus dem Gremium sei für alle schmerzhaft gewesen, so Zollner. Er betonte, die Irin habe nichts gegen die Kommission an sich: "Immerhin war sie seither bei zwei unserer Schulungen für Vatikan-Angestellte anwesend - zuletzt vor zehn Tagen für die neuen Bischöfe."
Zur Zukunft der päpstlichen Kinderschutzkommission, deren Arbeitsauftrag nach drei Jahren endet, äußerte sich der Jesuit zuversichtlich. Das Gremium habe "konkrete Ergebnisse erbracht, die wichtig sind für kirchliche Entscheidungsträger weltweit", bilanzierte Zollners. Er geht davon aus, dass die Arbeit der Kommission fortgesetzt wird. Ob Betroffene von Missbrauch künftig wieder Mitglied seien, werde gerade beraten. Rechtliche Kompetenzen braucht die Kommission aus Zollners Sicht nicht - "die Organe dafür sind bereits da".
Insgesamt ist Missbrauch aus Sicht des Kinderschutzexperten in vielen Ländern noch zu selten ein Thema. Ohne die Arbeit der päpstlichen Kinderschutzkommission gäbe es vielerorts "überhaupt kein Bewusstsein für dieses Thema - weder in der Kirche noch in der Gesellschaft", sagte Zollner im Gespräch mit Kathpress. "In vielen Ländern wird sexueller Missbrauch von Kindern, Jugendlichen, Frauen und Behinderten nicht mit aller Kraft bekämpft", mahnte der Jesuit. Sexualität sei vielerorts ein Tabu in der Öffentlichkeit.
Oft fehlt im Kampf gegen Missbrauch laut Zollner nicht der Wille, sondern geeignete Mittel und Personen. Es mangele häufig an Präventionsexperten, sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft. Stellenweise stehe die katholische Kirche an vorderster Front bei der Aufklärung, vor allem über die Arbeit an katholischen Schulen und anderen Lehreinrichtungen. Er habe etwa erst kürzlich aus Neuseeland gehört, dass Politiker bei der Kirche nachfragen, weil sie Rat für die Präventionsarbeit in ihren staatlichen Schulen brauchen.
Papst Franziskus hat angekündigt, den Einsatz gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche konsequent fortzusetzen. Bei einem Treffen am Donnerstagvormittag, 21. September 2017 mit der päpstlichen Kinderschutzkommission ließ er sich über ihre bisherige Arbeit informieren, wie der Vatikan mitteilte. In einer frei gehaltenen Rede bekräftigte Franziskus dabei, es gebe für sexuellen Missbrauch an Minderjährigen "unwiderruflich und weltweit Null Toleranz". Die Kirche empfinde großen Scham darüber, was vielerorts geschehen und verschwiegen worden sei - was ihm auch seine eigenen Gespräche mit Opfern von Missbrauch deutlich gemacht hätten, wie Franziskus erzählte.
"Mit aller Klarheit sage ich: Sexueller Missbrauch ist eine schreckliche Sünde, die völlig im Gegensatz zu dem steht, was Jesus Christus und die Kirche uns lehren", betonte der Papst. Die Tatsache des Missbrauchs in den eigenen Reihen sei für die Kirche eine "sehr schmerzhafte Erfahrung" gewesen. Die Kirche schäme sich für den Missbrauch durch katholische Priester, besonders weil diese doch die vertrauenswürdigsten Menschen seien sollten, so Franziskus. Alles müsse daran gesetzt werden, "um dieses Übel zu bekämpfen und dieses Verderben in unseren Reihen zu eliminieren".
Auf allen Ebenen müsse es mit den schärfsten Sanktionen bestraft werden, wenn jemand sich an Kindern vergangen und auf diese Weise seine Berufung verraten habe, stellte der Papst weiters klar. Am meisten Verantwortung trügen dabei die Bischöfe, Priester und Ordensleute, da Gott sie auf besondere Weise zum Dienst an anderen Menschen gerufen habe. Gültig seien die disziplinären Maßnahmen der Kirche jedoch darüber hinaus auch für alle anderen in kirchlichen Einrichtungen tätigen Personen.
Die katholische Kirche sei dazu gerufen, besonders für die Leidenden ein Ort des Mitleids und Mitgefühls zu sein, sowie "ein Feldlazarett, das uns auf unserem geistlichen Weg begleitet", sagte der Papst. Den Missbrauchs-Opfern müsse sie zuhören und von ihren "Geschichten des Mutes und des Durchhaltens" lernen.
Der Vorsitzende der Kommission, Kardinal Sean Patrick O'Malley aus Boston, sagte bei dem Treffen im Vatikan, der Schutz von Kindern, Jugendlichen und schutzbedürftigen Erwachsenen habe "ganz klar höchste Priorität für die Kirche unserer Zeit". Daher habe seine Kommission sich in den vergangenen Jahren bemüht, vielerorts das Verantwortungsbewusstsein zu stärken und Beispiele sowie Erfahrungen gesammelt, um sie mit Bischöfen und Ordensleuten zu teilen und weiterzuentwickeln. Zudem berichteten zwei Mitglieder der Kommission, eine Ordensfrau aus Südafrika und ein Mitarbeiter der neuseeländischen Bischofskonferenz, dem Papst von der bisherigen Arbeit.
Die 15-köpfige vatikanische Kommission für den Schutz Minderjähriger trifft sich in dieser Woche zu ihrer letzten Vollversammlung. Sie war im Frühjahr 2014 für zunächst drei Jahre gegründet worden, um Maßnahmen zur Intervention bei Missbrauch sowie zur Vorbeugung zu erarbeiten. Ihre Ergebnisse, die sie noch bis Sonntagabend zusammenfasst, übergibt sie dann dem Papst. Dieser entscheidet dann, wie es weitergeht.
Die Kommission, die in erster Linie den Papst beraten soll, ist mit internationalen Experten verschiedener Disziplinen besetzt und war zuletzt in sechs thematische Arbeitsgruppen aufgeteilt. Etliche ihrer Mitglieder haben weltweit Schulungen für Bischöfe, Orden und kirchliche Einrichtungen durchgeführt.
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