Nachdem am Dienstag, 12. April am Brenner auf österreichischer Seite die ersten Bauarbeiten für mögliche Grenzkontrollen begonnen haben, üben die heimischen Kirchen heftige Kritik am Kurs der Regierung.
Nachdem am Dienstag, 12. April am Brenner auf österreichischer Seite die ersten Bauarbeiten für mögliche Grenzkontrollen begonnen haben, üben die heimischen Kirchen heftige Kritik am Kurs der Regierung.
Ökumenischer Rat und Südtiroler Bischof gegen neue Grenzkontrollen wegen Flüchtlingen.
Zahlreiche Wortmeldungen und Bedenken gibt es zur Debatte über neue Grenzziehungen zwischen Österreich und Italien wegen der Flüchtlingsströme.
Europa braucht angesichts der aktuellen Flüchtlingsproblematik gemeinsame Lösungen, aber keine neuen Grenzen: Das hat der Südtiroler Bischof Ivo Muser in einer am Mittwoch, 13. April 2016 von der Diözese Bozen-Brixen verbreiteten Erklärung betont.
"Grenzzäune, nationalstaatliche Interessen, die Unterscheidung zwischen uns und den anderen, zwischen Einheimischen und Fremden, schüren Ängste und bauen Barrieren in unseren Köpfen und Herzen auf", warnte Muser darin. Ausdrücklich sprach er die österreichischen Bauarbeiten für neue Grenzkontrollen am Brenner an. Er sorge sich dabei nicht in erster Linie um Nachteile für Wirtschaft und Tourismus, sondern um die geflüchteten Menschen, so der Bischof: "Ihr Schrei nach Hilfe - ihre Flucht ist nichts anderes! - verlangt unser offenes Ohr, unser offenes Herz."
Die Flüchtlingsströme seien "keine Welle für einige Monate, sondern eine Massenbewegung für Jahre", hielt Muser fest und pochte auf einen gesamteuropäischen Ansatz als Reaktion auf diese Entwicklung. "Entweder wir bewältigen diese Herausforderung gemeinsam oder wir scheitern daran", kritisierte Muser ein "Einigeln" einzelner EU-Staaten. Einfache Lösungen für die Flüchtlingsthematik gebe es nicht, für Europa insgesamt sei die Herausforderung in Sachen Flüchtlingshilfe aber "machbar", hob der Südtiroler Bischof hervor.
Die Geflohenen kämen aus Ländern, in denen ein Leben in Frieden und Freiheit nicht möglich sei, erinnerte er und rief zu verstärkter Hilfe in den Krisenregionen vor Ort auf. "Wenn Menschen in ihrer Heimat eine Zukunft erkennen könnten, würden sie sich nicht auf den lebensgefährlichen Weg in Richtung Europa machen", betonte der Bischof.
In Europa selbst gelte es, "sachlich und nüchtern" eine "nachhaltige Flüchtlingshilfe" samt zukunftsfähiger Integrationsmodelle aufzubauen. Muser dankte in diesem Zusammenhang all jenen Verantwortlichen in Kirche, Gesellschaft und Politik, "die besonnen, ohne populistische Sprüche und in der Haltung der Solidarität sich dieser Herausforderung stellen".
Ausdrücklich appellierte der Bischof an die Christen, sich um Menschen in Not zu kümmern. "Eine tragfähige Flüchtlingshilfe ist ein Gebot der Stunde, ein Gebot unseres Glaubens", so Muser. Gelebte Nächstenliebe sei die "Identitätskarte der Christen".
Nachdem am Dienstag, 12. April am Brenner auf österreichischer Seite die ersten Bauarbeiten für mögliche Grenzkontrollen begonnen haben, üben die heimischen Kirchen heftige Kritik am Kurs der Regierung. Der Brenner werde so wieder zum "Symbol der Teilung" Europas, warnte Erich Leitenberger, Pressesprecher des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) im Interview mit Radio Vatikan. Für die Vision eines neuen vereinten Europas, auf der seit Jahrzehnten der Fokus lag, sei das ein großer Rückschlag. Das sogenannte österreichische "Grenzmanagement" am Brenner soll ähnlich jenem in Spielfeld sein und auch einen Zaun beinhalten.
"Wir hoffen auf eine europäische Lösung und endlich mehr Solidarität gegenüber Italien und Griechenland", so Leitenberger wörtlich. Flüchtlinge seien keine Feinde sondern Menschen in Not auf der Suche nach Sicherheit. "Es ist unsere Pflicht, diesen Menschen zu helfen", so der ÖRKÖ-Sprecher wörtlich. Die Entscheidung der Regierung, eine neue Grenze am Brenner zu errichten, sei ein schwerer Fehler.
Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich hatte unlängst in einer Erklärung eine humane Lösung des Flüchtlingsproblems eingefordert, was nur durch mehr Solidarität erreichbar sei. Sonderwege einzelner Staaten oder Staatengruppen führten hingegen in die Irre, warnte der ÖRKÖ. "Es geht nicht an, die EU-Mitgliedsländer im Süden, vor allem Griechenland und Italien, mit der Belastung allein zu lassen. Das Projekt Europa steht und fällt damit, dass die Probleme im Miteinander aller Betroffenen gelöst werden", heißt es wörtlich in der Erklärung.
Kritik gibt es auch von der italienischen Seite. Für den Generaldirektor der Stiftung Migrantes der italienischen Bischofskonferenz, Giancarlo Perego, wäre "die Brenner-Schließung eine gravierende Wunde für die EU und die europäische Solidarität. "Das wäre eine weitere falsche Antwort auf das dramatische Problem der Flüchtlinge. Dieser Beschluss widerspricht der Botschaft, die der Papst mit seinem Besuch auf Lesbos am Samstag geben will", so Perego.
Von Seiten der italienischen Politik hagelt es seit Dienstag massive Kritik an Österreich. So erklärte beispielsweise der italienische Premier Matteo Renzi: "Wir akzeptieren keine Stellungnahmen gegen die europäischen Spielregeln". Italien sei wegen eines Zuwachses der Migrantenströme über das Mittelmeer nicht besorgt. Es bestünden keine Anzeichen, dass es zu einem unkontrollierten Flüchtlingsstrom in Richtung Österreich komme, wie es die Regierung in Wien befürchte, sagte Renzi.
Als "unerklärlich und ungerechtfertigt" bezeichnete der italienische Innenminister Angelino Alfano Österreichs Beschluss, einen Grenzzaun am Brenner zu errichten. Alfano richtete gemeinsam mit Außenminister Paolo Gentiloni einen Brief an den für Inneres und Migration zuständigen EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos. Darin fordern sie ein sofortiges Eingreifen der EU-Kommission "zum Schutz der fundamentalen Werte der Union" ein. Die Kommission solle "dringend prüfen", ob die geplanten Maßnahmen Österreichs mit dem Schengen-Abkommen im Einklang seien, schrieben die beiden Minister.