Kardinal betont in Zeitungsinterviews zu Weihnachten, Bemühungen der Pfarren zur Unterbrinngung von Flüchtlingen, kommt auf die Situation der Kirche zu sprechen und äußert sich grundsätzlich zur Wiener Diözesanreform.
Kardinal betont in Zeitungsinterviews zu Weihnachten, Bemühungen der Pfarren zur Unterbrinngung von Flüchtlingen, kommt auf die Situation der Kirche zu sprechen und äußert sich grundsätzlich zur Wiener Diözesanreform.
Solidarität mit Flüchtlingen, Not, Weihnachtsfrieden als Themen in Interviews des Wiener Erzbischofs mit den Tageszeitungen "Kurier und "Die Presse".
Dass sich die Kirche sehr engagiert um die Unterbringung von Flüchtlingen bemüht, hat Kardinal Christoph Schönborn betont. Im "Kurier"-Interview, in der Ausgabe von 24. Dezember 2014, sagte der Wiener Erzbischof wörtlich: "Nicht nur für die Flüchtlinge aus Syrien hat sich in der Erzdiözese Wien großer Einsatz gezeigt: Wir bieten in Flüchtlingshäusern und betreuten Wohngemeinschaften rund 800 Wohnplätze an. Viele Pfarren haben in den vergangenen Wochen zusätzlich Wohnraum angeboten." Allein die Pfarre Schwechat betreue bereits seit Längerem 50 Flüchtlinge und Migranten. Schönborn: "Da zeigt sich eine große Solidarität."
Kardinal Schönborn wies einmal mehr auf die dramatische Lage der Christen im Nahen Osten hin, vor allem auf jene, die vor der Terrormiliz "Islamischer Staat" fliehen mussten. "Sie brauchen dringend unsere Hilfe zum Überleben", appellierte Schönborn. Besorgt äußerte sich der Kardinal zum IS- und Taliban-Terror, der auch die Vorweihnachtszeit geprägt hat: "Was für den Europäer besonders schwer verständlich ist, sind die Ziele aller dieser Gewalttaten: Muslime bekriegen Muslime. Zwei Richtungen bekämpfen sich aufs Blutigste: die Sunniten und die Schiiten. Die einen bilden die große Mehrheit in der islamischen Welt, die anderen eine Minderheit. Diese sind aber im Vormarsch, was die anderen als Bedrohung erleben." Die Christen würden dabei von allen Seiten bedrängt, verfolgt und getötet, sofern sie nicht aus ihrer Heimat flüchten. Schönborn: "Kein Ende des Schreckens ist abzusehen. Beten tut not!"
Auf seine jüngste Reise als Gesandter des Papstes in die Ukraine angesprochen zeigte sich der Kardinal zuversichtlich für die Zukunft des Landes. Er sehe Hoffnung für eine freie, demokratische und unabhängige Ukraine, freilich brauche das ukrainische Volk dafür mehr Solidarität vom Westen. Er sei besonders beeindruckt gewesen von der Begegnung mit dem "Ukrainischen Rat aller Kirchen und religiösen Organisationen". In diesem Rat sind alle in der Ukraine anerkannten christlichen Kirchen sowie die jüdische Gemeinschaft und die islamische Gemeinschaft zusammengeschlossen. Schönborn: "Da habe ich wirklich den Eindruck bekomme, dass in der Ukraine die Kirchen und Religionen seit Jahren gut zusammenarbeiten. Das ist ein gutes Zeichen. Die Menschen wollen eine lebendige, gerechte und demokratische Ukraine. Wo ein so starker Wille da ist, da ist auch Hoffnung."
Kardinal Schönborn bekräftigte auch nochmals die Kritik am geplanten Fortpflanzungsmedizingesetz: "Ich empfinde den Entwurf zum Fortpflanzungsmedizingesetz als ethischen Dammbruch und großen Irrtum." Es brauche eine Rücknahme des Vorschlags und eine breite gesellschaftliche Diskussion über die geplanten Änderungen. Schönborn: "Unser Hauptkritikpunkt an diesem Gesetz ist die Präimplantationsdiagnostik (PID), die wir als fortschreitende Fehlentwicklung grundsätzlich ablehnen. Ihre Einführung würde die Tötung menschlichen Lebens legalisieren und zu einer neuen Dimension der Diskrimination von Menschen mit Behinderung oder Erbkrankheiten führen." Man dürfe nicht vergessen, dass es bei der PID nicht um Heilung geht, sondern immer darum, jene Kinder auszusondern, die von der Medizin als weniger perfekt angesehen werden - "als ob das Leben nur den Vollkommenen zustünde". Das Wohl des Kindes müsse oberste Handlungsmaxime sein, forderte der Vorsitzende der Bischofskonferenz: "Ein Kind zu bekommen, ist ein Geschenk. Leidtragende des beabsichtigten Gesetzes sind aus unserer Sicht vor allem die Kinder, die zu einem Produkt der Fortpflanzungsindustrie und Mittel zum Zweck würden."
Auf die vatikanische Sondersynode zu Ehe und Familie angesprochen wies Schönbiorn darauf hin, dass die traditionellen Ehe- und Familienformen weltweit viel brüchiger geworden seien, nicht nur in Europa. Hier stelle sich die Frage: "Hat die Kirche ein gutes Wort für die, deren Ehe scheitert? Oder werden sie zu 'Christen zweiter Klasse'?" Um diese Fragen werde heftig gerungen. Nachsatz: "Einfach ist es nicht." Schönborn weiter wörtlich: "Jesus war und ist barmherzig. 'Gott wird nicht müde zu verzeihen', sagt Papst Franziskus. Was das für die Kirche und ihre Praxis heißt darüber werden wir Bischöfe uns bei der nächsten Synodensitzung im Oktober ein Urteil bilden müssen."
Zur Frage nach dem aktuellen Stand der Wiener Diözesanreform nahm der Erzbischof grundsätzlich Stellung. Es gehe um die Frage, welche Voraussetzungen man schaffen müsse, damit katholische Gemeinden im 21. Jahrhundert blühen können, trotz des allgemeinen Rückgangs an praktizierenden Katholiken. In der Erzdiözese Wien wolle man die kirchliche Verwaltungseinheit "Pfarre" größer fassen und damit die Gemeinden und die Priester entlasten. Schönborn: "Unsere Hoffnung ist, dass dadurch möglichst viele Gemeinden vor Ort erhalten bleiben aber auch, dass neue Gemeinden entstehen und dass neue missionarische Initiativen in größeren Räumen besser wachsen können." Es solle in einer künftigen, größeren Pfarre neben der Pfarrkirche möglichst viele lebendige Orte kirchlichen Lebens geben.
Im "Presse"-Interview am Mittwoch, 24. Dezember 2014, wies Kardinal Schönborn darauf hin, dass es weltweit noch nie friedliche Weihnachten gegeben habe: "Als Jesus in Bethlehem geboren wurde, war die Zeit auch nicht besser." Vor 100 Jahren - Weihnachten 1914 - tobte der Erste Weltkrieg und die Illusion sei vorbei gewesen, dass dieser Krieg, den man mutwillig vom Zaun gebrochen hatte, ein kurzer sein würde. Schönborn: "Wenn ich an Syrien, den Irak und die Ukraine denke: Weihnachten war damals nicht gemütlich, und ist es für viele Menschen heute auch nicht, und trotzdem gibt es die Weihnachtsfreude. Es gibt die Freude auch in trostlosesten Momenten. Weihnachtsfreude und Notsituation schließen einander nicht aus. Das ist das Geheimnis von Weihnachten."
Es sei besorgniserregend, so der Kardinal weiter, dass sich Europa wieder in einer Konfrontationssituation mit Russland befindet. Zudem seien nun sechs, sieben Jahre seit Beginn der großen Finanzkrise vergangen. "Wenn wir sehen, wie der Realwert der Einkommen gesunken ist, dann muss das Grund zur Sorge sein. Das ist nicht das Ende eines Prozesses. Wir haben keine wirkliche Lösung für die Schuldenberge der Staaten in Sicht, die die Zukunft belasten werden", so Schönborn wörtlich.
Zur aktuellen Situation der Kirche befragte meinte der Wiener Erzbischof, dass die säkulare Welt nicht so religionslos sei, wie man früher gedacht hat. Das habe sich längst als Irrtum erwiesen. Die positive Seite der säkularen Gesellschaft sei, "dass sie einen großen Freiraum bietet, wenn Sie so wollen, einen Markt der Anschauungen, der Ideen". Glaubensüberzeugungen könnten sich freier artikulieren als in einer Situation, in der die Kirche Staatskirche war.
Kardinal Schönborn: "Die heutige Gesellschaft bietet der Kirche neue Chancen, einen neuen Raum. In diesem kann das Evangelium in großer Freiheit angeboten werden, ohne die Zwangsmittel staatlicher Autorität in der Freiheit der Verkündigung des Angebots und vor allem auch des gelebten Beispiels." Das bedeute eine Umstellung, "die wir in Österreich erst zu lernen beginnen", so der Kardinal: "Wir kommen aus einer volkskirchlichen Situation, in der Katholisch-Sein die Grundselbstverständlichkeit des Österreicher-Seins war. Wir leben in einer Zeit, in der Christ-Sein eine Überzeugung ist, die einem nicht selbstverständlich mitgegeben ist."
Es gebe war deutlich weniger, die sich explizit als Mitglieder der Kirche verstehen, und ihre Zahl werde weiter zurückgehen, aber es gebe immer mehr Menschen, die ich als Sympathisanten bezeichnen würde, zeigte sich der Wiener Erzbischof überzeugt: "Papst Franziskus hat nicht einen Boom an Kircheneintritten bewirkt, aber er hat bei sehr vielen Menschen eine neue Sympathie für das Evangelium geweckt. Das ist der entscheidende Effekt. Das Vorbild von Papst Franziskus wirkt weit über den Rahmen kirchlicher Institutionen hinaus."
Papst Franziskus sei es gelungen, große Grundthemen des Evangeliums zur Sprache zu bringen, an allererster Stelle die Aufmerksamkeit für die Armen. Seine erste Reise in Italien sei jene nach Lampedusa gewesen. In Straßburg habe er gesagt, das Mittelmeer dürfe nicht zu einem großen Friedhof werden. Schönborn: "Das sind starke Gesten, starke Bilder, die schon etwas bewirken." Schönborn hob die authentische Spontanität des Papstes, seine Verkündigung in starken Bildern und seine Freiheit der Rede hervor, zu der er auch andere ermutige: "Diese drei Dinge lerne ich von ihm und erlebe ich als etwas sehr Erfrischendes und Wohltuendes."
Zur Frage, ob er realistische Chancen sehe, dass der Papst Österreich besucht, sagte der Kardinal wörtlich: "Ich bin mir dessen bewusst, dass wir das Privileg von vier Papstbesuchen in den vergangenen 30 Jahren hatten, und dass Papst Franziskus sehr gezielt zuerst die armen Länder besucht. Seine erste Auslandsreise in Europa war Albanien. Das ist ein starkes Zeichen. Derweil freuen wir uns, nach Rom zu fahren und ihn dort zu erleben."