Tut das Nahe liegende! Tut das, was eigentlich normal und selbstverständlich sein sollte!
Tut das Nahe liegende! Tut das, was eigentlich normal und selbstverständlich sein sollte!
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 3. Adventsonntag, 17. Dezember 2006
(Lk 3,10-18)
Keine Spur von lieblichen Adventstönen. Statt dessen eine Bußpredigt, die sich "gewaschen" hat: "Ihr Schlangenbrut! Wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt?" Wer würde sich heute trauen, so zu predigen? Johannes der Täufer zieht trotzdem Scharen von Menschen an. Seine Worte sind unerbittlich. Sie rütteln auf. Sie erschüttern. Und immer mehr Menschen kommen.
"Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen," so ruft er den Leuten zu, er, der sich selber als "Stimme des Rufers in der Wüste" bezeichnet.
Was haben wir nur aus dem Advent gemacht? Punsch und Rührseligkeit! Und viel Geschäft! Was wohl der Täufer Johannes heute auf unseren Weihnachtsmärkten rufen würde? Was würden wir zu hören bekommen? Eines ist sicher: Auch heute beginnen immer mehr Menschen die Frage zu stellen, die damals die Leute dem Johannes stellten, aufgewühlt und erschüttert von seinem Bußruf: "Was sollen wir also tun?"
Und nun geschieht etwas höchst Überraschendes. Johannes verlangt als Zeichen der Buße und Umkehr keine außergewöhnlichen Dinge, keine großen spektakulären Bekehrungen. Er sagt den Menschen ganz schlicht und einfach: Tut das Nahe liegende! Tut das, was eigentlich normal und selbstverständlich sein sollte!
Das beste und schlichteste: Teilt! Ihr habt mehr als das Notwendige, also gebt denen, die das Notwendige nicht haben! So einfach. Jeder, der teilt weiß, dass es gut tut. Ihm selber und den anderen. Advent und Weihnachten: Zeit zum Teilen. Zum Schenken. Nicht Unnötiges denen, die schon genug Unnötiges haben. Nicht um anzuhäufen, sondern um wirklich zu helfen. An Möglichkeit fehlt es nicht. Und auch nicht an Nöten, wo Hilfe dringend gebraucht wird.
"Was sollen wir tun?" fragen nun auch die Zöllner, die Steuereintreiber: "Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist!" Seid ehrlich! Schiebt nicht nebenbei in eure eigene Tasche, was euch nicht zusteht. Ehrliche Beamten sind ein Segen für ein Land. Wehe dem Staat, dessen Beamten korrupt werden. Wie ein Krebsgeschwür zerstört die Bestechung das Gewebe der Gesellschaft. Es beginnt im Kleinen. Kleine Betrügereien, die als Kavaliersdelikt verharmlost werden. Anstand ist kein Luxus. Er ist das Rückrad eines Landes. Wenn es einmal gebrochen ist, gibt es keinen Halt mehr.
"Und was sollen wir tun?" fragen die Soldaten. "Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold." Die "Exekutive" soll ihre Macht nicht missbrauchen, die Schwachen nicht schlechter behandeln als die "Großen". Wie segensreich ist es, wenn wir wirklich sagen können: "Die Polizei, dein Freund und Helfer." Nicht nachgiebig soll sie sein, sondern gerecht. Und die Schwachen beschützen.
Eine heftige Bußpredigt - und dann ganz einfach Bußanweisungen: Güte, Redlichkeit, Gerechtigkeit! Aber sind sie so einfach? Kosten sie nicht oft heftige Selbstüberwindung, Selbstbeherrschung? Neigen wir nicht zum Egoismus, zur Unehrlichkeit und zum Missbrauch unserer Macht? Es gibt so manches Spreu, das noch vom Weizen getrennt werden muss. Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, müssen wir oft erst mühsam bei uns selber erkämpfen. Das sollen wir tun. Im Advent zur Vorbereitung auf das Kommen Christi. Meint der Täufer in der Wüste.
Da fragten ihn die Leute: Was sollen wir also tun?
Er antwortete ihnen: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso. Es kamen auch Zöllner zu ihm, um sich taufen zu lassen, und fragten: Meister, was sollen wir tun? Er sagte zu ihnen: Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist. Auch Soldaten fragten ihn: Was sollen denn wir tun? Und er sagte zu ihnen: Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!
Das Volk war voll Erwartung, und alle überlegten im Stillen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Messias sei.
Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Schon hält er die Schaufel in der Hand, um die Spreu vom Weizen zu trennen und den Weizen in seine Scheune zu bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.
Mit diesen und vielen anderen Worten ermahnte er das Volk in seiner Predigt.