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12.09.2004

Ansteckende Freude

Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren.

Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn

zum 24. Sonntag im Jahreskreis, 12. September 2004,

(Lk 15,1-32)

Erstaunlich ist dieses "alle" gleich am Anfang. Übertreibt Lukas, der so genau berichtende Evangelist, wenn er sagt, "alle" Zöllner und Sünder hätten damals die Nähe Jesu gesucht, um ihn zu hören? Sicher hat es verwundert, dass gerade jene Menschen sich zu Jesus hingezogen fühlten, die von den "Gerechten" verachtet wurden. Und es müssen viele gewesen sein, die vielen am Rand, in schwierigen Lebenssituationen, deren Leben nicht "in Ordnung" war, die mit dem Leben nicht fertig wurden. Was zog sie an Jesus an? Warum wollten gerade sie ihn hören, während "die Frommen" sich darüber aufregten, dass Jesus sich mit solchen Leuten einlässt, ja sich mit ihnen an einen Tisch setzt. Das gemeinsame Essen war damals mehr als nur ein gesellschaftliches Miteinander, es hatte tiefe religiöse Bedeutung. Tischgemeinschaft war Glaubensgemeinschaft. Miteinander das Brot brechen hieß auch, miteinander den Glauben teilen. Wenn Jesus sich mit "Sündern" zum Mahl zusammensetzt, sagt er ihnen: Gott hat euch verziehen, Er nimmt euch auf, ihr seid mit Ihm versöhnt.

 

Jesus antwortet seinen Kritikern mit den beiden Gleichnissen vom verlorenen Schaf und der verlorenen Münze, vor allem aber mit dem nachfolgenden Gleichnis vom verlorenen Sohn.

 

Ich muss dabei immer an den Pfarrer meiner Kinderzeit denken, den wir alle sehr geliebt haben. Er war die Güte ihn Person. Manche Frommen fanden, er sei zu gut, er gehe zu weit. Dass er auch den verrufenen Nachtlokalbesitzer besuchte, dass er auch an der Haustür derer, die einen "fragwürdigen Lebenswandel" hatten, nicht vorbeiging, hat mich als Jugendlicher sehr beeindruckt. Als er ganz plötzlich noch sehr jung (mit 54 Jahren) verstarb, war bei allen große Trauer.

 

Was war sein Geheimnis? Was ist das Geheimnis Jesu? Das Gleichnis sagt es: Keiner ist ihm egal. Wie der Hirte geht er dem "verlorenen Schaf" so lange nach, bis er es findet und heimbringen kann. Auch wenn die kleine verlorene Kupfermünze nicht viel wert ist, die Hausfrau sucht, bis sie sie findet.

 

Aber ist es nicht zu riskant, die 99 anderen Schafe zu verlassen, nur wegen eines einzelnen? Stimmen da die Maße noch? Sind die 99 nicht viel wichtiger als das eine, das sich vielleicht aus eigener Schuld verirrt hat? Hätte es besser aufgepasst, wäre es nicht auf Irrwege gegangen. Wie kommen die anderen dazu, für das eine Verlorene zu büßen?

 

Jesus meint es nicht spöttisch, wenn er sagt, die 99 Gerechten brauchen nicht umzukehren. Es ist ja schön, erfreulich und gut, auf dem rechten Weg zu sein, und Jesus kritisiert sicher nicht die, die ehrlich fromm und geraden Herzens sind. Aber er will, dass die "Frommen" sich freuen über jeden, der "heimfindet". Kein Wort ist stark genug, um das auszudrücken: Mehr Freude herrscht im Himmel, bei den Engeln, bei Gott selber, über einen Menschen, der zu Gott zurückfindet, als über alle anderen, die die Rückkehr nicht nötig haben. Wenn ich von dieser Freude höre, dann muss ich immer an das fröhliche, strahlende Gesicht meines Heimatpfarrers denken. Und seine Freude war einfach ansteckend.

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Evangelium für den 24. Sonntag im Jahreskreis, 12.9.2004, (Lk 15,1-32)

Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen.

 

Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte: Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war.

 

Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren. Oder wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das ganze Haus und sucht unermüdlich, bis sie das Geldstück findet? Und wenn sie es gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir; ich habe die Drachme wiedergefunden, die ich verloren hatte. Ich sage euch: Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.

 

Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf. Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land und es ging ihm sehr schlecht. Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner. Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an. Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern. Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.

 

Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.

 

 


 

 

Weiterführende Informationen:

 

  • Mehr Informationen über Kardinal Schönborn.
  • Mehr Texte über die Heilige Schrift.

 

 

Fragen an Kardinal Schönborn?

 

  • per Video auf www.fragdenkardinal.at
  • an sein Sekretariat.

 

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