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13.11.2020 · Österreich & Weltkirche · Bischof

Terror, Corona-Lockdown, Sozialenzyklika und Berg-Karabach

Herbstvollversammlung der Bischöfe, von 9. bis 12. November 2020.

Erklärungen der Österreichischen Bischofskonferenz zum Abschluss der Herbstvollversammlung im Wortlaut.

Wortlaut der Erklärungen der Österreichischen Bischofskonferenz zum Abschluss der in Form einer Videokonferenz von 9. bis 12. November abgehaltenen Herbstvollversammlung der Bischöfe:

 

1. Gemeinsam gegen den Terror

Der Terroranschlag in der Wiener Innenstadt am Abend von Allerseelen hat Österreich tief erschüttert und wirft zahlreiche Fragen auf. Sie betreffen nicht nur die Umstände und Hintergründe dieser Bluttat, die jetzt ohne voreilige Schuldzuweisungen, sondern mit nüchterner Expertise von den zuständigen staatlichen Institutionen umfassend zu klären sind. Ein Anschlag wie dieser will immer die Gesellschaft als Ganzes und unser Zusammenleben spalten und zerstören. Umso wichtiger waren und sind die Zeichen aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte einschließlich der Kirchen und Religionsgemeinschaften, die in den schweren Stunden der Trauer entschieden für Frieden und Zusammenhalt aufgetreten sind, und auch weiterhin dafür einstehen. Wir Bischöfe danken allen, die sich in höchster Not als Beschützer und Retter erwiesen haben. Unser Dank gilt allen, die den Opfern und ihren Angehörigen konkret helfen, Trost spenden und für sie beten.

 

Papst Franziskus hat vor einem Jahr bei dem brüderlichen Treffen mit Großimam Ahmad Al-Tayyib in Abu Dhabi in einem gemeinsamen Dokument erklärt, "dass die Religionen niemals zum Krieg aufwiegeln und keine Gefühle des Hasses, der Feindseligkeit, des Extremismus wecken und auch nicht zur Gewalt oder zum Blutvergießen auffordern" dürfen. Nie darf der Namen Gottes benutzt werden, um Mord, Vertreibung, Terrorismus und Unterdrückung zu rechtfertigen. Daher ist jede religiöse Führungspersönlichkeit aufgerufen, wahrer Dialogpartner und Friedensstifter zu sein, wie der Papst auch in seiner jüngsten Enzyklika "Fratelli tutti" festhält.

 

In Österreich hat das Menschenrecht auf Religionsfreiheit einen hohen Stellenwert. Es ist die Grundlage für den Dialog und die Kooperation sowohl des Staates mit den Kirchen und Religionen als auch der Religionsgemeinschaften untereinander. Weil diese Verhältnisse vorbildlich geregelt und gelebt werden, schaffen sie eine belastbare Basis, um angesichts des Terrors zusammenzustehen. Als katholische Bischöfe wollen wir weiterhin den Weg der respektvollen Begegnung und des ehrlichen Dialogs mit dem Islam gehen. Wir bestärken Christen und Muslime darin, dies auch in der konkreten Nachbarschaft vorzuleben. In einer Haltung des wechselseitigen Vertrauens und der Bereitschaft zur Selbstkritik kann und muss aber auch ein redlicher Diskurs über die Gefahr von politisch instrumentalisierter Religion im Allgemeinen und zum Vormarsch islamistischer Spielformen politischer Religion geführt werden. Jegliche pauschale Diffamierung von Religion weisen wir jedoch entschieden zurück.

 

Der Glaube an Gott gibt vielen Menschen Sinn, Ziel und Halt auch und gerade angesichts der abgründigen Gewalt. Christinnen und Christen glauben an einen Gott, der den Menschen in Liebe nahe sein will. Dieser Glaube führt aus dem Bannkreis der Angst in den Umkreis der Liebe. Er kann damit die Spirale der Gewalt durchbrechen, die in Gang kommt, wenn auf Terror und Hass in gleicher Weise reagiert wird. "In mir habt ihr Friede", verspricht Jesus Christus allen, die an ihn glauben. Dem entspricht seine Verheißung in der Bergpredigt, wo er sagt: "Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden."

 

2. Christliche Verantwortung im zweiten Lockdown

Die zweite Welle der Corona-Pandemie hat erneut viele Länder erfasst, und Österreich kämpft gegen die stark gestiegenen Infektionen mit neuen Schutzmaßnahmen an. Seit 3. November gibt es für zahlreiche Lebensbereiche große Einschränkungen. Auch die Kirchen und Religionsgesellschaften sind davon betroffen und haben im Vorfeld des zweiten Lockdowns mit den staatlichen Stellen zusätzliche Maßnahmen vereinbart. So gilt bei öffentlichen Gottesdiensten sowohl in geschlossenen Räumen als auch unter freiem Himmel grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 Metern und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.

 

Beide Maßnahmen sind strenger als die derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen. Darüber hinaus hat sich die katholische Kirche von selbst dazu verpflichtet, alle Taufen, Erstkommunionen, Firmungen und Trauungen zu verschieben.

 

Mit diesen Einschränkungen wollen die Bischöfe einen verantwortungsvollen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten. Gleichzeitig wird damit sichergestellt, dass die unverzichtbaren Grundvollzüge des Glaubens weiterhin möglich bleiben. Die Bischöfe nehmen dankbar wahr, dass die allermeisten Gläubigen in diesen schwierigen Zeiten versuchen, die notwendigen Maßnahmen mit großer geistlicher Zuversicht und tätiger Liebe zu verbinden. Groß ist das Engagement in der Seelsorge an Kranken und Alten, in der Telefonseelsorge, bei der Caritas und den Hilfseinrichtungen, aber auch in den Schulen.

 

Die Religionsausübung ist für gläubige Menschen ein zutiefst existenzieller Vollzug. Die Religionsfreiheit ist daher ein sehr hohes Gut, das durch unsere Verfassung besonders geschützt ist. Eingriffe in dieses Grundrecht wie beispielsweise ein Aussetzen von öffentlichen Gottesdiensten sind so schwerwiegend, dass sie sehr gut begründet sein müssen, um nicht verfassungswidrig zu sein. Daher arbeiten die Kirchen und Religionsgesellschaften seit Beginn der Pandemie sehr eng mit den staatlichen Stellen zusammen, wenn es um Maßnahmen zur Einschränkung der Religionsfreiheit angesichts der Pandemie geht. Die Bischofskonferenz ist dabei im ständigen Kontakt mit jenen Experten, die auch die Bundesregierung beraten. Diese Vorgangsweise und die vereinbarten Maßnahmen haben sich bis jetzt sehr bewährt.

 

In diesen Tagen mehren sich die erfreulichen Hinweise, dass es in absehbarer Zeit eine wirkungsvolle und sichere Impfung gegen die Infektion geben könnte. Angesichts der Pandemie ist zu beachten, dass geeignete Impfstoffe immer auch weltweit zu vertretbaren Preisen zur Verfügung gestellt werden müssen. Nationale Egoismen oder wirtschaftliche Interessen müssen diesem Prinzip untergeordnet werden. Personen, die wegen ihrer beruflichen Funktion sehr häufig mit infizierten Personen in Kontakt kommen oder besonders schutzbedürftig sind, sollten bei der Verteilung der anfänglich knappen Impfdosen bevorzugt werden. Christen sollten sich in dieser Situation durch Eigenverantwortung, Rücksicht und Solidarität auszeichnen. Die Bereitschaft zur eigenen Impfung ist Ausdruck dieser Haltung.

 

Wir stehen noch immer mitten in einer Pandemie mit enormen persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen. Dabei darf es zu keinem Lockdown der Herzen und der Hilfe kommen. Vielmehr sind außergewöhnliche Kraftanstrengungen und Hilfeleistungen durch den Staat und viele andere Institutionen im Blick auf das Gemeinwohl und die Betroffenen nötig und sie werden auch schon unternommen. Die Bischöfe haben in einem Hirtenwort zu Pfingsten bereits einige Impulse für eine geistvoll erneuerte Normalität in der Zeit nach der Pandemie gegeben. Christliche Nächstenliebe muss sich in diesen Tagen im rücksichtsvollen Schutz der Mitmenschen sowie in aufmerksamer Nähe und Hilfe für Bedürftige bewähren.

 

3. Für eine Welt in Geschwisterlichkeit und sozialer Freundschaft

Vor einem Monat hat Papst Franziskus in Assisi seine dritte Enzyklika "Fratelli tutti - Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft" unterzeichnet. Fünf Jahre nach "Laudato si - Über die Sorge um das gemeinsame Haus" fügt der Papst damit der Katholischen Soziallehre ein weiteres Lehrschreiben hinzu, in dem es vor allem um die Heilung der menschlichen Beziehungen und eine Neuausrichtung des politischen und wirtschaftlichen Handelns im Blick auf das globale Gemeinwohl geht.

 

Die österreichischen Bischöfe unterstützen den Appell von Papst Franziskus für eine Globalisierung der Nächstenliebe inmitten der einen Menschheitsfamilie. Nicht nur die gegenwärtige Pandemie zeigt, dass globale Krisen nur gemeinsam und weltweit überwunden werden können. Daher gilt es, Verbundenheit und Zusammenarbeit über alle kulturellen, religiösen, geografischen, ethnischen und politischen Grenzen hinweg zu fördern. Für die schrittweise Realisierung der Vision eines friedlichen Zusammenlebens aller Menschen in einer sozial und ökologisch gerechten Welt lohnt es sich, alle zur Verfügung stehenden Mittel, vor allem jedoch alle menschlichen Begabungen einzusetzen.

 

Der Weg dorthin kann aber nur im gemeinsamen Nachdenken und Dialog liegen, der auf eine Änderung der Haltungen und Strukturen abzielt, die bisher der Logik einer unersättlichen Gier und Lebensausbeutung gefolgt sind. Noch mehr als bisher muss es dabei gelingen, Ökonomie, Ökologie und Soziales in Einklang zu bringen - auch und gerade angesichts der globalen Klimakrise. Dafür braucht es beispielsweise Wertschätzung für unternehmerische Tätigkeit, aber auch verbindliche internationale Mechanismen für eine Unternehmensverantwortung im Blick auf Menschenrechte und Umweltschutz. Für die Kirche hierzulande bedeutet das, die Bemühungen zur Reduktion der CO2-Emissionen in den Diözesen oder auch die nachhaltige Beschaffung konsequent umzusetzen. Unseren ersten Auftrag sehen wir jedoch darin, die spirituellen Quellen für einen wirklich nachhaltigen Wandel unserer Gesellschaft möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.

 

"Fratelli tutti" ist überzeugt von der Gestaltungskraft einer "neuen Politik" und vom Vertrauen in Verantwortungsträger, die in "politischer Nächstenliebe" handeln. Sie sind die Antwort auf unheilvolle Populismen, denen Einhalt zu gebieten ist. Der Einsatz für die Menschenrechte ist dabei maßgeblich und ein permanenter Arbeitsauftrag. Das gilt vor allem für die Bereiche Flucht und Migration. Es braucht die Bereitschaft, sowohl die Ursachen dafür zu beseitigen als auch Schutz und Heimat suchende Menschen aufzunehmen und zu integrieren, soweit dies nur irgendwie möglich ist. Die Kriterien dafür benötigen einen Rückhalt in der Gesellschaft, und die Kirche sieht sich dabei als Anwältin der Schutzsuchenden und Notleidenden. Ebenso sind wir alle aufgefordert, die Sorge um den Frieden auf die kirchliche und staatliche Prioritätenliste zu setzen. Ein Beispiel dabei ist die Unterstützung für den päpstlichen Aufruf, mit dem durch Abrüstung eingesparten Geld einen "Weltfonds zur Bekämpfung von Hunger" zu schaffen. Bei alldem gilt es, die internationalen Beziehungen und Institutionen zu stärken als Antwort auf Tendenzen einer wachsenden Abschottung und eines weltweit aufkeimenden Nationalismus.

 

Adressaten der päpstlichen Programmschrift "Fratelli tutti" sind nicht nur die hohe Politik oder die globalisierte Wirtschaft. Jeder und jede einzelne ist aufgefordert, die Wirklichkeit mit den Augen der Verletzlichsten zu sehen und am biblischen Beispiel des barmherzigen Samariters Maß zu nehmen.

 

4. Hoffnung auf Frieden im Südkaukasus

Die österreichischen Bischöfe sehen mit großer Sorge die Situation in Berg-Karabach (Artsach) im Südkaukasus, auf europäischem Boden. Sie machen sich die Worte von Papst Franziskus beim Angelus-Gebet am Fest Allerheiligen zu eigen: "Vergessen wir nicht, was in Berg-Karabach geschieht, wo auf fragile Waffenstillstände bewaffnete Auseinandersetzungen folgen, mit einer tragischen Erhöhung der Zahl der Opfer, Zerstörungen von Wohnhäusern, Infrastrukturen und Gotteshäusern. Es ist tragisch!"

 

Diesem Appell des Papstes schließen sich die österreichischen Bischöfe - die sich allen Leidenden in der Region, der schwer getroffenen Zivilbevölkerung wie auch den jungen Soldaten, nahe fühlen - aus ganzem Herzen an. Sie bitten die Katholiken unseres Landes, dieses Anliegen im Gebet mitzutragen. Die Bischöfe hoffen, dass der neue Waffenstillstand hält.

 

Die österreichischen Bischöfe fühlen sich von dem Geschehen im Südkaukasus so sehr betroffen, weil es vielfache historische Verbindungen Österreichs mit dieser kulturell so bedeutsamen Region des größeren Europa gibt, und auch weil Wien Sitz der "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (OSZE) ist, der im Ringen um Frieden im Südkaukasus eine sehr wichtige Bedeutung zukommt.

 

Eine besondere Beziehung besteht auch zu den geistlichen Verantwortungsträgern im Südkaukasus, insbesondere zum armenisch-apostolischen Katholikos-Patriarchen Karekin II., der in Wien studiert hat. Er hat sich am 16. Oktober mit einem dramatischen Aufruf an die internationale Staatengemeinschaft gewandt, um eine Beendigung der seit 27. September andauernden Kampfhandlungen zu erreichen.

 

Tags darauf, am 17. Oktober, hat der Wiener armenisch-apostolische Bischof Tiran Petrosyan beim "Friedensgebet für den Südkaukasus" in der Wiener Michaelerkirche, zu dem die Stiftung "Pro Oriente" und der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) eingeladen hatten, bewegende Worte gefunden. Bischof Tiran erinnerte daran, dass die "Sehnsucht nach Gottes Frieden" größer sei als alle menschliche Vernunft.

 

Die österreichischen Bischöfe hoffen, dass eine echte Friedenslösung in der Region zustande kommt. Sie sind überzeugt, dass der Schutz der Zivilbevölkerung - samt der Bewahrung der Gotteshäuser - vordringliche Bedeutung hat. Die bereits eingeleiteten humanitären Maßnahmen für die vielfach zur Flucht gezwungene Zivilbevölkerung müssen fortgesetzt und intensiviert werden.

In diesem Zusammenhang werden sich auch die österreichischen kirchlichen Hilfsorganisationen - die seit dem Erdbeben von Gyumri im Jahr 1988 über Erfahrung in der Region verfügen - nach Kräften engagieren, um rasch Hilfe für die in Not befindlichen Menschen zu leisten.

erstellt von: red/kathpress
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Kontakt:
Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz
Rotenturmstraße 2, 1010 Wien,
Telefon: 01-51611-0
E-Mail: sekretariat@bischofskonferenz.at
Web: www.bischofskonferenz.at
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