Christ-Sein geht nur ohne "Wenn und Aber", erklärt Kardinal Christoph Schönborn.
Christ-Sein geht nur ohne "Wenn und Aber", erklärt Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 8. September 2013
In Wahlkampfzeiten wird viel versprochen. Wir alle wissen, dass bei weitem nicht alles nach der Wahl auch umgesetzt wird. Meist fehlt dazu dann einfach das Geld.
Das kleine Gleichnis, das Jesus heute im Evangelium erzählt, erinnert mich an diese Wahlversprechungen. Da ist von einem die Rede, der einen Turm bauen will. Er setzt sich zuerst hin und rechnet nach, ob seine Mittel reichen. Denn ein unfertiger Turm, ein pleitegegangenes Projekt, das wäre eine Schande für ihn und ein Schaden für viele. Auf den Wahlkampf angewandt: Wird wirklich ehrlich kalkuliert, ob all das Versprochene auch haltbar, all das Angekündigte auch finanzierbar ist?
Jesus gebraucht ein zweites Gleichnis: die Kriegsplanung. Wenn absehbar ist, dass der Krieg nicht zu gewinnen ist, solle man eine politische Lösung suchen, über einen Frieden verhandeln. Ich erinnere mich gut an den Ausbruch des ersten Irakkrieges 1991. Papst Johannes Paul II. hatte Präsident Bush sen. dringend vom Krieg abgeraten. Noch schlimmer war es mit dem zweiten Irakkrieg, von dem sich Präsident Bush jun. auch durch entschiedenste Warnungen des Papstes nicht abbringen ließ. Die Ergebnisse sind katastrophal. Zahllose Opfer, nach wie vor Unsicherheit und Terror, immense Kriegskosten – und die fast völlige Zerstörung der uralten Christenheit im Heimatland Abrahams. Doch will man aus dem Unglück offenbar nicht lernen. Schon stehen die nächsten kriegerischen Aktionen bevor, in Syrien vor allem, wo doch die einzig sinnvolle Lösung nur eine politische sein kann, eine internationale Friedenskonferenz für das arme, geplagte, darnieder liegende Syrien (und dessen besonders bedrohte Christen).
Warum fehlt es in Politik und Militär so oft an der von Jesus angesprochenen Klugheit? Warum mangelt es so oft am Augenmaß und an der richtigen Einschätzung der Lage?
Ich glaube, die Antwort Jesu ist sehr einfach und ganz direkt: Weil wir es im Kleinen, in unserem persönlichen Leben, meist nicht besser machen als die Politiker und die Militärs im Großen. Jesus warnt vor halbherzigem Tun. Wer ihm nachfolgen will, wer Christ zu sein bemüht ist, soll sich gut überlegen, ob er bereit ist, dafür alles einzusetzen, damit wirklich ernst zu machen. Sonst sei er wie ein Turmbauer, dem auf halbem Weg das Geld ausgeht, oder wie ein Militär, der unbedacht einen Krieg riskiert.
Jesus warnt zu Recht vor halbherzigem Christ-Sein. Es wird niemanden überzeugen, es bewirkt nur Ärgernis und Ablehnung. Zwischen dem, was wir als Christen sagen, und dem wie wir als Christen leben, klafft allzu oft ein unschöner Graben. Und das erregt den Spott, von dem Jesus in dem Gleichnis spricht.
Wie aber werden wir "ganzherzige" Christen? Und glaubwürdige Menschen? Jesu Weisung ist klar: Durch die richtige Wertordnung im eigenen Leben! Wo es in der Politik nur um Stimmenfang geht, da geht die Glaubwürdigkeit verloren. Wo in unserem Leben Gott wirklich an erster Stelle steht, ohne "Wenn" und "Aber", da bekommt das ganze Leben Halt und Orientierung. Halbherzig geht das freilich nicht.
In jener Zeit als viele Menschen Jesus begleiteten, wandte er sich an sie und sagte: Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein. Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein. Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen? Sonst könnte es geschehen, dass er das Fundament gelegt hat, dann aber den Bau nicht fertig stellen kann. Und alle, die es sehen, würden ihn verspotten und sagen: Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen. Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt? Kann er es nicht, dann schickt er eine Gesandtschaft, so lange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden. Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.