Mut zum Christusbekenntnis sei wichtig, weil "der bloße Glaube an Gott, an irgendein höheres Wesen, zu allgemein ist und auch mit nationalsozialistischem Gedankengut vereinbar war", so Kardinal Schönborn.
Mut zum Christusbekenntnis sei wichtig, weil "der bloße Glaube an Gott, an irgendein höheres Wesen, zu allgemein ist und auch mit nationalsozialistischem Gedankengut vereinbar war", so Kardinal Schönborn.
Kardinal Schönborn leitete Gedenkmesse zum NS-Widerstand beim Rosenkranzfest 1938.
An das Rosenkranzfest des Jahres 1938 (7.10.1938) und die darauffolgende Erstürmung des Erzbischöflichen Palais (8.10.1938) erinnerte Kardinal Christoph Schönborn am Montag, 7. Dezember 2013, mit einem Gedenkgottesdienst im Wiener Stephansdom. Die Bewunderung für den Mut der damals 7.000 Jugendlichen, die zum Fest mit Kardinal Theodor Innitzer in den Dom gekommen waren, bedeute für heute, ebenfalls Mut zu einem dreifachen Bekenntnis zu haben: "Zu Christus, zur Kirche und zu Österreich", so Kardinal Schönborn.
Mut zum Christusbekenntnis sei wichtig, weil "der bloße Glaube an Gott, an irgendein höheres Wesen, zu allgemein ist und auch mit nationalsozialistischem Gedankengut vereinbar war". Mut zum Bekenntnis zur Kirche sei wichtig, weil es Mode sei, "kritische Loyalität" zu betonen. Mut zum Bekenntnis zu Österreich bedeute schließlich, "dankbar zu sein, in diesem Land zu leben". Dabei gehe es nicht um ein Verachten anderer und ein Heruntermachen, um "daraus politisches Kleingeld zu münzen".
Der Kardinal betonte, dass der Hass, den sowohl die Nationalsozialisten als auch die kommunistischen Diktaturen auf die katholische Kirche hatten, im Selbstverständnis jedes Gläubigen wurzle, nicht dem Staat alleine zu gehören. "Ein Gläubiger ist Bürger der 'civitas terrena' und Bürger der 'civitas caelestis'", zitierte Schönborn Augustinus. Der Wiener Erzbischof wies dabei auf einen schwer verbrecherischen Plan des NS-Regimes hin: "Es wollte über die Seelen herrschen, es wollte die Jugend ergreifen, dass sie nur dem 'Führer' gehören." Schönborn erinnerte an die Fortsetzung der in Hass wurzelnden Taten des Regimes nach dem 8. Oktober 1938. Nur einen Monat später hätten im gesamten Großdeutschen Reich die Synagogen gebrannt.
Zu Beginn des Gottesdienstes begrüßte der Kardinal Alt-Vizekanzler Alois Mock, die katholischen Studenten- und Mittelschülerverbindungen und die Katholische Jugend. An den Gottesdienst schloss eine im Stephansdom abgehaltene Enquete der Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände Österreichs (AKV) und des Vogelsang-Instituts an. Thema war "Christenverfolgung - gestern und heute".
Das Rosenkranzfest am 7. Oktober 1938 war mit mehr als 7.000 Teilnehmern die größte Widerstandsmanifestation der gesamten Nazizeit in Deutschland und Österreich. Es ging um geistigen Widerstand gegen die Nazi-Ideologie. Das damals von Kardinal Innitzer von der Kanzel im Dom aus ausgesprochene Bekenntnis "Einer ist euer Führer; euer Führer ist Christus" gab Tausenden Jugendlichen Hoffnung und Mut.
Die Jugendlichen versammelten sich nach der Andacht im Dom spontan vor dem Erzbischöflichen Palais. Sprechchöre mit dem Ruf "Wir wollen unseren Bischof sehen!" wurden angestimmt - eine glatte Provokation in den Augen der NSDAP-Funktionäre, die natürlich die Anspielung auf die Hitler-Parolen merkte.
Am darauffolgenden 8. Oktober schlug das Regime zurück: HJ- und SA-Trupps in Zivil stürmten das Erzbischöfliche Palais. Das Regime hatte die "Rosenkranz-Kundgebung" als unerträgliche Provokation empfunden. "Spontan", tatsächlich aber gut organisiert, stürmten die Schlägertrupps, bestehend aus 17- bis 25-Jährigen das Erzbischöfliche Palais und das Curhaus am Stephansplatz. Kardinal Innitzer konnte im letzten Moment in Sicherheit gebracht werden, das Palais wurde total verwüstet. Ein Christusbild, das die Nationalsozialisten mit ihren Dolchen zerfetzten, hängt heute im Konsistorialsaal des Palais. Im Curhaus fiel den Nazischlägern der Domkurat Johannes Krawarik in die Hände. Er wurde aus dem Fenster geworfen und fiel auf einen Sandhaufen. Trotzdem zog er sich so schwere Verletzungen zu, dass er bis Februar 1939 im Spital bleiben musste. Zuvor wurde ihm mehr als eine Stunde ein Arzt verweigert. Die Polizei sah dem Treiben der Nazis untätig zu. Der nationalsozialistische Polizeipräsident Otto Steinhäusl saß im Kaffeehaus und schaute auf die Uhr, ob die mit der Parteileitung vereinbarte Zeitspanne für die inszenierten Ausschreitungen schon abgelaufen war. Genauso verhielten sich die Polizeiverantwortlichen dann einen Monat später, während der - ebenfalls zu einem großen Teil inszenierten - Plünderungen und Zerstörungen der "Reichskristallnacht".
Am 9. Oktober fotografierte die Gestapo die Verwüstung am Stephansplatz, versiegelte das Palais und ließ alle Augenzeugen unterschreiben, dass sie Schweigen bewahren werden. Unter Polizeischutz durfte Innitzer am Sonntag in den Dom, um die Messe zu feiern.
Eine derartige Provokation durch die Kirche konnte sich Gauleiter Josef Bürckel nicht gefallen lassen. Der "Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich" rief zur Gegendemonstration auf dem Heldenplatz für den 13. Oktober 1938 auf. Nach der Kundgebung zog die aufgeputschte Masse mit einer am Galgen baumelnde Puppe des Kardinals am Erzbischöflichen Palais vorüber. Die Schmähungen verletzten Innitzer zutiefst, der in einem Zimmer mit seiner Sekretärin ausharrte.
Für den oft gescholtenen Kardinal waren die dramatischen Ereignisse des Oktober 1938 allerdings auch eine Ehrenrettung. Was in Wien vor sich ging, beschäftigte die Weltöffentlichkeit. 130 US-Bischöfe sandten ein Sympathietelegramm nach Wien. Der Breslauer Kardinal Bertram protestierte beim Berliner Reichskirchenminister Hanns Kerrl. Die "Neuen Zürcher Nachrichten" schrieben von einem "geistigen Tiefstand".