Perner: "Leider verwechseln viele Menschen die berauschend verwirrende Verliebtheit oder das drängende Begehren mit Liebe..."
Em. Univ.-Prof. Dr. Rotraud A. Perner, Visiting Professor der Donau Universität Krems.
Perner: "Leider verwechseln viele Menschen die berauschend verwirrende Verliebtheit oder das drängende Begehren mit Liebe..."
Em. Univ.-Prof. Dr. Rotraud A. Perner, Visiting Professor der Donau Universität Krems.
Wie Religion, Glaube, Liebe und Gesundheit eine innere Einheit bilden. Gespräch mit Univ.-Prof. Rotraud Perner.
Was kann Religion zur schöpferischen Selbstwerdung beitragen?
Perner: Religiös sein heißt für mich, eine transzendente Vorstellung vom Werden und Vergehen und vom eigenen Beitrag dazu zu besitzen, d. h. sich hineinzudenken, als wer man im Kern angelegt ist und wohin man sich entwickeln sollte. Für mich als evangelische Christin bedeutet dies, dem Evangelium zu folgen und dem doppelten Liebesgebot: Will ich ein Mensch sein, der sich um mehr Liebe und Frieden in der Welt einsetzt oder im Gegenteil jemand, der nur am eigenen Vorteil interessiert ist.
Religionen bieten Welterklärungsmodelle je nach seinerzeitigem Verständnis und Sprachvermögen; im Gegensatz zu dem naturwissenschaftlichen Welterklärungsmodell findet sich der Mensch im religiösen als individuell beauftragter und Auftrag gebender Teil der Schöpfung wieder – wenn er die bestimmte Form der Selbst- und Fremdwahrnehmung (sprich: neuronale Verschaltung im Gehirn) gefunden hat: sie braucht Zeit zur Selbsterforschung und Mut zum Schwimmen gegen den Strom – denn in der gegenwärtigen Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft sind solche „Zeitverluste“ leider unerwünscht.
Machen Religion bzw. Glaube gesund?
Perner: Tatsächlich gibt es zahlreiche Forschungen, die nachweisen konnten, dass religiöse Menschen gesünder und widerstandskräftiger sind und im Krankheitsfall auch schneller gesund werden. Interessanterweise konnte aber auch nachgewiesen werden, dass Menschen schneller gesunden, wenn für sie gebetet wird – auch wenn sie das gar nicht wissen.
Glauben – in meiner Sprache „Gott erfahren“ (im Gegensatz zu glauben als „für wahr halten“) – vermittelt ein Sicherheit spendendes Gefühl von Vertrauen und Zugehörigkeit, selbst wenn man gleichzeitig Schmerz empfindet.
Der „Normalzustand“ des postmodernen Menschen besteht üblicherweise in totaler Muskelverspannung: man hält negative Gefühle zurück, und auch den Muskel Herz schließt man zu, damit keine Signale von Verzweiflung, Trauer, aber auch Neid und Hass hervorbrechen sollen. All das ist nicht gesund. Gesund ist Offenheit, Entspannung und ein warmes, weites Herz.
Welchen Beitrag zur Gesundung kann Liebe leisten?
Perner: Wenn wir lieben, „geht uns das Herz auf“ und die Herzkranzgefäße entspannen sich, die Immunkräfte nehmen zu, der Blick wird offener und man nimmt mehr wahr.
Leider verwechseln viele Menschen die berauschend verwirrende Verliebtheit oder das drängende Begehren mit Liebe – und ebenso Abhängigkeiten inklusive Suchtformen (Beziehungs-, Romanzen-, Sexsucht – siehe mein neues Buch „Der einsame Mensch“, ab Oktober im Handel).
Liebe ist eine Form von „Dankbarkeit des offenen Herzens“, dass es den, die oder das gibt, wodurch man in den Zustand des Liebens gerät: ein Mensch, ein Lebewesen, eine lebendige Landschaft, die ganze Schöpfung – Gott als Schöpfer, Erlöser und Spirit.
Wenn man den Unterschied spürt zwischen dem Zustand der Lieblosigkeit und dem Zustand der Liebe, ist es logisch, den letzteren Zustand zu üben – damit man ihn nicht vergisst und verliert, sondern „lebt“.
Rotraud A. Perner Der einsame Mensch
2014, Amalthea Signum |
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