Bischof Glettler bei der Pastoraltagung.
Bischof Glettler bei der Pastoraltagung.
Innsbrucker Bischof bei Pastoraltagung in Salzburg gegen "Ausstieg in abgeschlossene Nischen". „Eine Kirche, die sich nicht mehr schmutzig macht, weil sie sich nicht von den Sorgen und Nöten der Menschen berühren lässt, wäre eine schmutzige Kirche".
Als die "zwei wichtigsten Quellen für ein waches, geistvolles und zeitaufgeschlossenes Christsein" hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler die Heilige Schrift und die Zeitung bezeichnet. Sich auf Bibel und qualitätsvolle Medien als Impulsgeber und Informationsquelle zu stützen biete eine "zweifache Perspektive, Inspiration und Auftrag für ein christliches Leben" - nämlich gegenüber und inmitten der Welt sowie und für sie da zu sein. "Wir sind als Menschen und als Christen immer inmitten drin" in der je aktuellen Gesellschaft mit ihren großartigen Momenten und ihren Schieflagen, so Glettler in einer Predigt bei der am Samstag, 12. Jänner 2019 beendeten Pastoraltagung in Salzburg: "Nur distanziert zu kommentieren geht nicht."
Auch angesichts einer zunehmenden Informationsflut sowie einer Fülle von Likes, Posts und Tweets in den sozialen Medien mit ihren "abgeschlossenen und zunehmend aggressiveren Meinungsbiotopen" gilt laut dem Innsbrucker Bischof: Der "Ausstieg in abgeschlossene Nischen" - auch wenn sie überschaubarer und gemütlicher seien - "verbietet sich für ein jesuanisches Christsein".
Auch die junge Kirche habe sich in der Antike gegenüber dem damaligen Lebensstil nicht in Ghettos zurückgezogen, sondern durch eine "starke soziale Integrationskraft und ein neues, menschennahes Gottesbild" ihre Erfolgsgeschichte begonnen, erinnerte Glettler. Die wachsende christliche Grundüberzeugung habe sich zu einer echten Alternative herausgebildet - im Gegenüber zu der "hedonistisch ausgereizten Gesellschaft" im Alten Rom, zu einer Vielfalt von esoterischen Heilsangeboten und "zu einer auf Effektivität und Attraktivität getrimmten Society, in der sozial Schwache, Kranke und Bedürftige an den Rand gedrängt wurden".
Dasselbe könnte für ein Vis-a-vis zur heutigen Lebensweise gelten, meinte Glettler - als ein "prophetisches Gegenüber zu einer übersättigten Gesellschaft". Die drei wichtigsten Grundausrichtungen dabei seien ein einfacher Lebensstil, "ein Glaube, der zu Herzen geht, weil er nicht auf einem esoterischen Sonderwissen beruht, sondern auf einer Gotteserfahrung von Nähe und Barmherzigkeit", und sozialpolitisch wahrgenommene Verantwortung.
Der Bischof plädierte für eine "sympathische Allianz mit der Welt", für eine Kirche, die sich - nach einem Bild von Papst Franziskus - "verbeulen" lässt vom Sich-Einlassen auf die Welt. "Es ist der Preis für ein wirkliches Involviertsein - für ein Mittendrin-sein ohne Berührungsängste", sagte Glettler. "Eine Kirche, die sich nicht mehr schmutzig macht, weil sie sich nicht von den Sorgen und Nöten der Menschen berühren lässt, wäre eine schmutzige Kirche."
"Die Welt braucht uns - als Dienende, nicht als Besserwisser", wies Glettler hin. Und Christen seien "nicht besser als die Welt, manchmal sogar schlechter - lieblos und unaufrichtig". Laut dem Bischof sind "eine Menge beschämender Vorfälle und kircheninterner Skandale" nicht zu leugnen. Dabei gelte es freilich der Gefahr zu widerstehen, "uns sensationsgierig auf das Versagen von Menschen, von Verantwortungsträgern und Institutionen zu fixieren".
Eine Kirche, die Licht und Salz für die Welt sein wolle, müsse sich auf die Vielfalt der in ihr vorhandenen Berufungen und Charismen stützen, um der heutigen säkularen Vielfalt zu entsprechen. "Wir können als einzelne Gläubige, als Pfarren und kirchliche Gemeinschaften bei größtem Einsatz nicht alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens, alle Milieus und Diskursorte abdecken", so Glettler. Trotzdem bleibe es wichtig, sich als Kirche an den neuen Orten "'auszusetzen', dort, wo man vielleicht nichts zu sagen hat".
Notwendig sei auch eine entschlossene Abkehr von jedweder Form von Vereinsmentalität, erklärte der Bischof. Die Frohe Botschaft sei ein befreiendes Wort für alle Menschen, Jesus sei für alle gekommen und Gott ein Vater aller Menschen. Die Kirche dürfe sich deswegen nicht mit einer mehr oder weniger zufriedenstellenden Betreuung ihrer Mitglieder begnügen. "Ich bin da.für": Dieser Werbeslogan für die jüngste Pfarrgemeinderatswahl ist laut Glettler kennzeichnend für das Wesen von Kirche, die "heilsam eingemischt in die Welt von heute" sein solle.