Dieser Weg steht auch heute allen Suchenden offen.
Dieser Weg steht auch heute allen Suchenden offen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Hochfest Erscheinung des Herrn,
6. Januar 2010 (Mt 2,1-12)
Wie Gott finden? Viele stellen sich diese Frage. Gibt es Gott? Wer ist Er? Wo ist Er? Wie können wir Ihn uns vorstellen? Zuerst geht es überhaupt darum, Gott zu suchen. Wenn ich mir die Frage nach Gott nicht stelle, werde ich Ihn kaum zu suchen beginnen. Oft taucht die Frage erst auf, wenn etwas Schmerzliches geschieht: eine Krankheit, ein Unfall, der Tsunami. Dann kommt die Frage auf: Wie kann ein guter Gott das zulassen? Manchmal aber wird daraus ein Weg der Gottsuche. Und des Gottfindens.
Von einem solchen Weg ist heute die Rede. Die „Heiligen Drei Könige“, wie die volkstümliche Tradition sie nennt, die „Weisen aus dem Morgenland“, die „Sterndeuter aus dem Osten“ – sie sind Gottsucher. Können sie Wegweiser für Menschen sein, die heute Gott suchen?
Da ist sicher eine erste Schwierigkeit: Sie haben in einer völlig anderen Zeit gelebt. Wir können uns kaum vorstellen, wie das Leben vor 2000 Jahren in Mesopotamien (dem heutigen Irak) ausgesehen hat. Wie sah ihr Alltag aus? Wie ihre Religion? Wie ihre Wissenschaft der Sternkunde? Sie hatten offensichtlich eine sehr genaue Kenntnis der Himmelsphänomene, der Planetenbewegungen, auch ohne Teleskope, ohne unser Wissen über das Universum. Sie waren sicher tief religiös, wie wir modernen Europäer es nur schwer nachempfinden können.
Und doch: Trotz aller Fremdheit können wir von ihnen lernen. Sie können uns wirklich Wegweiser der Gottsuche sein. Drei Etappen dieses Weges sehen wir bei ihnen deutlich. Sie stimmen heute genauso wie damals.
Zuerst ist da die Aufmerksamkeit auf die Natur. Gott spricht zu uns zuerst durch seine Schöpfung. Aber um seine Sprache zu hören, braucht es, damals wie heute, einen aufmerksamen Blick. Genau hinschauen! Staunen lernen! Nicht oberflächlich an allen Schönheiten der Natur vorbeigehen. Einmal lange und ganz, ganz still in einer sternenklaren Nacht in den Himmel schauen: Wer nur halbwegs offen ist, dessen Herz kann tief berührt werden. Die Stimme des Schöpfers kann hörbar werden.
Wie viel gibt es in der Natur, was unser Staunen erwecken kann, wenn wir nur aufmerksam sind, wie die Sterndeuter es waren. Sie blieben aber nicht beim Staunen stehen. Sie machten sich auf den Weg. Diese zweite Etappe ist heute noch genauso wichtig. Aktiv Gott suchen! Seinen Spuren nachgehen! Seine Gegenwart spüren! Das erfordert von uns Schritte. Nicht Sitzenbleiben. Das Leben ist ein Weg. Die Suche nach Gott ist erst recht ein lebenslanger Weg. Die Weisen aus dem Osten trieb eine Unruhe an, sich auf die Suche nach Gott zu begeben. Gesegnete Unruhe des Herzens, die sich nicht mit vorschnellen Antworten abspeisen lässt.
Die dritte Etappe: das Gottfinden! Ihr Weg kommt an ein Ziel. Sie finden, was sie gesucht haben. Ganz anders als erwartet: Ein kleines Kind mit armen Eltern. Sie finden einen Gott, der ganz nahe gekommen ist. Nicht fern droben im Himmel, bei den Gestirnen, sondern ganz nahe, mitten unter uns. Und sie schämen sich nicht, niederzuknien und anzubeten.
Gott in der Schöpfung erahnen. Sich aktiv auf den Weg machen, Ihn zu suchen. Im göttlichen Kind Ihn finden: Dieser Weg steht auch heute allen Suchenden offen.
Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.
Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. Er ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle.
Sie antworteten ihm: In Betlehem in Judäa; denn so steht es bei dem Propheten: Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel.
Danach rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war. Dann schickte er sie nach Betlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach, wo das Kind ist; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige.
Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.
Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.
Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.