Mit einer ungewöhnlichen Geste hat der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki an die Opfer des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche erinnert und die katholische Kirche zu Umkehr, Reue und Buße aufgerufen.
Mit einer ungewöhnlichen Geste hat der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki an die Opfer des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche erinnert und die katholische Kirche zu Umkehr, Reue und Buße aufgerufen.
Kölner Erzbischof Woelki ruft Kirche angesichts der Missbrauchsfälle zu Umkehr und Buße auf . "Fassungslosigkeit und Scham" über Erkenntnisse aus Missbrauchsstudie.
Mit einer ungewöhnlichen Geste hat der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki an die Opfer des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche erinnert und die katholische Kirche zu Umkehr, Reue und Buße aufgerufen. "Damit wir nicht immer nur reden, werde ich die restlichen fünf Minuten meiner Predigt schweigen", sagte er Mittwochfrüh, 26. September 2018 in einem Gottesdienst bei der aktuellen Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda. Anschließend wurde in mehreren Fürbitten für die Missbrauchsopfer und deren Angehörige gebetet und an das Versagen der Kirche erinnert.
Zu Beginn des Gottesdienstes hatte Woelki die Kirche zu Umkehr und Buße aufgerufen. Die Erkenntnisse aus der Missbrauchsstudie hätten "Fassungslosigkeit und Schamesröte ins Gesicht getrieben". Dass Vertreter der Kirche so etwas tun "und dass dies auch noch von der Institution Kirche so oft zugelassen wurde, macht fassungslos". Weiter betonte der Kardinal: "Wir haben das Vertrauen missbraucht - von Jugendlichen und Kindern, von deren Eltern und Familien."
Die deutschen katholischen Bischöfe setzten am Mittwoch ihre Beratungen bei der Herbstvollversammlung in Fulda fort. Nach der Vorstellung der Missbrauchsstudie gehen die Debatten über das Thema sexueller Missbrauch durch Geistliche weiter. Zum Abschluss der Tagung will die Bischofskonferenzen am Donnerstag weitere Konsequenzen und Schritte vorstellen.
Weitere Themen der Versammlung sind die Flüchtlingsarbeit, die aktuelle Organspende-Debatte sowie die kommende Weltbischofssynode zu Jugend und Kirche. Auch die Debatte um den Kommunionempfang für nicht-katholische Ehepartner soll noch einmal zur Sprache kommen.
Bei der Vorstellung der Missbrauchstudie am Dienstag in Fulda hatten die Bischöfe um Entschuldigung gebeten und bekannt, man habe viel zu lange geleugnet, weggeschaut und vertuscht. Wissenschaftler, Politiker und Opferverbände forderten unter anderem eine Debatte über kirchliche Strukturen, die den Missbrauch begünstigen können.
Zahlreiche deutsche Diözesen äußerten sich parallel zu regionalen Ergebnissen der Studien und möglichen weiteren Konsequenzen.
So erneuerte der Würzburger Bischof Franz Jung ein Plädoyer für null Toleranz gegenüber Tätern. Er räumte "folgenschwere Fehleinschätzungen" ein, da früher der Schutz der Kirche über den Schutz der Opfer gestellt worden sei. Auch seien Dokumentationspflichten vernachlässigt worden. Jung kündigte eine Evaluierung aller Präventionsbemühungen an. Das Personal der Kirche müsse sorgfältig ausgewählt werden. Die zölibatäre Lebensform bedürfe immer wieder neu der Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität.
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch erklärte, es gehe nun darum, "eine Kultur der Achtsamkeit und des Hinsehens zu erreichen". Generalvikar Manfred Kollig sagte, die Kirche müsse sich von der traditionellen Vorstellung verabschieden, dass sie eine "perfekte Gesellschaft" sei.
Die Diözese Regensburg schlug eine staatlich organisierte, unabhängige Zertifizierungsstelle vor. Die Federführung könnte der Unabhängige Missbrauchsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, übernehmen. Diese Stelle müsse allen Einrichtungen in Deutschland offenstehen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. "Wir müssen noch besser werden, schneller, transparenter und verlässlicher", sagte Generalvikar Michael Fuchs.
Die Erzdiözese München und Freising erklärte, dass über den 2010 begonnenen Kurs der Aufarbeitung, Anerkennung und Prävention hinaus weitere Konsequenzen genau analysiert werden müssten, "insbesondere mit Blick auf Strukturen und den Umgang mit Sexualität". Bei der Personalauswahl, besonders bei den Priestern, gelte es noch stärker auf sexuelle Reife und persönliche Eignung zu achten.
Auch die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK) äußerte sich über einen notwendigen "tiefgreifenden Wandel" in der Kirche. "Die Erneuerung der Kirche steht bestenfalls am Anfang: zu viel Macht, zu wenig Evangelium", erklärte die DOK-Vorsitzende Katharina Kluitmann in Fulda.
Auch die Orden müssten die Perspektive der Opfer von Missbrauch einnehmen und ihnen zuhören. Sie sei sich bewusst, dass angesichts des oft lebenslangen Leids der Opfer "alle unsere Bemühungen immer noch zu wenig sind", so Kluitmann.
In der von der Bischofskonferenz in Auftrag gegebenen Missbrauchsstudie sind Ordensleute nur insoweit berücksichtigt, als sie auch als Seelsorger in einer Gemeinde tätig sind. Ob die DOK sich zu einer ähnlichen Studie entschließt, ließ Kluitmann offen. Die Ordensobernkonferenz werde sich aber eingehend mit den Ergebnissen der Studie beschäftigen. Fachleute, Betroffene und Wissenschaftler sollten dabei miteinbezogen werden.
Die Ergebnisse der Studie hätten deutlich gemacht, dass der Zölibat "nicht das eigentliche Problem" sei, sagte derweil am Mittwoch der Passauer Diözesanbischof Stefan Oster im ZDF-Morgenmagazin. Das Problem liege vielmehr darin, dass die Lebensform und das System der katholischen Kirche immer wieder Menschen angezogen habe, die "womöglich sexuell unreif sind, ein Problem haben und hoffen, es in der Kirche in einer solchen Struktur verdrängen zu können, sich dem nicht stellen zu müssen", sagte Oster. Diese "unreife Disposition" in Kombination mit dem Zölibat habe womöglich Übergriffe begünstigt.
Zugleich betonte Oster erneut die Bedeutung eines Systemwandels innerhalb der Kirche. In der Vergangenheit sei es zu oft darum gegangen, die Institution Kirche zu schützen. Das System der katholischen Kirche, die zum Teil als "geschlossene Männergesellschaft" agiere, habe Missbrauchstaten begünstigt. "Wir haben nicht oder viel zu wenig auf die Betroffenen geschaut." Nötig sei ein Kulturwandel, der von Missbrauch Betroffene in den Mittelpunkt stelle und ihnen zuhöre. Dies gelte besonders für die Aufarbeitung, bei der man weiterhin auf unabhängige Unterstützung setzen werde.