Teilen fällt Kindern wie Erwachsenen schwer, wenn sie das Gefühl haben, zu kurz zu kommen. Wenn ich nicht teilen muss, sondern teilen darf, dann fällt es leicht.
Teilen fällt Kindern wie Erwachsenen schwer, wenn sie das Gefühl haben, zu kurz zu kommen. Wenn ich nicht teilen muss, sondern teilen darf, dann fällt es leicht.
Wir fragen Menschen im kirchlichen Umfeld, ob sie den Heiligen Martin als Vorbild sehen und ob man lernen kann, Mitgefühl zu entwickeln und solidarisch mit anderen zu sein.
Klaus Schwertner
Generalsekretär der Caritas Wien
Gerade in den letzten Jahren nehme ich auf der einen Seite Egoismus und Neid stark wahr, aber auf der anderen Seite beobachte ich, wie sich immer mehr Menschen für andere einsetzen, teilen, sich freiwillig engagieren und sich viele Gedanken darüber machen, wie es unseren Nächsten geht. Ganz nach dem Vorbild des Heiligen Martins.
Den eigenen Mantel mit einem Bettler zu teilen, heißt nicht nur zu geben. Es bedeutet auch, selbst beschenkt zu werden und viel zurück zu bekommen.
Denn der Schlüssel zu einem geglückten Leben liegt ja nicht darin, sich um das eigene, sondern auch um das Glück der anderen zu sorgen.
Ob ich selbst immer danach lebe? Ganz ehrlich: Vermutlich nicht. Aber ich versuche mein Bestes, und ich versuche meinen Kindern, dieses solidarische Handeln vorzuleben.
Ich finde es selbst immer wieder beeindruckend, wie es uns als Caritas gelingt, so viele Menschen zur Solidarität anzustiften. Meist beginnt es damit, dass wir hinsehen und nicht wegsehen, wenn es um die Not von Menschen geht. Das kostet manchmal Mut, manchmal Überwindung, manchmal auch Zeit. Aber es ist die beste Investition in ein geglücktes Leben.
Wir können vielleicht nicht alles ändern, aber vielmehr als wir oft für möglich halten. Wir müssen nur beginnen es zu tun – der heilige Martin hat uns das deutlich gemacht.
Helga Zawrel
Kindergartendirektorin und stv. Vorsitzende des Vikariatsrates im Weinviertel
Sinn und Inhalt des Martinsfestes kann auf keinen Fall nur punktuell in dieser Zeit vor dem Martinsfest passieren und den Kindern vermittelt werden.
Kinder brauchen Vorbilder im Glauben, Gestalten denen sie nacheifern können. Der Heilige Martin bietet sich in unserer Zeit als eine Chance an. Die Mantelteilung als Zeichen spontan gelebter mitmenschlicher Solidarität ist aktueller und notwendiger denn je.
Kinder erleben alles intensiver und mit allen Sinnen. Gemeinschaft erleben und ALLES was dazu gehört – Konflikte, Verzeihung, Kälte, Wärme, Licht, Dunkelheit, Freude am Teilen im Alltag d.h. nicht nur Spielzeug, sondern Zeit schenken, Freude bereiten (z.B. Besuch im Alters-/Pflegeheim…), du, ich höre dir jetzt zu...
Kinder sind dafür sehr sensibel und spüren, ob es jemand auch so meint. Sie beobachten ihr Umfeld ganz genau. Daher muss es mit ihnen gelebt und auch vorgelebt werden, um ihnen auch zu vermitteln: Du bist von uns geliebt, du bist von Gott geliebt. Dann spüren sie, dass jeder von uns (auch wir Erwachsene) eine Aufgabe haben: einander Licht zu bringen, so wie Martin es spontan gemacht hat.
Monika Slouk
Pressesprecherin der Steyler Missionare und Mutter von drei Töchtern
Mich berührt es, dass die Geschichte vom heiligen Martin, der seinen eigenen Mantel halbiert, um einen anderen Menschen womöglich retten zu können – dass diese Geschichte ihre Kraft als eine Art Selbsterklärungsmythos des christlichen Abendlandes entwickelt.
Das "Laternenfest" zieht Kinder, Eltern und Großeltern in seinen Bann, und das auch aufgrund seiner brachialen Begründungsgeschichte. Der heilige Martin hat das Laternenfest nicht erfunden. Aber er wird in vielen Ländern untrennbar mit dem stimmungsvollen Kinderumzug verbunden, den auch die mitmachen, die sich mit kirchlichen Riten schwer tun. Da brauche ich meinen Kindern gar nichts zu vermitteln. So sinnentleert uns "rabimmelrabammelrabumm" auch vorkommen mag – das Ritual der Lichter und Lieder trifft offenbar ins Herz. Und sollte dem "christlichen Abendland" das Mantelhalbieren in Erinnerung rufen.
Kinder fühlen mit. Schon die Kleinsten weinen mit, wenn ein anderes Kind weint. Und lachen mit, wenn es etwas zu lachen gibt. Wenn mir die Kraft ausgeht und ich nicht mehr stark genug bin zum Trösten, geht die Dreijährige zur Elfjährigen und umarmt sie. Ich lerne viel Mitgefühl von unseren Kindern.
Vermutlich kann man Kindern das Mitgefühl auch abgewöhnen, wenn sie es von Erwachsenen nie erleben. Wenn Kinder zum Beispiel ständig den guten Rat bekommen: „Du brauchst nicht zu weinen, es ist ja schon gut!“, obwohl sie genau spüren, dass sie das Weinen gerade brauchen, weil sie traurig sind: Dann wird ihr Mitgefühl mit sich selbst verwirrt und erst recht mit anderen Menschen.
Wir Erwachsenen brauchen nicht mitzuweinen, sollten aber respektieren, wenn einem Kind zum Weinen zumute ist.
Ich war unlängst mit der jüngsten Tochter einkaufen. Sie wollte unbedingt was Süßes. Und bekam es auch. Sie wäre ja nicht die Jüngste… Den Schatz behielt sie immer an ihrem Herzen (mit einer kurzen Pause bei der Kassa). Wir fuhren ein Stück mit dem Auto, um dann Papa, Onkel und die großen Schwestern zu treffen. Die Dreijährige war schon ganz zappelig im Autositz, und kaum war sie vom Gurt befreit, sprang sie hinaus, schwenkte das Gummibärlisackerl in ihrer Hand und rief den großen Schwestern zu: „Ich hab was für euch!“
Teilen fällt Kindern wie Erwachsenen schwer, wenn sie das Gefühl haben, zu kurz zu kommen. Wenn ich nicht teilen muss, sondern teilen darf, dann fällt es leicht.
Der Heilige Martin als Vorbild
„Armut ist meist hinter verschlossenen Türen“
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