Angelika Prentner in ihrer Apotheke „Zur Gnadenmutter“. „Das traditionelle Medizinsystem ist vorbeugend aufgebaut, die Menschen haben geschaut, dass sie erst gar nicht krank werden.“ (Angelika Prentner)
Angelika Prentner in ihrer Apotheke „Zur Gnadenmutter“. „Das traditionelle Medizinsystem ist vorbeugend aufgebaut, die Menschen haben geschaut, dass sie erst gar nicht krank werden.“ (Angelika Prentner)
Schon Erzherzog Johann und der Dichter Franz Grillparzer suchten in der Mariazeller Apotheke „Zur Gnadenmutter“ Rat. Seit einem Jahr gehört sie offiziell zum immateriellen Kulturerbe Österreichs. Monika Fischer besucht die 1718 gegründete Apotheke und schaut mit Apothekerin Angelika Prentner in uralte Rezepturbücher.
Erfahren Sie, was Kräuterliköre in Apotheken zu suchen haben, wie wir in der kalten Jahreszeit gesund bleiben und was Gold, Weihrauch und Myrrhe bewirken.
Wohin gehen die Pilger, wenn sie am Ziel ihrer Reise sind? In die Kirche, zum Essen und dann in die Apotheke, sagt Angelika Prentner, seit mehr als einem Jahrzehnt stolze Besitzerin der traditionsreichen Apotheke „Zur Gnadenmutter“ in Mariazell.
Gleich gegenüber der berühmten Basilika ist die Apotheke zu finden, in einem der ältesten Häuser der Stadt. Schon seit 300 Jahren dreht sich hier alles um die Gesundheit. „Wir haben sehr lange Winter“, sagt Angelika Prentner, „der Ort war entlegen und die Menschen mussten darauf schauen, dass sie alles hatten, was sie brauchten, auch Heilmittel.“
Viele dieser alten Heilmittel haben überlebt, andere hat Apothekerin Angelika Prentner aus der Versenkung geborgen.
Über eine alte Holzstiege führt Angelika Prentner mich in ihr Büro im Obergeschoß, mit einem herrlichen Blick auf die Basilika.
Vor einiger Zeit haben Sie auf dem Dachboden alte Rezepturbücher gefunden. Was steht denn da drinnen?
Da sind sehr, sehr alte Rezepturen und Anwendungsformen drinnen, von Pulvern, Teemischungen, Tropfen, auch Pflaster. Ich habe da eine „Tinktur für das lange Leben“ gefunden, das hat mich gleich interessiert, ich hab’s mir angeschaut und unter dem Namen „Mariazeller Lebenselexier“ in unser heutiges Sortiment aufgenommen.
Auch unser „Ranti Putanti“, ein Kräuterlikör für Magen, Darm, Leber, Galle, oder die Weihrauchcreme und das Pilgergel sind sehr alte Rezepte, die in diesen Büchern drinnen stehen.
Es kann schon verwundern, dass in einer Apotheke Liköre verkauft werden. Wie kommt das?
Die Kräuterliköre haben Tradition in allen Wallfahrtsorten. Die Pilger waren früher sehr lange auf ihren Wegen unterwegs, damals gab es ja weder Autos oder Autobusse noch asphaltierte Straßen. Viele haben auf dem Weg gefastet. Im Wallfahrtsort sind sie zuerst in die Kirche gegangen und dann ins Gasthaus.
Oft haben sie das Essen nach dem Fasten nicht so gut vertragen. Auch das mitgebrachte Essen war irgendwann nicht mehr in Ordnung, wurde aber trotzdem gegessen. Das heißt, sie haben dann etwas für die Verdauung gebraucht.
Heute kommen viele Pilgergruppen zu uns, die einfach Anstoßen auf das gute Ankommen, dass alles gut gegangen ist und sich niemand verletzt hat.
Sie befassen sich intensiv mit Traditioneller Europäischer Medizin (TEM), die seit einigen Jahren stark nachgefragt wird. Können Sie sich erklären, warum man sich wieder auf diese alten Heilverfahren besinnt?
Ich bin sehr glücklich über diese Entwicklung, weil die Heilpflanzen, die vor unserer Haustüre wachsen, optimal zu unserem Organismus passen.
Traditionelle Heilsysteme gibt es auf der ganzen Welt. In Europa ist dieses Wissen mit dem Einzug der modernen Medizin verloren gegangen. Durch die sehr bekannte chinesische Medizin ist bei uns das Bewusstsein geweckt worden, dass es neben der modernen Medizin noch andere Medizinsysteme gibt. Nur den wenigsten war bewusst, dass wir immer schon ein solches eigenes Medizinsystem gehabt haben.
Durch die Rückbesinnung auf unsere eigenen Traditionen ist das wieder aktuell geworden. Hildegard von Bingen, Sebastian Kneipp oder Kräuterpfarrer Weidinger gehören auch alle zu diesem traditionellen Heilsystem.
„Traditionelle Europäische Medizin“ ist ein neuer Name für das alte Medizinsystem. TEM lässt sich sehr gut mit der modernden Medizin verbinden, es ist also kein Entweder-Oder.
Das traditionelle Medizinsystem ist vorbeugend aufgebaut, die Menschen haben geschaut, dass sie erst gar nicht krank werden und haben ihre Konstitution gestärkt.
Das Früchte- oder Kletzenbrot, das bei uns zu Weihnachten Tradition hat, war früher im Winter überlebenswichtig. Das Obst war die natürliche Quelle für Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, der Fruchtzucker hat Energie geliefert, die der Körper in Wärme umsetzen konnte.
In dieser Jahreszeit sind wir oft schon ausgelaugt vom Jahr, viele Krankheiten gehen um – wie können wir uns stärken, um gesund zu bleiben?
In der Winterzeit ist es ganz wichtig, Gewürze zu sich zu nehmen. Früher hat man die Gewürze sehr viel in die Ernährung eingebaut, zum Beispiel in die Weihnachtsbäckerei. Gewürze haben eine wärmende Wirkung, sie fördern die Durchblutung. Wärme kann der Körper 1:1 in Energie umsetzen, das ganze Energiesystem wird so gestärkt.
Die Gewürze enthalten ätherische Öle, deshalb riechen sie so gut. Die ätherischen Öle wirken antibakteriell, antiviral und keimabtötend. Man hilft also dem Immunsystem bei der Abwehr der Krankheitskeime.
Eine wichtige Heilpflanze ist der Thymian, den man aus Hustensäften und -tees kennt. Wer ein schwaches Immunsystem hat, kann jeden Abend ein warmes Fußbad machen und danach die Fußsohlen mit einer Thymiansalbe einschmieren. Das stärkt das gesamte Immunsystem.
Wer kalte Hände und Füße und einen niedrigen Blutdruck hat, dem tut Rosmarin gut, als Gewürz oder Salbe. Hagebutten und Sanddorn, alles, was Vitamin C enthält, ist auch sehr wichtig in dieser Zeit.
Rund um Weihnachten, Jahresende und Neujahr wird traditionell geräuchert. Hat das Räuchern einen medizinischen Nutzen?
Das Räuchern hat bei uns eine sehr, sehr lange Tradition und ist eigentlich der Ursprung der Aromatherapie. Bevor wir lernten zu destillieren – dieses Wissen kam aus dem arabischen Raum zu uns –, wurde bei uns geräuchert.
Räuchern hat eine reinigende Wirkung, viel verwendet wurden Beifuß, Birke und Weihrauch. Weihrauch und auch Myrrhe haben auch eine medizinische Wirkung, sie wirken entzündungshemmend und schmerzstillend. In Form von Salben oder Kapseln werden diese Harze bei Rheuma oder Arthritis, aber auch bei Autoimmunerkrankungen mit hohen Entzündungsfaktoren eingesetzt.
Weihrauch und Myrrhe – jetzt fehlt uns nur noch Gold und wir haben die Gaben der biblischen drei Weisen...
Gold, Weihrauch und Myrrhe kennen wir aus der christlichen Tradition, sie waren aber auch in den traditionellen Heilsystemen immer ganz wichtig. Sie wirken auf den Körper, aber auch auf psychischer Ebene.
Gold steht in der Pflanzenwelt für das Licht, und wird bei Depressionen eingesetzt – es bringt Licht in die Psyche, in das Dunkel. Der Weihrauch bringt Stärke, wenn jemand durch Schicksalsschläge oder Anforderungen im Leben die Kraft verloren hat. Die Myrrhe bringt die Hoffnung zurück.
Angelika Prentner
Aufgewachsen in der Südsteiermark
Studierte Pharmazie an der Karl Franzens Universität Graz, für ihr Doktorat beschäftigte sie sich mit bewusstseinsverändernden Pflanzen in Südamerika und Mexiko, danach war sie in Bern an der Universität, am Department of Clinical Research, im Bereich ethnopharmakologische Arzneipflanzenforschung (Postdoc)
Forschte im Chaco-Gebiet Südamerikas, u.a. bei den Guaraní über Arzneipflanzen
Seit 2007 Besitzerin und Leiterin der 1718 gegründeten Apotheke und Drogerie „Zur Gnadenmutter“ in Mariazell, seit 2017 zählt ihre Apotheke zum immateriellen Kulturerbe Österreichs
Gründerin der 1. Heilpflanzenschule der Traditionellen Europäischen Medizin Mariazell-Südsteiermark
Autorin der Bücher „Bewusstseinsverändernde Pflanzen von A bis Z“ und „Heilpflanzen der Traditionellen Europäischen Medizin“ (Springer)
Leben ist …
ist so bunt wie ein Regenbogen, reich an Geschenken und Überraschungen, wenn man es annimmt und dankbar dafür ist.
Sonntag ist …
der Tag des Herrn.
Schon meine Eltern haben mir in meiner Kindheit vermittelt, den Sonntag als besonderen Tag wertzuschätzen.
Glaube ist …
Nahrung für die Seele, verleiht Kraft, Stärke, Mut und Vertrauen.
Er trägt in schwierigen Zeiten und gibt Rückhalt und Trost.
weitere Lebens - und Glaubenszeugnisse
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