Kurzum: wir sind mit Leib und Seele mit dem All verbunden, mit allem und mit allen. Keiner ist eine einsame Insel.
Kurzum: wir sind mit Leib und Seele mit dem All verbunden, mit allem und mit allen. Keiner ist eine einsame Insel.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 5. Sonntag der Osterzeit, 14. Mai 2006,
(Joh 15,1-8)
Weinstock und Rebzweige: ein vertrautes Bild. Im Winter waren die Weinstöcke wie tot. Die Rebzweige bis aufs Äußerste zurückgestutzt, der Rest verdorrt, verbrannt oder verrottet. Jetzt treiben sie wieder aus, und in einigen Monaten werden wir das Wunder des neuen Weins erleben.
Jesus und seine Jünger kennen den Weinbau. Er ist bei ihnen seit Urzeiten zu Hause. So kann Er das Bild vom Weinstock und den Rebzweigen verwenden, um ihnen (und uns) ganz Wichtiges zu sagen, Wunderschönes und Schmerzliches.
Zuerst der Winzer: Jesus nennt ihn „mein Vater". Er meint den, den wir „unser Vater" nennen dürfen. Zum Geschäft des Winzers gehört das Schneiden. Wenn die Rebzweige richtig austreiben, muss er sie kräftig stutzen. Die jungen Reben schießen ins Kraut, werden unfruchtbarer Wildwuchs, saugen viel Saft und bringen nichts. Es wirkt grausam, hart, dem Winzer beim Schneiden zuzusehen. Aber nur so gibt es gute Frucht.
Wo ist Gott Winzer in meinem Leben? Wo schneidet er scheinbar herzlos hinein? Stutzt weg, was wie blühendes Leben aussieht? Wenn ich doch manches Schwere so annehmen könnte: Du stutzt mich zurecht, nicht weil Du mir übel willst, sondern damit ich einmal eine gute Ernte meines Lebens einbringen kann! Du reinigst mich, damit ich „mehr Frucht bringe"!
Zweites Bild: Jesus ist der Weinstock, wir die Rebzweige. Eine engere Verbindung gibt es nicht. Sie ist für die Zweige lebensnotwendig. Aus sich bringt kein Rebzweig Trauben. Losgelöst vom Weinstock ist er bestenfalls zum Anheizen gut.
Kein Mensch lebt „unverbunden". Wir haben alle unsere Wurzeln: die Eltern, die Familie, leibliche „Blutsverwandtschaft" und seelische Verbindungen mit Freunden und Geistesverwandten. Ohne solche Verbindungen kann keiner leben. Die Wurzeln reichen tiefer, weit hinein ins Tier- und Pflanzenreich. Durch die moderne Wissenschaft wissen wir mehr, wie stark unsere Gemeinsamkeiten mit allen Lebewesen sind. Wir sind Teil der Natur, das Leben hat überall dieselben Bausteine und Baupläne.
Selbst die unbelebte Natur der Chemie und Physik, der Moleküle und Atome ist uns nicht fremd. Wir tragen in uns dieselben Atome, die auch die gigantischen Weiten des Universums bilden. Kurzum: wir sind mit Leib und Seele mit dem All verbunden, mit allem und mit allen. Keiner ist eine einsame Insel.
Das wäre aber alles zu wenig, wenn es nicht auch die Verbindung „nach oben" gäbe. Wir sind nicht nur von dieser Welt. Selbst wenn wir nicht daran denken, ist die Beziehung zu unserem Schöpfer da. Sie ist es, die uns trägt. Er gibt Sein und Leben. Diesem Quell verdanken wir alles, uns selber und die ganze Welt.
Jesus sagt uns, dass wir daran denken sollen: „Bleibt in mir, und ich bleibe in euch." Sein Wort ist nüchtern und wahr: „Ohne mich könnt ihr nichts tun." Wir tun viel ohne Ihn. Aber was kommt dabei heraus? „Nichts", sagt Jesus. Ohne die lebendige Verbindung mit Ihm läuft alles leer. Mit ihm erst gibt es „reiche Frucht", guten Wein!
Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer.
Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab, und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt.
Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe. Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.
Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen, und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen.
Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten.
Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.