Die Vollversammlung der Bischofskonferenz ist in Wien eröffnet worden. Im Zentrum stehen Treffen mit Bundespräsident, Caritas und orthodoxen Kirchen.
Im Zeichen des guten Miteinanders von Staat und Kirche empfing Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Mitglieder der Österreichischen Bischofskonferenz im Rahmen ihrer Vollversammlung am 4. November 2025 in der Wiener Hofburg. Es war die vierte Begegnung dieser Art mit dem Staatsoberhaupt.
Van der Bellen dankte den Bischöfen ausdrücklich für ihr Wirken am Gemeinwohl und begrüßte die neu ernannten Mitglieder, darunter den designierten Wiener Erzbischof Josef Grünwidl. Er erinnerte an tiefgreifende personelle Veränderungen in Kirche und Politik seit dem letzten Treffen, darunter den Tod von Papst Franziskus, die Wahl von Papst Leo XIV. Die Begräbnisfeierlichkeiten für Papst Franziskus seien für ihn "sehr berührend" gewesen. Er zeigte sich erfreut über die positive Aufnahme von Papst Leo XIV., auch angesichts der gemeinsamen Anliegen zur Gleichberechtigung.
Der Vize-Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Manfred Scheuer aus Linz, vertrat den verhinderten Vorsitzenden Erzbischof Franz Lackner. Scheuer teilte Van der Bellens Sorge über den wachsenden Einfluss nationalistisch-katholischer Kräfte in den USA und betonte, die Kirche nehme "Fragen im Zusammenhang mit Integralismus und Rechtsextremismus sehr ernst".
Er unterstrich die "friedensstiftende und verbindende Funktion" der Kirche für Gesellschaft und Demokratie und nannte "Desinformation und organisierte Lüge" als die "größte Gefahr für die Demokratie", da sie das notwendige Vertrauen zerstörten. Die Kirche müsse und wolle im gesellschaftlichen Diskurs bleiben, besonders bei Fragen nach Sinn, Ethik und Wahrheit.
Bischof Scheuer dankte dem Bundespräsidenten für sein "Charisma der Unaufgeregtheit" in Phasen der Empörung und seinen Einsatz für das Miteinander. Er betonte, das Ringen um das Gemeinwohl brauche den Kompromiss und verwies auf Robert Schumans Empfehlungen für Verantwortungsträger: "Entdramatisieren, Humor bewahren und die Schläge, die man bekommt, nicht erwidern."
Beim abendlichen Festgottesdienst im Stephansdom rief Scheuerzu Empathie, Solidarität und gesellschaftlicher Verantwortung auf. In seiner Predigt stellte er dem Hobbes'schen Bild des "Homo homini lupus" (Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf) entgegen, dass der Mensch "dem Menschen von Natur aus ein Freund" sei und zur Kooperation berufen.
Scheuer verteidigte die Fähigkeit zum Kompromiss als Ausdruck des "Willens zum Miteinander und zur Versöhnung". Gleichzeitig kritisierte er eine "Globalisierung der Gleichgültigkeit", die in Wohlstandskulturen vorherrsche und unempfindlich gegenüber dem Leid anderer mache. Er mahnte, die Tendenzen einer modernen Spaltungs- und Empörungskultur, etwa in den sozialen Medien, zu überwinden, die Menschen anprangert und aus selbstgerechten "Blasen" heraus urteilt.
Ein dauerhafter Friede sei nur mit Gerechtigkeit, Schutz der Menschenrechte und Freiheit möglich. Der Bischof mahnte, Demokratie und Sozialpartnerschaft als "kostbares Gut" zu bewahren. Er betonte, dass tragfähiger gesellschaftlicher Zusammenhalt nur durch die Nähe und Begegnung mit den Verwundbaren der Gegenwart – Armutsgefährdeten, Pflegebedürftigen oder Flüchtlingen – entstehen könne. "Ohne Berührung mit der Not kommen wir nicht zu einem tragfähigen Miteinander", fasste Scheuer zusammen.