Jetzt, heute, hier gilt es, die enge Tür der Liebe zu wählen statt den breiten Weg der Bequemlichkeit und des Egoismus.
Jetzt, heute, hier gilt es, die enge Tür der Liebe zu wählen statt den breiten Weg der Bequemlichkeit und des Egoismus.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 22. Sonntag im Jahreskreis, 22. August 2004,
(Lk 13,22-30)
War es eine theoretische Frage? "Werden nur wenige gerettet?" Wollte der Fragesteller von Jesus eine Art Statistik haben? So und soviel Prozent der Menschen kommen in den Himmel, die anderen in die Hölle? Was interessierte den, der mit dieser Frage an Jesus herantrat? Immerhin können wir ihm zu Gute halten, dass ihn die Frage bewegt, wie es nach dem Tod weitergeht. Es ist ihm nicht gleichgültig, und er weiß, dass es nicht selbstverständlich ist, in den Himmel zu kommen, also für ewig gerettet zu werden und nicht für immer verloren zu gehen.
Die Frage nach dem ewigen Heil hat die Menschen früherer Jahrhunderte zutiefst bewegt. Ist sie heute verblasst? Ganz verdrängen können auch wir sie nicht. Spätestens wenn wir älter werden, stellt sich die Frage unausweichlich: Was habe ich mit meinem Leben gemacht? Was erwartet mich nach meinem Tod?
Wie so oft antwortet Jesus nicht direkt auf die ihm gestellte Frage. Entscheidend ist nicht, ob du theoretisch weißt, ob viele oder wenige in den Himmel kommen. Viel wichtiger ist, dass du das Deine tust, um selber aus Ziel zu gelangen. Du selber musst "mit allen Kräften" versuchen, "durch die enge Tür zu gelangen".
Es ist also eine enge Tür, durch die ich hindurch kommen muss. Es ist kein gemütlicher Spazierweg, keine breite Straße, durch die ich in den Himmel gelange. Sind es also doch nur wenige, die es schaffen? Jesus verweigert die Statistik. Er spricht mich an, mich persönlich. Es ist nicht die Frage, wie viele andere durch die enge Tür durchfinden. Du selber sollst alles daran setzen, dass dein Lebensweg aus Ziel gelangt.
Wo steht diese enge Tür? Nicht erst an meinem Lebensende, wenn ich durch das Nadelöhr der Todesstunde hindurch muss. Die enge Tür steht mitten in meinem Leben. Ich kann immer an ihr vorbei oder durch sie hindurch gehen. Jede kleine Geste der Aufmerksamkeit, jedes gute Wort, jeder Schritt der Selbstüberwindung, um nicht meiner Lust und Laune nachzugeben, sondern auf jemanden zuzugehen, der mich braucht, ist bereits ein Schritt durch die enge Tür. Jedes Mal wenn ich nicht zurückschlage, wenn mich ein ungerechter Schlag trifft, jedes "Ja" zu einem Kreuz, das ich zu tragen habe, ist schon ein Stück Durchgang durch das kleine Tor, das zum glücklichen Leben führt.
Und wie so oft verdeutlicht Jesus das Gemeinte durch ein Gleichnis. Wenn du erst in der Todesstunde an dir zu arbeiten beginnst (und die kann plötzlich kommen), ist es zu spät. Dann sagt Jesus: "Ich kenne dich nicht!" Jetzt, heute, hier gilt es, die enge Tür der Liebe zu wählen statt den breiten Weg der Bequemlichkeit und des Egoismus.
Und was, wenn ich mit Erschrecken feststelle, dass ich bisher viel zu sehr den breiten Weg gewählt habe? Zum Aufwachen ist es noch nicht zu spät. Noch kann ich Gutes tun, und wenn es nur ganz kleine Dinge sind. Jesus wird sie sehen und mir mit viel Liebe und Geduld durch die enge Tür helfen!
Auf seinem Weg nach Jerusalem zog er von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und lehrte.
Da fragte ihn einer: Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?
Er sagte zu ihnen: Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen.
Wenn der Herr des Hauses aufsteht und die Tür verschließt, dann steht ihr draußen, klopft an die Tür und ruft: Herr, mach uns auf! Er aber wird euch antworten: Ich weiß nicht, woher ihr seid. Dann werdet ihr sagen: Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken und du hast auf unseren Straßen gelehrt.
Er aber wird erwidern: Ich sage euch, ich weiß nicht, woher ihr seid. Weg von mir, ihr habt alle Unrecht getan! Da werdet ihr heulen und mit den Zähnen knirschen, wenn ihr seht, dass Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes sind, ihr selbst aber ausgeschlossen seid. Und man wird von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen.
Dann werden manche von den Letzten die Ersten sein und manche von den Ersten die Letzten.