Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Fest der Taufe des Herrn,
10. Januar 2010 (Lk 3,15-16.21-22)
Zusammen mit dem ganzen Volk ließ auch Jesus sich taufen, so berichtet der Evangelist Lukas im heutigen Abschnitt seines Evangeliums. Mich erschüttert dieser Gedanke. Ich versuche, mir die Szene vorzustellen: Lange Menschenschlangen, die geduldig darauf warten, von Johannes im Jordan getauft zu werden. Unerkannt, noch ganz unbekannt, mitten in dieser Menge, stellt sich Jesus an, um sich taufen zu lassen.
Keiner ist da, der sagt: Hoher Herr, kommen Sie nach vorne, Sie müssen sich doch nicht anstellen wie die gewöhnlichen Leute! Sie sind doch etwas ganz besonderes. Sie sind doch der Sohn Gottes persönlich! Sie werden doch nicht da lang warten müssen! Wichtige Leute werden ja immer vorgezogen, werden bevorzugt behandelt, kommen gleich dran …
Nein, niemand bietet das Jesus an. Aber auch er selber drängt sich nicht vor. Er beansprucht für sich keine Sonderbehandlung. Er erwartet nicht, dass alle zur Seite rücken und ihn vorlassen. Obwohl er doch „der oberste Chef“ ist, ganz ohne Zweifel.
Was für eine erschütternde Lehre für uns, für mich! Wie oft pochen wir auf unsere Vorrechte, fordern Privilegien, wollen bevorzugt behandelt werden! Gott macht es anders. Als Er Mensch wurde, hat Er das ernst gemeint: nicht als Halbgott in Menschengestalt, nicht als Kaiser oder König, als Star oder Machthaber, sondern wirklich als einer von uns ist Er gekommen. Und hat so unter uns gelebt.
Für mich ist dieses „zusammen mit dem ganzen Volk“ eine gewaltige Ansage: Jesus will nicht abgesondert vom Volk in der „Sonderklasse“ leben (und sterben). Er kam wirklich ganz zu uns.
Was mich aber noch mehr beeindruckt, ist die Tatsache, dass Jesus sich offensichtlich ganz bewusst mitten unter die Sünder begibt. Zu Johannes kamen die Leute nicht wegen Zahnweh oder um einen tollen Guru zu sehen. Sie kamen, weil Johannes sie mit seinen Worten so aufgerüttelt und erschüttert hatte, dass sie scharenweise zu ihm „beichten“ kamen. Der Ritus der Taufe war ja ein Bußritus. Die Leute bekannten ihre Sünden und Johannes tauchte sie in den Jordan, um sie symbolisch von ihren Sünden reinzuwaschen.
Mitten unter all diesen zerknirschten, bußbereiten Sündern reiht sich Jesus ein. Als wäre er einer von ihnen. Ein armer Sünder wie die Zöllner und Dirnen. Was hat Jesus, der ganz Lautere, in dieser Gesellschaft verloren? Dort gehört er doch nicht hin! Doch! Genau dort ist sein Platz. Genau diesen Platz hat er sich zielbewusst ausgesucht. Den letzten Platz, „zusammen mit dem ganzen Volk“ von armen Sündern, mitten unter ihnen.
Dieser Schritt Jesu ist programmatisch. Er kündigt an, worauf es Jesus ankommt: Nicht nach oben drängen, sondern den letzten Platz suchen. Denn dazu weiß sich Jesus von Gott beauftragt: Zu den Letzten, den Verlorenen zu gehen und ihnen zu sagen: Ihr seid nicht verloren! Ich habe eure Not gesehen, und auch eure Sehnsucht, euer Leben zu ändern.
Und Gott bestätigt diesen Platz und diesen Weg: Ja, genau so, genau darin bist du „mein geliebter Sohn“. Gott wird das auch zu mir sagen, wenn ich endlich vom hohen Roß heruntersteige!
Das Volk war voll Erwartung, und alle überlegten im Stillen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Messias sei.
Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
Zusammen mit dem ganzen Volk ließ auch Jesus sich taufen.
Und während er betete, öffnete sich der Himmel, und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab, und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.