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22.04.2013

"Ökumene braucht kühlen Kopf, brennendes Herz und langen Atem"

Herr Professor Prokschi, Sie leiten die "Kommission für ökumenische Fragen", was sind die Aufgaben der Kommission?

Prokschi: Wir befassen uns mit allem, was sich im ökumenischen Bereich auf dem Gebiet der Erzdiözese Wien tut. Wir versuchen die Zusammenarbeit aller christlichen Kirchen vor Ort zu stärken und lebendige Kontakte zu den Hierarchen und Verantwortungsträgern zu halten.

Man kann sich auch an uns wenden, wenn es Probleme auf dem Gebiet der Ökumene gibt oder wenn jemand sich für die Ökumene engagieren will. Eigentlich sollte es so sein, dass es in jeder Pfarre einen Pfarrgemeinderat gibt, der für ökumenische Fragen verantwortlich ist. In der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen geschehen da sehr schöne Dinge: gemeinsame Gottesdienste oder ökumenische Gebete mit Vertretern aus verschiedenen Kirchen.

 

Mit welchen Themen befasst sich die ökumenische Kommission derzeit?

Prokschi: Wir erarbeiten gerade einen Leitfaden für orthodox-katholische Eheschließungen, um den jungen Menschen entgegen zu kommen, die eine konfessionsverschiedene Ehe eingehen wollen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es heute gar nicht so leicht ist, Beziehung im christlichen Sinn dauerhaft zu leben. Viele junge Menschen denken kaum noch an eine kirchliche Trauung. Wenn also zwei junge Menschen zusammenkommen, die beide in ihren kirchlichen Traditionen verankert und engagiert sind, dann dürfen wir als Kirchen ihnen das gemeinsame Leben nicht noch schwerer machen.

Ich hoffe, dass es durch die neugegründete orthodoxe Bischofskonferenz gelingt, eine einheitliche Linie zu finden. Schon vor Jahren habe ich mich darum bemüht, habe aber damals bei den verschiedenen orthodoxen Kirchen - Griechen, Serben, Rumänen, Russen, Bulgaren - verschiedene Auskünfte bekommen. Das war ein bisschen mühsam. Jetzt wollen wir einen Folder machen, der für alle orthodoxen Kirchen verbindlich ist.

 

Wie läuft eigentlich eine gemischt-konfessionelle Trauung ab?

Prokschi: In der evangelisch-katholischen Ökumene ist das klar definiert: Es ist entweder eine katholische Trauung mit Assistenz eines evangelischen Pastors oder umgekehrt. Der evangelische Pastor übernimmt oft die Predigt, der katholische Priester den Ringwechsel. Ich habe in meiner Praxis als Pfarrer sehr viele gemischt-konfessionelle, oder besser "konfessionsverbindende" Eheschließungen gefeiert und es war immer ein sehr gutes Miteinander.

  

Was ist bei orthodox-katholischen Trauungen zu beachten?

Prokschi: Bei den Orthodoxen geht es darum, eine Form der Feier zu finden, bei der deutlich wird, dass das nicht nur eine rein orthodoxe Eheschließung oder ein rein katholische ist. Aktuell geschieht das manchmal in der Form: Das Brautpaar geht zuerst in die katholische Kirche, macht dort den Ringwechsel, der für die katholische Kirche wichtig ist - und das gilt für die Orthodoxie als Verlobung. Dann gehen die Brautleute in die orthodoxe Kirche und dort ist der feierliche Akt der Krönung: Braut und Bräutigam bekommen eine Krone aufgesetzt und werden vom Priester gesegnet. Eigentlich ist dieser Ablauf eine Verdoppelung des Sakramentes und das sollte nicht so sein. Ein erster Schritt wäre, dass es möglich wird, dass bei einer orthodoxen Eheschließung der katholische Priester auch einen Teil - etwa die Lesung des Evangeliums - in der Feier übernehmen kann.

Wir müssen aber beachten, dass es einen Unterschied im Eheverständnis gibt: In der Orthodoxie ist es der Priester, der das Sakrament der Ehe spendet: der Segen des Priesters und die Krönung sind daher wesenskonstitutiv. Bei uns Katholiken spenden Braut und Bräutigam einander das Sakrament der Ehe, indem sie sich das Treueversprechen zusagen und einander den Ring der Treue anstecken.

 

Wie ist das mit den anderen Sakramenten: Eucharistiefeier, Taufe, Krankensalbung?

Prokschi: Grundsätzlich werden alle Sakramente gegenseitig anerkannt. So gilt die Taufe für alle als Eingliederung in den Leib Christi, die Kirche. Aber die Beschäftigung mit der Ökumene zeigt, dass es im Praktischen dann gar nicht so einfach ist… Als Pfarrer habe ich zum Beispiel erlebt, dass ein junges Paar - sie waren gemischt konfessionell katholisch-evangelisch verheiratet - mit der Bitte zu mir gekommen ist, ihr Kind zu taufen. Dabei haben sie gesagt: Wir wollen nicht, dass das Kind katholisch oder evangelisch getauft wird, wir wollen eine christliche Taufe, um die Spaltung zu überwinden! Ja, da musste ich sagen, das geht leider nicht!

 

Das heißt, man kann die Tauffeier ökumenisch gestalten, aber letztlich ist es eben dann doch eine katholische oder evangelische Taufe… 

Prokschi: Ja. Und das ist für junge Leute oft schwer zu begreifen: Warum muss diese Trennung, die oft Jahrhunderte zurückliegt, weitergeschrieben werden?

 

Und die Eucharistie? Wenn ein katholisch-evangelisches Ehepaar den evangelischen oder den katholischen Gottesdienst besucht, dürfen dann beide an den Sakramenten teilnehmen?

Prokschi: Das ist eine Sache, die mir sehr am Herzen liegt, aber das ist mehr unser - katholisches - Problem. Es gab darüber Beratungen in den Ökumene-Kommissionen und in der Bischofskonferenz und auch in Rom wird darüber verhandelt. Es geht darum, eine Möglichkeit zu schaffen, dass ein Ehepaar, das kirchlich sozialisiert und engagiert ist und wirklich regelmäßig am Gottesdienst der einen oder anderen Kirche teilnimmt, dass der/die anderskonfessionelle Partner/in nicht von der Kommunion ausgeschlossen bleibt. Ob wir das auch mit der Orthodoxie einmal erreichen, das ist wieder eine andere Frage...

 

Wenn der katholische Partner im evangelischen Gottesdienst zum Abendmahl geht, welches Problem gibt es dabei?

Prokschi: Von evangelischer Seite haben wir keine Probleme. Sie laden uns ein, am Abendmahl teilzunehmen. Nur unsere katholische Kirche sagt, - sehr plakativ ausgedrückt - das ist keine richtige Eucharistie.

Wir haben für Ausnahmefälle schon einiges erreicht, derzeit scheint es ein Stillhalteabkommen zu sein. Das Ziel ist aber, dass sowohl der katholische Teil in der evangelischen Kirche beim Abendmahl teilnehmen kann, als auch der evangelische Teil in der katholischen Kirche, und dass das von beiden Kirchen voll akzeptiert wird. Von evangelischer Seite ist es akzeptiert, die Schwierigkeiten liegen in unserer katholischen Kirche. Der Grund ist, dass die Amtsfrage noch nicht geklärt ist: Weil es das Priesteramt in der evangelischen Kirche in der Form nicht gibt; es gibt zwar auch eine Einsetzung und Beauftragung der Pastoren, aber keine Weihe im klassischen Sinn der altkirchlichen Tradition. Und da ist eben die Frage, ob in dieser Form des Abendmahls die Eucharistie nach den Kriterien zustande kommt, die wir als Katholiken als Voraussetzung sehen.

 

Katholiken dürfen ja in einem orthodoxen Gottesdienst nicht zu Kommunion gehen…

Prokschi: Wir Katholiken haben da kein Problem, wir anerkennen die Kommunion der Orthodoxen, nur die Orthodoxen lassen uns dort nicht zu, weil wir noch getrennte Kirchen sind. Grundsätzlich wird auch die Eucharistiefeier gegenseitig anerkannt. Wir dürfen mitfeiern, aber offiziell nicht an der Kommunion teilnehmen. Es wird von orthodoxer Seite argumentiert, dass die Kommunion Ausdruck der Einheit sei und wir noch nicht eins sind.

Ein anderer Grund ist manchmal, dass wir nicht entsprechend vorbereitet sind. In Orthodoxie ist es üblich unmittelbar vor der Heiligen Liturgie das Sakrament der Beichte zu empfangen und natürlich zu fasten. Das Fasten wird überhaupt viel ausgiebiger und intensiver gehalten, so wie es früher bei uns auch üblich war.

Es kann schon vorkommen, dass ein orthodoxer Priester einmal eine Ausnahme macht und sagt: "Heute ist Weihnachten und heute lade ich alle, auch unsere Gäste aus der katholischen Kirche ein, zur Kommunion zu kommen." Aber das ist nicht die Regel. Grundsätzlich würde ich nie in einer orthodoxen Kirche zur Kommunion vorgehen, wenn ich nicht eingeladen bin.

 

Wie läuft die Ökumene in der Krankenhausseelsorge in Wien?

Prokschi: Das ist uns sehr wichtig. Deshalb haben wir in diesem Jahr die ökumenische Fachtagung diesem Thema gewidmet. Denn im großen AKH liegen auch viele Angehörige von orthodoxen Kirchen. Es gibt evangelische und katholische Seelsorger, auch für die anderen Religionen ist jemand zuständig, aber die Orthodoxen haben nicht so viele Priester und deshalb kann kein ständiger Seelsorger dort sein. Manchmal kommt es zu schwierigen Notsituationen: Eine hochschwangere serbische Frau wird eingeliefert, weil es Komplikationen bei der Geburt gibt. Es geht um das Leben des Kindes, die Eltern sind sehr gläubig und wollen unbedingt, dass ein Priester das Kind tauft. Es kann aber kein orthodoxer Priester erreicht werden… Die Orthodoxie kennt keine Nottaufe, wie wir sie haben - bei uns kann ja jeder taufen mit der einfachen Formel "Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes …" Wenn also kein orthodoxer Priester gefunden wird, kann es vorkommen, dass sich die verzweifelten Eltern an den katholischen Priester wenden. Grundsätzlich anerkennen wir ja gegenseitig die Taufe, aber dann kommt es vor, dass das Kind stirbt und danach der orthodoxe Priester sagt, er habe damit nichts zu tun, weil das Kind ja katholisch getauft ist. Für die trauernden Eltern ist das alles sehr schwer zu verstehen.

Auch bei der Krankensalbung, die ebenfalls gegenseitig anerkannt ist, gibt es manchmal Schwierigkeiten.

Wir wollen mit orthodoxen Vertretern gemeinsam eine Form finden, dass man in absoluten Notsituationen auch einen Priester der Schwesterkirchen bitten kann, die Sakramente zu spenden und die Kirche das akzeptiert. Die Hoffnung ist auch hier die orthodoxe Bischofskonferenz, in der alle sieben in Österreich bestehenden orthodoxen Kirchengemeinden vertreten sind. Wenn dort ein Beschluss gefasst wird, dann ist er auch für alle bindend.

 

Oft hat man den Eindruck, es geht in der Ökumene zu langsam vorwärts…

Prokschi: Man muss in der Ökumene auch manchmal 'leiden'. Ich hab es am Berg Athos erlebt, wenn man so richtig vom Gottesdienst, vom gemeinsamen Mahl, usw. ausgeschlossen wird. Am Beginn des Gottesdienstes wurde ich - höflich aber bestimmt - aufgefordert den Kirchenraum zu verlassen. Aber das ist nicht in jedem Kloster gleich… Wir waren damals offiziell als katholische Priester zu Gast. Es gab sehr schöne Erfahrungen und Erlebnisse, aber auch schmerzliche.
Es gibt in vielen orthodoxen Ländern eine qualifizierte Minderheit, die ganz massiv gegen jede ökumenische Annäherung auftritt. Der Ökumenismus ist für sie "die größte Häresie des ausgehenden 20 Jahrhunderts". Ich sage immer: In der Ökumene braucht man einen kühlen Kopf, ein brennendes Herz und einen langen Atem.

 

Wie sehen Sie die Zukunft der Ökumene?

Prokschi: Ich glaube, die Chance der Ökumene besteht in persönlichen Freundschaften und Begegnungen. Da wird Ökumene spannend! Nicht unbedingt dann wenn die Hierarchen sich treffen und freundlich, aber unverbindlich einander zuprosten, sondern wie die Menschen vor Ort miteinander leben – das ist Ökumene.

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Mehr zur Ökumene-Kommission:

Die Kommission für ökumenische Fragen der Erzdiözese Wien entstand Anfang der 1970er Jahren als Frucht des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und der Wiener Diözesansynode (1969-1971).

Einer ihrer Leitsätze lautet: "Die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit ist Sache der ganzen Kirche, sowohl der Gläubigen als auch der Hirten, es geht jeden an".

 


Weitere Kontakte

Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich

Severin Schreiber Gasse 3, A-1180 Wien
Tel: +43/1/ 479 15 23-300
E-Mail: oerkoe@kirchen.at

 

Ökumene-Ausschuss des Vikariats Wien-Stadt der Erzdiözese Wien

Wollzeile 2, A-1010 Wien

Telefon: +43 1 515 52-3438

 

Stiftung Pro Oriente

Hofburg, Marschallstiege II, A-1010 Wien
Tel.: 43/1/533 80 2

E-Mail: office@pro-oriente.at

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Festmonat Dezember: Zwischen Kirschzweigen und Konsumrausch

Advent- der Inbegriff von Spannung zwischen Sehnsucht nach Innerlichkeit und angespannter Betriebsamkeit. Heiligenfeste bieten Kontrapunkte,

mit freundlicher Genehmigung der Rumänisch-Orthodoxen Kirche in Wien

Nikolaus ohne Drohfinger – warum der Heilige mehr kann als Sackerl verteilen

Ein Heiliger, der die Hand reicht – auch anderen Konfessionen und Religionen, wird er doch in der Ostkirche ebenso verehrt wie im Westen.

Papst mahnt: Synodaler Weg braucht mehr innerdeutschen Dialog

Papst Leo XIV. sieht den Reformprozess der deutschen Kirche noch nicht am Ziel. Beim Rückflug aus dem Libanon mahnte er mehr innerdeutschen Dialog an – und warnte vor Machtgefällen, die Stimmen vieler Gläubiger zum Verstummen bringen könnten. Vielfalt in der Synodalität sei kein Bruch, sondern Stärke.

Grünwidl: Kirche und Medien teilen Verantwortung für Wahrheit

Kirche und Medien tragen gemeinsam Verantwortung für Wahrheit, betonte der designierte Wiener Erzbischof Josef Grünwidl bei der Adventbegegnung mit ORF-Mitarbeitern.

Bürgermeister Ludwig: Bibelerzählung von Sturm am See „Anleitung für Politiker“

Herausforderungen mit kühlem Kopf zu meistern und die Nerven nicht wegzuschmeißen, könne man von der Bibel lernen, so der Wiener Bürgermeister bei der „Nacht der Stille“ im Stephansdom.

Votivkirche: Palästina-Banner entfernt

Spezialkletterer entfernten palästinensische Fahnen von den Türmen der Votivkirche in Wien. Die Erzdiözese prüft rechtliche Schritte.

Stephansdom: „Herbergssuche“ mit Segnung und Verteilung der Barbara-Zweige

 

Stift Engelszell: Ein Abschied mit Gewicht

Engelszell lebt weiter: Nach dem Ende der Trappistenära übernimmt die Diözese Linz die Verantwortung für das Stift.

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