Helmut Gragger in der Backstube und im Laden: Die Brotlaibe gehen in Wien noch besser weg als die handgemachten Semmeln.
Helmut Gragger in der Backstube und im Laden: Die Brotlaibe gehen in Wien noch besser weg als die handgemachten Semmeln.
Helmut Gragger bezeichnet sich selbst als gläubiger Bäcker. Der Kontakt zur Kirche brachte ihn nach einem Konkurs wieder auf die Erfolgsspur. Mittlerweile backt er Brot für Klöster und unterstützt obendrein mit seinem Wissen um das Brotbacken kirchliche karitative Projekte.
Bald ist es wieder so weit. Mit dem Advent kommt die große Zeit des Backens. In wenigen Tagen beginnen die kulinarischen Vorbereitungsarbeiten für das große Fest. In den Küchen Wiens und Niederösterreichs duftet es nach Zimt und Vanille, nach Weihnachtskeksen und Lebkuchen.
Aber nicht nur in der vorweihnachtlichen Zeit steht das Backen hoch im Kurs. Ein Trend zeigt sich immer deutlicher: Menschen greifen vermehrt zu Mehl, Wasser und Sauerteig und backen ihr Brot selber.
Wir wollen wissen, was hinter dem Geheimnis des Brotbackens steckt und besuchen einen Bäckermeister in der Wiener Innenstadt.
Der aus dem Salzkammergut stammende Helmut Gragger hat vor sieben Jahren seine Biobäckerei in der Spiegelgasse gegenüber des Dorotheums eröffnet. Er hat in der kleinen Landbäckerei in Strobl am Wolfgangssee nicht nur das Handwerk des Bäckers erlernt, sondern auch eine Konditorlehre abgeschlossen.
Wir sind neugierig: „Welche Weihnachtsbäckerei haben Sie als Lehrling besonders gerne zubereitet?“ „Florentiner und Rumkugeln“, antwortet Helmut Gragger. „Heute backe ich privat zuhause gemeinsam mit meinen Kindern und Enkelkindern Weihnachtskekse.“
Als wir das Geschäft betreten, entdecken wir an einer Wand gleich die schiefergraue Besonderheit in dieser Bäckerei. Das Gebäck wird in einem Holzhofen gebacken. Geheizt wird dieser mit Ein-Meter-Buchenscheitern, die aus nachhaltiger Forstwirtschaft im Wienerwald stammen und im Hof gestapelt sind.
Aber nicht nur, dass Helmut Gragger das alte Prinzip des Backens im Holzofen wiederentdeckt hat, nein, es gibt noch ein anderes Erfolgsrezept.
Ihre Spezialität ist der Sauerteig. Was ist das Besondere daran?
Der Sauerteig gehört zu unserer Grundphilosophie. In Linz waren wir stets bekannt für Weißbrot. Wir haben mit unseren Handsemmeln und Salzstangerln gute Verkaufserfahrungen in den Bioläden gemacht.
Aber mit diesem Hype in Wien rund um unsere Brotlaibe habe ich nicht gerechnet. Erst hier habe ich auch das erste Mal gespürt, dass die Leute gesagt haben: „Das Brot schmeckt wie früher!“ Das kannte ich vorher nicht. Für mich war es eine Selbstverständlichkeit.
Bei uns reift der Sauerteig in der Teigschüssel bis zu 24 Stunden lang und muss mehrmals vom Bäcker aufgerührt werden. In diesen ganzen einzelnen Stunden entwickeln sich unterschiedliche Bakterienkulturen und das macht den Geschmack des Brotes aus.
Sie kennen nicht nur den Erfolg, sondern auch das Scheitern. Sie mussten vor einigen Jahren Konkurs anmelden. Wie gelang Ihnen wiederum der Neuanfang?
Wir hatten einen Lehrling, der Theologe und Pastoralassistent in Bad Ischl war. Er wollte unbedingt bei uns das Bäckerhandwerk lernen. Mit ihm entstand der Kontakt zum Stift St. Florian. Wir haben begonnen, für das Stift das Florianer Chorherrenbrot zu produzieren. Das machen wir nach wie vor mit dem Getreide aus dem stiftseigenen Landwirtschaftsbetrieb. Diese Fügung hat uns das Leben gerettet.
Brot spielt immer wieder eine Rolle in der Bibel. Im Vater Unser beten wir um unser tägliches Brot. Sind Sie ein gläubiger Mensch?
Ja, ich komme aus einer sehr gläubigen Familie. Meine Oma hat immer ein Kreuz beim Anschneiden des Brotes gemacht, ich mache das heute genauso. Ich war als Kind und Jugendlicher Ministrant. Ich muss aber gestehen, ich gehe nicht mehr so regelmäßig am Sonntag in die Kirche wie früher. Das Aufstehen fällt mir als Bäcker an meinem einzigen freien Tag einfach schwerer.
Sie engagieren sich stark in der Entwicklungszusammenarbeit, wie z.B. in Afrika. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Wir haben im Senegal, an der Grenze zu Gambia, eine Bäckerei aufgebaut. Ein Gemeinschaftsprojekt von evangelischer Kirche, katholischer Caritas und der Austrian Development Agency.
In einem Dorf, wo verstreut 5.000 Menschen leben. Das Grundnahrungsmittel ist dort Baguette. Die Menschen arbeiten, um sich ein Kilogramm Brot leisten zu können, einen Tag lang. In Wien gehöre ich angeblich zu den coolsten Bäckern. Das hat einen elitären Touch, was ich eigentlich nicht haben möchte und meiner Meinung auch nicht bin.
Brot ist nichts Elitäres, sondern etwas Elementares. Als wir zum ersten Mal im Senegal Brot gebackt haben, brachten wir es in die Schule und die Kinder haben regelrecht durchgedreht. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der sich so über ein frisches Brot gefreut hat.
Ich bin mit einem unsagbaren Gefühl heimgekommen. In Folge hat sich mein soziales Engagement weiterentwickelt. Wir betreiben seit acht Jahren ein Lehrlingsprojekt gemeinsam mit der Caritas, bei dem wir lernschwache Jugendliche in Ansfelden in Oberösterreich zum Bäcker und Konditor ausbilden.
Gute Zeugnisnoten sind für Sie bei der Aufnahme von Lehrlingen nicht entscheidend. Auf was legen Sie Wert?
Eine Bäckerei lebt von dem, dass ein Lehrling die Arbeit halbwegs flink macht, dass er ein gutes Gefühl für den Teig hat und mit dem Ofen umgehen kann. Unsere Erfahrung mit den Lehrlingen hat gezeigt: Sie brauchen ein wenig länger, aber es gibt kaum so treue und loyale Mitarbeiter wie sie. Sie kommen zum Teil aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Zu ihnen hat noch nie jemand gesagt: „Du bist gut.“ Bei uns stellen sie ein cooles Produkt her und können stolz darauf sein.
Helmut Gragger vor dem Holzofen
Bäckermeister Helmut Gragger gibt folgenden Tipp: „Wickeln Sie den Brotlaib in ein Leinentuch. Legen Sie es immer auf die Schnittfläche, dann hält es bis zu einer Woche. Die Kruste wird hart, aber innen bleibt es weich. Wenn es außen hart wird, feuchten Sie das Brot einfach an.“
weitere Informationen zu
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at