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07.09.2008

Was Österreich gut täte!

Wenn dein Nächster dich nicht hören will, dann rede mit ihm im kleinen Kreis, mit zwei, drei Personen, um ihm den Ernst der Sache klarzumachen, aber auch, um „den Sünder“ nicht öffentlich bloßzustellen. Gebt ihm eine Chance, ohne Gesichtsverlust seinen Fehler einzusehen!

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn

zum Evangelium am 23. Sonntag im Jahreskreis,

7. September 2008 (Mt 18,15-20)

Nicht nur in Zeiten des Wahlkampfs lohnt es sich, die Regeln Jesu für den Umgang untereinander zu beherzigen. Wie sähe unser Zusammenleben aus, wenn wir uns wirklich an den Verhaltenskodex hielten, den Jesus seinen Jüngern ans Herz legt! Wie sieht er aus? Oberste Regel: Rede zuerst mit dem Betroffenen selbst! Unter vier Augen! „Zwischen dir und ihm allein“, heißt es wörtlich.

 

Wenn also ein Bruder, eine Schwester, ein Mitchrist, ein Mitmensch „sündigt“, das heißt: sich verfehlt, Gott gegenüber, dir gegenüber, dann rede nicht zuerst mit allen möglichen (und unmöglichen) Leuten darüber. Sprich zuerst mit dem Betroffenen, alleine, ganz persönlich!

 

Meist tun wir genau das Gegenteil! Wir haben den Fehler unseres Nächsten längst zerredet, bis es ihm irgendwie zu Ohren kommt. Warum tun wir das nur? Nüchtern betrachtet hilft es ja niemandem. Es macht die Situation um keinen Deut besser. Im Gegenteil: Viele, die meisten Konflikte im Zusammenleben kommen daher, dass wir nicht den Mut haben, uns an diese einfache menschliche Regel zu halten. Es ist viel leichter, über die Sünden und Fehler des anderen zu tratschen, als ihn persönlich  anzusprechen.

 

Auch den zweiten Schritt, den Jesus vorschlägt, tun wir meist nicht, weil wir schon den ersten versäumt haben: Wenn dein Nächster dich nicht hören will, dann rede mit ihm im kleinen Kreis, mit zwei, drei Personen, um ihm den Ernst der Sache klarzumachen, aber auch, um „den Sünder“ nicht öffentlich bloßzustellen. Gebt ihm eine Chance, ohne Gesichtsverlust seinen Fehler einzusehen!

 

Dazu ist es jedoch längst zu spät, wenn, wie üblich, die Fehler des anderen lang und breit zerredet wurden. Wie viel menschlicher ist da die Regel Jesu! Sie geht immer davon aus: Wie wäre es mir persönlich lieber, wenn ich in diese Lage käme? Sicher wäre ich froh, wenn jemand sich trauen würde, mich ganz vertraulich auf eine Verfehlung anzusprechen, noch ehe groß darüber geredet würde. Und ist es nicht eine schöne Erfahrung, wenn es gelingt, einem Mitmenschen durch ein Vier-Augen-Gespräch aus einer Verwirrung herauszuhelfen?

 

Erst wenn das persönliche Gespräch und das Gespräch im kleinsten Kreis nichts erbracht hat, soll es zu einem öffentlichen Abstandnehmen kommen. Was für Jesus der letzte Schritt ist, das ist bei uns meist schon der erste. Wie aber soll der Einzelne, der sich verfehlt hat, sein Leben bessern können, wenn er gleich am öffentlichen Pranger steht? Jesu Regel ist nicht nur sehr human, sie ist auch viel erfolgreicher. Es ist viel barmherziger, Fehler persönlich mit dem Betroffenen zu besprechen, als über sie mit anderen zu reden. Und wünschen wir uns nicht alle mehr Barmherzigkeit?

 

Aus solcher gelebten Mitmenschlichkeit folgt aber auch die andere Regel, die Jesus uns heute gibt: Tut euch zusammen, um Gott gemeinsam um seine Hilfe  zu bitten! Wenn wir gemeinsam beten, ist unser Gebet einfach stärker. Jesus nennt dafür den Grund: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“. Christus ist nahe, wenn wir einander in seinem Namen nahe sind. Darum ist es so wichtig, dass wir den Geist des Miteinander pflegen. Und das geht nur, wenn wir einander nicht vor den anderen „vernadern“.

 

Darf ich in dieser Zeit des Wahlkampfs im Sinn des heutigen Evangeliums eine Bitte aussprechen? Jesus hat versprochen, dass Gott unser Vater die gemeinsame Bitte von zweien erhören wird. Um wie viel mehr die gemeinsame Bitte von vielen. Im Wahlkampf wird gekämpft, um jede Stimme. Das ist verständlich. Noch wichtiger ist aber, dass wir gut miteinander leben, auch in Zukunft. Wäre es nicht schön und sinnvoll, wenn viele in diesen Tagen gemeinsam für Österreich um Gottes Hilfe und Segen beten würden? Es täte unserem Land gut!

 

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Evangelium für den 23. Sonntag im Jahreskreis, 7.9.2008, (Mt 18,15-20)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.

 

Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden.

 

Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde.

 

Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.

 

Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.

 

Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

 


 

Weiterführende Informationen:

 

  • Mehr Informationen über Kardinal Schönborn.
  • Mehr Texte über die Heilige Schrift.

 

 

Fragen an Kardinal Schönborn?

 

  • per Video auf www.fragdenkardinal.at
  • an sein Sekretariat.

 

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