Es gibt keine Sünde, kein Versagen, kein Übel und Elend, das Jesus nicht auf sich genommen hätte, um uns, um mich davon zu befreien!
Es gibt keine Sünde, kein Versagen, kein Übel und Elend, das Jesus nicht auf sich genommen hätte, um uns, um mich davon zu befreien!
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 2. Sonntag im Jahreskreis,
16. Jänner 2011 (Joh 1,29-34)
„Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinweg nimmt.“ Wer die Heilige Messe kennt, ist mit diesen Worten vertraut. Der Priester spricht sie, indem er die Hostie den Gläubigen zeigt, ehe die Kommunion gespendet wird. Ich frage mich oft, wenn ich selber diese Worte spreche: Verstehst du, was du da sagst? Und verstehen es die Menschen, die du mit diesen rätselhaften Worten ansprichst?
Und gelegentlich kommt mir die weitere Frage: Haben die Leute damals verstanden, was Johannes der Täufer meinte, als er zum ersten Mal diesen Ausdruck gebrauchte, als Jesus zu ihm zur Taufe kam? Verstehe ich es? Verstehen wir es? Verstanden sie es damals?
Manchmal habe ich aber den Eindruck: Doch, es gibt Menschen, die dieses Wort ganz tief erfasst, oder sagen wir besser: erspürt haben. Ich glaube, Mozart war ein solcher Mensch. Vor kurzem durfte ich seine „Krönungsmesse“ erleben, ausgezeichnet aufgeführt vom Kirchenchor der kleinen Gemeinde Grimmenstein (so etwas gibt es nur in Österreich: dass ein dörflicher Kirchenchor mit einigen Musikern und eigenen Solisten eine so schöne Aufführung der Krönungsmesse zustande bringt! Ein Grund mehr, auf unser Land ein wenig stolz zu sein!)
Das „Agnus Dei“ in Mozarts Krönungsmesse gehört für mich zu den tiefsten und schönsten Auslegungen unseres geheimnisvollen Wortes. Mozart muss diese Worte ganz innig erlebt haben, als trostvolle Wahrheit, als etwas Wirkliches, Zuverlässiges, das Leben Tragendes.
Was also bedeuten diese Worte? Was konnten die Menschen damals daraus entnehmen? Und was wir heute? Das Bild vom Lamm erweckte damals vor allem eine Erinnerung, die im jüdischen Volk bis heute lebendig ist: das Osterlamm! Als die Juden aus der ägyptischen Knechtschaft befreit wurden, das aßen sie eilig ein Lamm pro Hausgemeinschaft und bestrichen die Türpfosten ihres Hauses mit dem frischen Blut des Lammes. So wurden ihre Häuser verschont, als in dieser Nacht der Todesengel die Ägypter heimsuchte.
Ein schwaches Lamm rettet! Sein Blut erlöst von Gefahr und Tod! Johannes der Täufer nennt Jesus „das Lamm Gottes“. Der Sohn Gottes ist nicht mit Macht und Gewalt gekommen, sondern wehrlos wie ein Lamm. Er ist gekommen, um uns Menschen zu befreien, nicht mit Waffengewalt, nicht mit wirtschaftlicher Macht, sondern mit seinem eigenen Blut. Er „nimmt hinweg die Sünde der Welt“ durch seine Liebe. Nur sie stellt er allem Hass und Streit entgegen. „Er hat mich geliebt und sich für mich hingegeben“, wird Paulus sagen, nachdem er Jesus begegnet war.
Was also sagen diese geheimnisvollen Worte, die in jeder Messe gesprochen werden? Es gibt keine Sünde, kein Versagen, kein Übel und Elend, das Jesus nicht auf sich genommen hätte, um uns, um mich davon zu befreien! Was für ein Trost! Welche Hoffnung!
In jener Zeit sah Johannes der Täufer Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.
Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, um Israel mit ihm bekannt zu machen.
Und Johannes bezeugte: Ich sah. dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft.
Das habe ich gesehen. und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes.