Christus ist das Leben, das den Tod überwindet. Er ist nicht im Grab geblieben. Maria ist ihm so verbunden, dass sie schon jetzt mit Leib und Seele bei Ihm ist.
Christus ist das Leben, das den Tod überwindet. Er ist nicht im Grab geblieben. Maria ist ihm so verbunden, dass sie schon jetzt mit Leib und Seele bei Ihm ist.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Hochfest der
Aufnahme Marias in den Himmel,
15. August 2008 (Lk 1,39-56)
Mitten im Sommer ein zusätzlicher Ferientag! Noch dazu ein Freitag, sodass für viele ein extra langes Wochenende herausschaut. Der Grund für den freien Feiertag ist freilich oft schon vergessen. Volksbräuche wie Kräutersegnung knüpfen am „Großen Frauentag“ an. Die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel ist der eigentliche Grund, warum heute ein auch vom Staat anerkanntes kirchliches Fest gefeiert wird. Was ist der Sinn dieses Festes? Was gibt es zu feiern?
Kurz gesagt: Das Leben ist stärker als der Tod! Die Salzburger Festspiele stehen heuer unter dem Motto: „Denn stark wie die Liebe ist der Tod“. Im wunderbaren Hohelied im Alten Testament, diesem langen Liebesgedicht voller Leidenschaft, heißt es aber genau umgekehrt: „Stark wie der Tod ist die Liebe“. Will sagen: stärker als der Tod. Nur die Liebe kann den Tod besiegen.
Genau darum geht es im heutigen Fest. Maria, die Jesus geboren hat, wurde nicht vom Tod eingeholt. Denn sie hat uns das Leben gebracht. Christus ist das Leben, das den Tod überwindet. Er ist nicht im Grab geblieben. Maria ist ihm so verbunden, dass sie schon jetzt mit Leib und Seele bei Ihm ist.
Die Bibel berichtet nicht vom Ende des Lebens der Mutter Jesu. Legenden umgeben ihren Heimgang. Ein Grab Mariens ist nicht bekannt. Es heißt, sie sei nicht mehr im Grab gelegen, als die Apostel kamen. Die Kirche bekennt, dass Christus sie mit Leib und Seele zu sich genommen habe, dorthin, wo unser aller Ziel ist. Die Vorstellung versagt hier. Wir können den Himmel nur ahnen, nicht begreifen. Und im Glauben erhoffen.
Vorstellen können wir uns aber die Szene, die heute im Evangelium steht. Maria, eben erst schwanger geworden, das von Gott geschenkte, nicht von Joseph gezeugte Kind unter dem Herzen. Und Elisabeth, ihre ältere Verwandte, die im sechsten Monat schwanger ist, entgegen allen Erwartungen, da sie unfruchtbar war. Die beiden schwangeren Frauen begegnen einander. Mich berührt diese Szene immer ganz besonders. Was ist es doch für ein wunderbares Geheimnis: das beginnende, wachsende Menschenkind im Schoß seiner Mutter! Immer muss ich daran denken: Jeder Mensch, ausnahmslos, ist so zur Welt gekommen. Alle haben wir das Leben so empfangen.
Und doch: Alles Leben ist sterblich. Viele sterben schon im Mutterschoß, viele deshalb, weil eine Mutter nicht das Ja zu ihrem Kind geschafft hat, weil ihr oft nicht geholfen, sie unter Druck gesetzt wurde oder sich einfach nicht darüber hinausgesehen hat. Und die, die doch zur Welt kommen können, auch sie müssen einmal sterben. Unerbittlich ist das Gesetz des Todes. Jedes Leben kennt auch das Sterben. Also ist der Tod doch stärker? Da kann auch die Liebe dem Tod nicht Einhalt gebieten.
Doch, sie kann es! Sie hat es! Denn Maria hat den geboren, der durch seinen Tod den Tod besiegt hat. Jesus hat der Macht des Todes ein Ende gesetzt. „Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist dein Sieg?“ – so ruft Paulus aus. Die beiden schwangeren Frauen, Maria und Elisabeth, die einander umarmen, sind ein Bild für den Sieg des Lebens über den Tod. Maria singt, voll innerer Kraft, die Freude über diese Gewissheit: „Meine Seele preist die Größe des Herrn … Denn der Mächtige hat Großes an mir getan.“ Das feiern wir heute. Maria schulden wir Dank dafür!
Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig. Und Maria blieb etwa drei Monate bei ihr; dann kehrte sie nach Hause zurück.