Gottes Großzügigkeit überschreitet unsere engen Grenzen.
Gottes Großzügigkeit überschreitet unsere engen Grenzen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 18. Sonntag im Jahreskreis,
31. Juli 2011 (Mt 14, 13-21)
Vieles bewegt mich an diesem heutigen Evangelium. Zuerst und am Auffallendsten das große Wunder der Brotvermehrung. Man muss es nüchtern und realistisch nehmen: mit fünf Broten und zwei Fischen sättigt Jesus „5.000 Männer, die an dem Mahl teilnahmen, dazu noch Frauen und Kinder“. Die Reste füllen ganze zwölf Körbe. Der Eindruck muss gewaltig gewesen sein. Der Apostel Johannes berichtet, dass die Leute drauf und dran waren, Jesus zum König zu erklären.
Unglaublich gewiss! Aber ist es auch glaubwürdig? Manche meinen, das Wunder habe darin bestanden, dass Jesus so herzbewegend über das Teilen und die Nächstenliebe gepredigt habe, dass alle ihre Jausenpackerln mit den anderen geteilt hätten – und so seien alle satt geworden.
Diese Umdeutung des Wunders können nur Menschen erfinden, die im Wohlstand leben, wo jeder leicht zu seinem Lunchpaket kommt. Damals, zur Zeit Jesu, war Hunger bei vielen der tägliche Gast, und nicht umsonst sorgen sich die Jünger, dass die Leute etwas zu essen bekommen. Wie armselig es damals zuging, sehen wir an der Tatsache, dass Jesus und seine zwölf Apostel nur fünf Brote und ein bisschen Fisch als ganzen Proviant mithaben.
Alles spricht dafür, dass es tatsächlich ein überwältigendes Wunder war, das Jasus da vollbrachte und das die Apostel beim Austeilen der Brote sozusagen mit Händen greifen konnten. Da kommt freilich gleich der Einwand: Wenn das Wunder der Brotvermehrung so offensichtlich war, dann müssten doch all die vieltausend Menschen gläubig geworden sein. Sie wurden es aber nicht. Die meisten wandten sich bald enttäuscht von
Jesus ab, weil er nicht ihr Anführer und König wurde. Das zeigt nur eines: kein Wunder kann den Glauben erzwingen! Wunder lösen Staunen aus. Sie lassen sich wissenschaftlich nicht erklären. Aber sie zwingen niemanden zum Glauben. Gläubig sein ist nicht eine Frage der Wunder, sondern des Vertrauens.
Was macht ein Wunder aus? Es gibt viel (bisher) unerklärliche Dinge in der Natur. Wunder sind nicht einfach „seltsame Phänomene“. Sie haben ihre eigene Sprache. Jesu Wunder sagen viel über ihn selbst. Das zeigt sehr schön gerade das heutige Wunder der Brotvermehrung.
Da heißt es zuerst von Jesus: „Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen und heilte die Kranken, die bei ihnen waren“. Jesus macht nie „Schauwunder“. Es geht ihm immer um Menschen in ihren Nöten. Sein Mitleid bewegt ihn, Kranke zu heilen. Sein Mitleid lässt ihn auch die Menschen nicht hungrig weggehen. Und er will, dass seine Jünger die Not der Menschen mit seinen Augen sehen.
Eine letzte Frage: Warum aber dann dieser Überfluss, dieser riesige Überschuss an Brotresten? Ähnlich beim Weinwunder in Kana, wo Jesus gleich sechshundert Liter Wasser in Wein verwandelt. Die Antwort ist wieder die eigene Sprache der Wunder Jesu: Gottes Großzügigkeit überschreitet unsere engen Grenzen. Der viele Wein, das viele Brot deuten schon an, dass das Wunder der Wandlung in der Messe, wenn Brot und Wein Jesu Leib und Blut werden, bis heute fortdauert, unerschöpflich.
In jener Zeit, als Jesus hörte, dass Johannes enthauptet worden war, fuhr er mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein. Aber die Leute in den Städten hörten davon und gingen ihm zu Fuß nach.
Als er ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen und heilte die Kranken, die bei ihnen waren.
Als es Abend wurde, kamen die Jünger zu ihm und sagten: Der Ort ist abgelegen, und es ist spät geworden. Schick doch die Menschen weg, damit sie in die Dörfer gehen und sich etwas zu essen kaufen können.
Jesus antwortete: Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen! Sie sagten sie ihm: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische bei uns. Darauf antwortete er: Bringt sie her! Dann ordnete er an, die Leute sollen sich ins Gras setzen.
Und er nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis, brach die Brote und gab sie den Jüngern; die Jünger aber gaben sie den Leuten, und alle aßen und wurden satt.
Als die Jünger die übrig gebliebenen Brotstücke einsammelten, wurden zwölf Körbe voll. Es waren etwa fünftausend Männer, die an dem Mahl teilnahmen, dazu noch Frauen und Kinder.