Ein Wiener Experte hält das österreichische Konkordat für ein unterschätztes Meisterstück – es sichere Kontrolle, ohne die Religionsfreiheit zu verdrängen.
Ist Österreichs Umgang mit der Religion ein Relikt oder ein Modell? Für den Wiener Kirchenrechtler Prof. Andreas Kowatsch ist die Antwort klar: Das österreichische Staat-Kirche-Verhältnis, juristisch als „freundschaftliches Kooperationsverhältnis“ umschrieben, sei zukunftsweisend. Statt Religion ins Abseits zu drängen, wie es in strikt laizistischen Systemen geschehe, binde Österreich die anerkannten Glaubensgemeinschaften bewusst ein.
„Ich bin überzeugt, dass die Grundidee auch in einer modernen, religiös-pluralen Gesellschaft gut ist“, erklärte Kowatsch im Interview mit der Kärntner Kirchenzeitung „Sonntag“. In einem laizistischen Vakuum entziehe sich Religion jeglicher staatlicher Kontrolle. Österreich hingegen verlange von Religionsgemeinschaften, sich ins Schulsystem einzuordnen und öffentlich-rechtliche Kriterien zu erfüllen. Das Resultat: Kontrolle, die die Religionsfreiheit nicht verletzt. Denn der Staat habe ein existenzielles Interesse daran, dass der Glaube „nicht völlig hinter der Sakristei oder Moschee-Tür stattfindet“, sondern dem gesellschaftlichen Frieden dient.
Dieses kooperative Grundprinzip prägt das historische Konkordat – den Vertrag zwischen Österreich und dem Vatikan. Es ist für Kowatsch mehr als nur ein juristisches Gerüst; es sei eine Stütze der Republik. Im Zuge der Neugründung nach 1945 verzichtete die Kirche auf über 90 Prozent ihres von den Nazis enteigneten Vermögens. Ein Akt, der die junge Republik finanziell entlastete und, so Kowatsch, „zumindest indirekt den Bestand der Republik Österreich mit abgesichert“ hat.
Die Aktualität des Konkordats zeige sich selbst bei der Neubesetzung des Wiener Erzbischofsstuhls mit Josef Grünwidl. Das Abkommen räumt der Bundesregierung ein Mitspracherecht ein, um sicherzustellen, dass kein Kandidat die Grundwerte der Verfassungsordnung gefährdet. Die Zustimmung der Regierung zu Grünwidl beweise, dass das System funktioniere: Es geht um die Kompatibilität mit dem Staat, nicht um theologische Fragen.
Österreichs Weg ist damit ein Balanceakt: Trennung, ja, aber nicht Verdrängung. Eine freundschaftliche Kooperation, die staatliches Interesse und religiöse Freiheit unter einen Hut bringt.