Der gebürtige Wiener Neustädter Leopold Ungar war von 1950 bis 1988 Direktor der Caritas der Erzdiözese Wien und von 1964 bis 1991 Präsident der Caritas Österreich.
Der gebürtige Wiener Neustädter Leopold Ungar war von 1950 bis 1988 Direktor der Caritas der Erzdiözese Wien und von 1964 bis 1991 Präsident der Caritas Österreich.
Karl Kraus und "Summa" des Thomas von Aquin prägten Denken Ungars.
Kardinal Christoph Schönborn hat am Freitagabend, 28. April 2017 in Wien in einem Gottesdienst der Caritas, bei dem Caritas-Präsident Michael Landau konzelebrierte, an Leopold Ungar erinnert. Am Sonntag jährte sich zum 25. Mal der Todestag des unvergessenen Wiener Caritasdirektors der Jahre 1950 bis 1988 und Präsidenten der Caritas Österreich von 1964 bis 1991.
Kardinal Schönborn berichtete, dass er Leopold Ungar in den Monaten vor seinem Tod am 30. April 1992 öfters besuchte. Dieser habe ihm den Auftrag gegeben, seine Bibliothek zu übernehmen und "etwas daraus zu machen". Dies habe er, Schönborn, dann getan; nach Abschluss der Katalogisierungsarbeit wurde die Bibliothek in der Wiener Katholischen Akademie für Besucher und Interessierte zugänglich gemacht.
Der Wiener Erzbischof sagte in seiner Predigt, er habe sich damals und auch später oft gefragt, warum Leopold Ungar, der im Judentum groß gewordene Jus-Student und begeisterte Hörer von Karl Kraus, katholischer Christ und Priester wurde. Andeutungen gebe die Bibliothek, aber keine abschließende Antwort.
Einen zentralen Platz in der Bibliothek nehme Karl Kraus (1874-1936) ein. "Leopold Ungar war ungeheuer fasziniert" von diesem Meister der scharfen Formulierungen, so Kardinal Schönborn: "Karl Kraus hat die soziale Verlogenheit seiner Zeit wie kein anderer kritisiert." Ein Freund von Kraus, der Schriftsteller Ludwig von Ficker (1889-1967) - ein Katholik - habe deshalb geschrieben: "Karl Kraus wurde zum Probierstein für die Echtheit einer geistigen Haltung im Christlichen, wenn auch nur in einer bestimmten Sphäre." Hinter diesen Worten stehe das Erleben, dass sich Kraus "immer auf die Seiten der Verfolgten, der Geringgeachteten gestellt" habe, sagte der Kardinal. Leopold Ungar habe davon viel aufgenommen.
Was ihn aber ebenfalls bewegt habe, sei die Frage der Barmherzigkeit gewesen, so Kardinal Schönborn weiter. Dabei verwies er erneut auf die Bibliothek des legendären Caritas-Präsidenten: In der "Summa Theologiae" des heiligen Thomas von Aquin habe Ungar mit Zetteln zwei Stellen besonders markiert - eine behandelte die Frage, ob "misericordia", die Barmherzigkeit, die höchste der Tugenden sei; die zweite handelte von der "magnificentia", der Großherzigkeit. Schönborn dazu: "Lassen sich die beiden Zettel nicht auch so deuten: Hier ist, in klassischen Termini, der Traum eines Caritas-Direktors ausgesagt - Misericordia et magnificentia?".