Das Michaelsfenster wurde mit zeitgenössischen Entwürfen von Peter Baldinger ergänzt.
Das Michaelsfenster wurde mit zeitgenössischen Entwürfen von Peter Baldinger ergänzt.
Der Künstler Peter Baldinger ergänzte die fehlenden Glasscheiben des Michaelsfensters mit zeitgenössischen Elementen.
Nachdem Peter Baldinger bereits 2013 das erste künstlerische Fastentuch für den Stephansdom gestaltete und 2019 mit der Installation „Sky of Stones“ das Mittelschiff des Doms bespielte, war er nun eingeladen, ein bleibendes Werk für St. Stephan zu schaffen. Es galt, die fehlenden Teile des aus dem Mittelalter stammenden Michaelsfensters der Bartholomäuskapelle mit einem zeitgenössischen Entwurf zu ergänzen. Für Baldinger war die Aufgabe von besonderem Interesse, handelt es sich doch um ein bedeutendes gotisches Kunstwerk als Bestandteil des herausragendsten österreichischen Sakralbaus mit großer Symbolkraft.
Der Künstler hat auch hier die aus seiner Malerei bekannte Methode der Fragmentierung angewendet. Die Zerlegung des Sujets erzeugt eine Unklarheit und regt den Betrachter dazu an, „genauer“ hinzusehen. Mit dieser fraktalen Methode führt Baldinger bei seiner Ergänzung des gotischen Glasfensters die Tradition der mittelalterlichen Bleiverglasung fort und schafft somit ein harmonisches Ganzes, ein einzigartiges aus gotischen und zeitgenössischen Teilen bestehendes Kunstwerk. Die Bleistege unterstreichen den von ihm gewünschten Effekt der Zerlegung und erzeugen auch jene Kleinteiligkeit der Komposition, die das perfekte Zusammenspiel seiner Entwürfe mit jenen aus dem Jahr 1398 ergibt.
Um seinen Entwurf in das Gesamtkonzept der Bartholomäuskapelle mit insgesamt fünf Fenstern einzubetten, orientierte sich Baldinger in erster Linie an der vorhandenen Struktur. Die Architekturdarstellungen mit ihren Säulen und Türmen, die allesamt im dritten Geschoss des Michaelsfensters noch vorhanden sind, gaben dabei die Orientierung vor.
Konkret galt es, die Figur des Hl. Michael zu komplettieren, von dem im mittleren Geschoß des neunteiligen Fensters nur das rechte Drittel vorhanden war, sowie die drei verlorenen Scheiben des unteren Geschosses entsprechend des ikonografischen Programms fortzuführen. Das überkommene rechte Drittel des Mittelgeschosses lässt eindeutig auf eine Michaelsdarstellung schließen. Dieses stellt deutlich einen Flügel und den Teil der Seelenwaage mit den Verdammten dar.
Für die zentrale Scheibe im mittleren Geschoß entwarf Baldinger die Figur des Erzengels mit Rüstung und Schwert und für die linke Scheibe dessen zweiten Engelsflügel sowie den Teil der Seelenwaage mit den Seligen. Unter dem zentralen Michael stilisierte der Künstler eine Auferstehung von den Toten, unter dem vorhandenen rechten Flügel analog zur negativen Seite der Seelenwagen den Höllensturz und unter dem linken Flügel den Zug der Seligen zur Himmelspforte.
Die zeitgenössischen Glasscheiben fertigte Baldinger in der Glaswerkstatt des Stiftes Schlierbach gemeinsam mit der Glasbildnerin Kyra Kleinschmidt. Ihre große Erfahrung und ihr Einfühlungsvermögen stellten ideale Rahmenbedingungen für die Ausführung des Kunstwerks dar.
Domkustos Michael Landau erläuterte zu der Figur des Heiligen: „Michael der Seelenwäger, der uns daran erinnert, dass wir als Pilger der Hoffnung unterwegs sind, nicht mehr am Anfang und noch nicht am Ziel. Und der in uns die Frage wachhalten will: Was zählt? Was ist wesentlich?“
Dombaumeister Wolfgang Zehetner erläuterte, dass die Kapelle etwas sehr fragmentarisches hat und ein wichtiger Bestandteil die Fenster seien. Vor Rund 200 Jahren wurden die Glasfenster ausgebaut, weil sie den klimatischen Bedingungen nicht mehr standgehalten hätten. Nun habe man, gemeinsam mit dem Denkmalamt, die musealischen Bedingungen wieder hergestellt und daher konnten die ausgebauten Fenster aus dem Wien Museum wieder eingebaut und das Michaelsfenster komplettiert werden.
V.l.n.r.: Dompfarrer Toni Faber, Dombaumeister Wolfgang Zehetner, Künstler Peter Baldinger und Domkustos Michael Landau freuten sich sehr, das komplettierte Michaelsfenster präsentieren zu können.