Melanie Wolfers „Die tief in uns liegende Sehnsucht ist eine Kraft, die uns ausrichtet auf ein erfülltes Leben.“
Melanie Wolfers „Die tief in uns liegende Sehnsucht ist eine Kraft, die uns ausrichtet auf ein erfülltes Leben.“
Wie mit jedem Neuanfang verbinden wir auch mit dem neuen Jahr Hoffnungen und Erwartungen. Das Ungewisse kann aber auch Angst machen, denn wir Menschen suchen meist nach Sicherheit.
Die Bestsellerautorin, Seelsorgerin und Ordensfrau Melanie Wolfers macht uns Mut für das neue Jahr und für unser Leben.
Die Angst davor, etwas falsch zu machen oder verletzt zu werden, hindert uns oft daran, Neues zu wagen.
In ihrem neuen Buch „Trau dich, es ist dein Leben. Die Kunst, mutig zu sein“ geht Melanie Wolfers der Angst auf den Grund, erforscht das menschliche Sicherheitsstreben und zeigt, wie wir unser Leben mutig anpacken können.
Mit guten Vorsätzen starten viele von uns in das neue Jahr – und werden dann doch mutlos. Was raten Sie uns?
Nicht dem „Neujahrssyndrom“ zu verfallen. Das meint, sich nicht zehn Dinge vorzunehmen, die man beginnen oder ändern will, denn das klappt nicht und produziert in der Folge nur Frust.
Vielmehr ist es hilfreich, sich eine Sache vorzunehmen – und diese dann in Gottes Namen mit liebender Konsequenz umzusetzen.
In Ihrem Buch „Trau dich, es ist dein Leben“ geht es nicht um große Heldentaten, sondern um Mut als Lebenshaltung. Wie kann das aussehen?
Mut setzt im ganz Alltäglichen an. Wage ich es, etwas Schwieriges anzusprechen, auch wenn ich weiß, dadurch könnte ein Konflikt entstehen.
Jemandem seine Liebe zu gestehen, eine weitreichende Entscheidung zu treffen – all das sind Situationen, in denen wir mutig sind.
Denn ob die Entscheidung aufgeht wie erhofft oder eine andere Wendung nimmt, ob die Liebe, die ich jemandem gestehe, auf ein Echo trifft oder im Leeren verhallt, all das entzieht sich meiner Kontrolle und ist ein Geschehen mit offenem Ausgang.
Deswegen braucht es in diesen Situationen Mut. Und dieser Mut öffnet uns die Tür zum Leben, eröffnet uns eine intensivere Beziehung mit anderen und, dass wir eine Entscheidung treffen und in einer stimmigen Form hier und heute leben.
Am Mutigsein hindert uns häufig unser Sicherheitsdenken. Warum streben wir so sehr nach Sicherheit?
Das Leben meint es nicht immer gut mit uns. Wir sind verwundbar und schulden es unser Selbstachtung und Verletzbarkeit, dass wir uns schützen und nicht nackt den rauhen Stürmen des Lebens aussetzen. Denn so könnten wir nicht überleben.
Wir schulden es auch den Menschen, die uns anvertraut sind, dass wir uns für sie einsetzen und sie schützen. Das Streben nach Sicherheit steht dem Mut nicht entgegen, es ist ein wichtiges Element unseres Lebens.
Ein Problem besteht dann, wenn das Streben nach Sicherheit zu dominant wird – ob auf gesellschaftlicher Ebene oder im persönlichen Bereich. Wo so ein Streben nach größtmöglicher Sicherheit, ja am besten nach Unverwundbarkeit um sich greift, da verhindert es im persönlichen Bereich Wachstum und Entfaltung.
Ein Beispiel: Wenn ich in Beziehungen immer einen Schutzpanzer anlege, um mich vor Verwundungen zu schützen, dann bin ich nicht so leicht angreifbar, aber auch nicht so leicht berührbar. Ich werde mit einer Ritterrüstung keine Zärtlichkeit spüren.
Oder wenn ich den „Angstriegel“ immer heruntergeklappt habe, wird mich das auf Dauer sehr, sehr einsam machen. Das ist ein armes Leben.
Es geht darum, sich einerseits genügend gut zu schützen, aber andererseits zu sehen: Allein der Mut, auf der Bildfläche des Lebens aufzutauchen, mich emotional berührbar zu machen, mich auf Ungewisses einzulassen, allein dieser Mut ermöglicht ein Leben, das seinen Namen verdient.
Mut brauchen wir auch, um Entscheidungen zu treffen. Dafür geben Sie uns in Ihrem Buch Tipps.
Ich möchte hier drei Punkte nennen:
Wer gut um seine Gaben und Grenzen weiß, kann gut mit seinen Kräften haushalten und weiß, wo sein Leben fruchtbar werden kann. Die eigene Sehnsucht ist die tiefliegende Motivationskraft und orientierende Kraft – wie ein inneres Navigationssystem.
Spirituell gesprochen, dürfen wir darauf vertrauen, dass sich in dieser Sehnsucht Gottes Geist zu Wort meldet. Augustinus sagt einmal: Die Sehnsucht ist das Beten des heiligen Geistes in uns. Diese tief in uns liegende Sehnsucht ist eine Kraft, die uns ausrichtet in Richtung erfülltes Leben.
Das dritte ist, den Blick für die äußere Realität aufzumachen. In all diesen drei Dimensionen von Gaben, Grenzen, Sehnsucht und äußerer Realität kommt mir, christlich gesprochen, etwas von der Stimme Gottes entgegen und dafür gilt es hellhörig zu werden.
Das Wort „Mut“ begegnet uns auch in der Werbung, politische Parteien gegensätzlicher Ausrichtung – wie in Deutschland die Grünen und die AfD - heften es sich auf ihre Fahnen. Was hat es mit dem Mut auf sich?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Angst immer mehr das private und öffentliche Leben bestimmt – bis dahin, dass mit Angst auch Politik gemacht wird.
Angst hält viele Menschen davon ab, ihr Leben mit beiden Händen zu ergreifen, gleichzeitig haben sie es satt, ihr Leben immer nur mit Vorbehalt zu leben. Sie wollen mutig leben, beherzt leben.
Mut übt eine universale Anziehungskraft aus. Deswegen bietet sich dieses Wort und alles, was damit emotional verbunden wird, extrem gut als Werbeslogan an.
Ich glaube, dass wir in unserer Gesellschaft und in unserer weltpolitischen Situation auch wirklich Mut brauchen, den Mut, eigene Ressourcen zum Gemeinwohl zur Verfügung zu stellen, für Menschen in unserer Nachbarschaft und dafür, dass Demokratie und die Achtung der Menschenrechte in keiner Weise selbstverständlich sind.
Mut ist für mich ganz klar wertgebunden. Es ist etwas anderes als Tollkühnheit oder blanker Egoismus, der sagt: Ich bin mutig und mach’ mein Ding. Mut braucht ein Gespür für Werte.
Mutig können wir dann sein, wenn wir etwas vor Augen haben, für das wir bereit sind, uns zu riskieren, uns in die Waagschale zu werfen, weil es wertvoll ist.
Vortragstermine:
Über die Kunst, beherzt zu leben, spricht Melanie Wolfers
am Dienstag, 19. Februar, 19-21 Uhr, im Bildungshaus Schloss Großrußbach,
Freitag, 22. Februar, 19-21 Uhr, Bildungszentrum St. Bernhard, Wiener Neustadt
Donnerstag, 28. Februar, 19-21 Uhr, Kardinal-König-Haus, 1130 Wien
Melanie Wolfers
Geboren 1971 in Flensburg.
Studierte Theologie und Philosophie in Freiburg im Breisgau und in München und arbeitete als Hochschulseelsorgerin.
Trat 2004 in Österreich in den Orden der Salvatoriannerinnen ein.
Gründete 2008 IMpulsLEBEN, ein Angebot zu Sinnfindung, spirituellem Leben und sozialem Engagement für junge Erwachsene.
Schreibt Bücher
Buchtipp:
Trau dich, es ist dein Leben.
Die Kunst mutig zu sein
bene! Verlag
ISBN: 978-3-96340-022-3
privat
Leben ist …
Das Wichtigste im Leben ist das Leben selbst. Wer seine tiefliegende Sehnsucht nach Leben aus dem Blick verliert, existiert zwar weiterhin, aber hat aufgehört, wirklich zu leben.
Sonntag ist …
ein Freiheitsimpuls erster Güte. Er erinnert daran, dass der Mensch mehr ist als das, was er leistet und besitzt. Er trägt ein göttliches Gütesiegel auf der Stirn.
Glaube ist ...
dass ich dem Leben Tag für Tag neu die Hand reiche, im Vertrauen darauf, dass Gott mir darin entgegenkommt.
Siehe auch: www.melaniewolfers.de
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