Der christliche Glaube verlangt nicht einen blinden Gehorsam.
Der christliche Glaube verlangt nicht einen blinden Gehorsam.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium für den
Sonntag der Barmherzigkeit,
2. Sonntag der Osterzeit,
Weißer Sonntag,
30. März 2008
(Joh 20,19-31 )
Der christliche Glauben beruht auf Tatsachen. Keine Legenden, keine Märchen stehen am Anfang, sondern Fakten. Nichts gegen Märchen. Sie sind spannend und voller Lebensweisheit. Nichts gegen Legenden. Sie haben oft einen historischen Kern, wie etwa die Nibelungensage, und sie haben meist eine tiefe symbolische Bedeutung.
Die Auferstehung Jesu ist keine Legende, sondern ein Faktum. Sie ist kein frommes Märchen, sondern wirklich geschehene Geschichte. Es gibt Augenzeugen und es gibt unleugbare Spuren. Von den Augenzeugen ist heute die Rede. Sie alle haben erklärt, dass sie Jesus gesehen haben, obwohl er wenige Tage zuvor am Kreuz gestorben war. Sie haben ihn erlebt, wie er plötzlich mitten unter ihnen war, sichtbar, greifbar. Mit den Spuren seiner Kreuzigungswunden, an den Händen, an der Seite der Brust, die ein Soldat mit der Lanze durchbohrt hatte, um sicher zu sein, dass er tot ist.
Manche zweifeln. War das wirklich so? Haben die Apostel sich alles vielleicht nur eingebildet, traurig über den schrecklichen Tod ihres Meisters? Thomas, einer der Apostel, war ein solcher Zweifler. Sein Zweifel hilft uns. Es ist gut, manches kritisch zu hinterfragen. Es ist erlaubt, Fragen zu stellen. Der christliche Glaube verlangt nicht einen blinden Gehorsam. Fragen, um besser zu verstehen. Um Missverständnisse auszuräumen. Wenn Glauben mit Lieben zu tun hat, dann ist klar: der Gaube will tiefer verstehen, klarer kennen, um besser lieben zu können.
Thomas bezweifelt, dass Jesus auferstanden ist. Er weiß: Tote sind tot. Da gibt es nichts zu rütteln. Sie kommen nicht wieder. Warum soll es bei Jesus anders sein. Nur Tatsachen können Thomas von Gegenteil überzeugen. Und er bekommt sie. Jesus zeigt sich auch ihm. Er zeigt ihm die Hände, an denen die Spuren der Nägel zu sehen sind, und die offene, aber geheilte Seitenwunde: Leg deine Hand in meine Seite!
Thomas ist überwältigt. Es Ist kein Traum. Er hat keine Halluzination. Jesus ist da. Lebendig und leibhaftig. Und Thomas bekennt, was alle Christen seither glauben: Mein Herr und mein Gott!
Gut, aber das ist 2.000 Jahre her. Wir haben Jesus nicht gesehen, uns ist er nicht erschienen. Wir können das alles nur glauben. Und das ist manchen zu wenig, weil sie wissen wollen. Nun, wir haben auch Julius Cäsar nicht gesehen, und auch nicht Kaiser Franz Joseph. Es wäre unsinnig, zu bezweifeln, dass sie gelebt haben. Aber sie sind auch nicht auferstanden. Dass Jesus auferstanden ist, entgegen allem "Normalen", das können wir nur denen glauben, die es erlebt haben. Ich nehme an dass sie nicht gelogen haben. Jedermann in Jerusalem hätte sie widerlegen können, wenn Jesu Leiche in seinem Grab gelegen wäre. Das Grab war leer. Seine Anhänger hätten seine Leiche wegschaffen können. Wenn am Anfang ein solcher Schwindel und Betrug gestanden hätte, dann hätten sie sicher nicht den Mut und die Kraft gehabt, überall voll Freude zu erzählen, dass Jesus auferstanden ist. Lügen machen keine Freude. Sie geben nicht die Begeisterung, die wir an den Apostel seit Ostern beobachten.
Der Glaube beruht auf Tatsachen. Nur deshalb kann es das Leben so positiv verändern. Illusionen haben keine Zukunft. Der Glaube hat Zukunft: Der Tod ist nicht das Ende. Das Leben liegt vor uns. Jesus ist auferstanden. Und bleibt bei uns - alle Tage.
Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite.
Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.
Thomas, genannt Didymus - Zwilling -, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott!
Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan.
Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.