Seit 2014 ist Albanien offiziell ein EU-Beitrittskandidat.
Seit 2014 ist Albanien offiziell ein EU-Beitrittskandidat.
Erzbischof Frendo sieht im "Kathpress"-Interview vor allem bei Korruption im Bildungs-, Gesundheits- oder Justizbereich sowie im Ausbau des Sozialbereichs die größten Baustellen
Vorsichtig optimistisch hat sich der katholische Erzbischof von Tirana und Durres, George Frendo, zum angestrebten EU-Beitritt Albaniens geäußert. Er sehe dazu grundsätzlich keine Alternativen, so Frendo im "Kathpress"-Gespräch in der albanischen Hauptstadt Tirana. Freilich seien noch enorm viele Reformen ausständig. Frendo sprach in diesem Zusammenhang etwa die nach wie vor weit verbreitete Korruption im Land an; vor allem im Bildungs-, Gesundheits- oder Justizbereich. Auch im Sozialbereich seien noch viele Hausaufgaben zu erledigen. Der aktuellen sozialistischen Regierung hält der Erzbischof aber zumindest ernsthafte Bemühungen in dieser Richtung zugute. Er sei jedenfalls mittelfristig zuversichtlich, so Erzbischof Frendo.
Seit 2014 ist Albanien offiziell ein EU-Beitrittskandidat (seit 2009 ist der Balkanstaat schon NATO-Mitglied). Das Land zählt zu den mit Abstand ärmsten Staaten Europas. Das führt u.a. immer wieder zu großen Auswanderungswellen. Allein 2015 haben mehr als 60.000 Menschen das Land verlassen.
Die Migration sei ein riesiges Problem, so Erzbischof Frendo. Es würden viel zu viele Familien auseinandergerissen, wenn ein Elternteil im Ausland sein Glück versuche. Unzählige Scheidungen wie auch Sozialwaisen seien einige der massiven Folgen.
Das kommunistische Regime hatte Albanien 1967 zum "ersten atheistischen Staat" erklärt. Noch bis 1990 wurde jede Ausübung von Religion mit Gefängnis, Zwangsarbeit oder gar mit dem Tod bestraft. Heute, 26 Jahre nach der Wende, sind die Strukturen der Religionsgemeinschaften größtenteils wieder aufgebaut.
Vom einstigen atheistischen Staat ist laut Erzbischof Frendo nicht mehr viel geblieben. Es gebe nur sehr wenige bewusste Atheisten im Land. Daneben aber eine viel größere Zahl an Menschen, die sich nicht als praktizierende Gläubige einer Kirche oder anderen Religion definieren, irgendwie aber schon an Gott glaubten.
Von den knapp drei Millionen Einwohnern bekennen sich rund 20 Prozent zur orthodoxen Kirche, 15 Prozent zur katholischen, und ein Prozent zu protestantischen oder evangelikalen Kirchen. Der Anteil der Muslime beträgt rund 60 Prozent.
Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung muslimisch ist, sei Albanien kein muslimischer Staat. Viele Muslime seien sehr offen und aufgeschlossen, sagte der Erzbischof. So gebe es auch keine Probleme, wenn ein Muslim zum Christentum übertritt und sich taufen lässt. "Die katholische Kirche pflegt gute Beziehungen zu den Muslimen", betonte der Erzbischof. Er wolle aber nicht von gegenseitiger Toleranz sprechen. Das sei ihm ein zu negativ behafteter Begriff. Viel lieber verwende er den Begriff der "interreligiösen Harmonie". Diese Harmonie reiche dann aber freilich auch noch nicht so weit, dass Katholiken und Muslime in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen zusammenarbeiten würden. Man sei jedoch auf einem guten Weg dorthin, so Frendo.
Wie der Erzbischof einräumte, gebe es aber innerhalb der Muslime eine kleine radikale Minderheit. Auch aus Albanien hätten sich einige Extremisten auf den Weg nach Syrien gemacht, um dort für den IS zu kämpfen. Die meisten davon seien aber schon umgekommen, die Hintermänner in Albanien weitgehend in Haft.
Die Frage, ob auch in Albanien wie in anderen Balkanstaaten ein fundamentalistischer Einfluss aus Saudi-Arabien bemerkbar sei, konnte der Erzbischof weitgehend verneinen. Er verwies allerdings darauf, dass die größte Moschee des gesamten Balkans derzeit in Tirana gebaut wird, mit Geld aus der Türkei. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan war 2015 nach Tirana gekommen, um den Grundstein zu legen. Das Projekt gehört zum internationalen Moscheebauprogramm der Türkei.
Etwas größer als die katholische Kirche in Albanien ist die orthodoxe Kirche mit rund 20 Prozent der Bevölkerung. Der Erzbischof sprach diesbezüglich von einem freundschaftlichen Umgang miteinander, besonders enthusiastisch äußerste er sich freilich auch nicht. Frendo verwies aber darauf, dass Katholiken, Orthodoxe und Protestanten vor wenigen Tagen in der katholischen Kathedrale in Tirana gemeinsam Gottesdienst im Rahmen der "Weltgebetswoche für die Einheit der Christen" gefeiert hätten.
Der Erzbischof erinnerte auch an den Besuch von Papst Franziskus. Dieser hatte im September 2014 Albanien einen Tagesbesuch abgestattet. Der Papst sei von den Albanern mit großer Freude begrüßt worden. Von den Teilnehmern beim Gottesdienst in Tirana seien mehr als 50 Prozent keine Katholiken gewesen, sondern hätten anderen Konfessionen bzw. Religionen angehört. Der Besuch des Papstes, wenn auch nur sehr kurz, habe im Land großen Enthusiasmus und neues Interesse an der katholischen Kirche ausgelöst. In der Zeit danach habe es etwa in Tirana die höchste Zahl an Erwachsenentaufen seit jeher gegeben.