Das "Völkermord-Denkmal" von Zizernakaberd in Jerewan, erinnert an den Tod von schätzungsweise bis zu 1,5, Millionen Armeniern vor 100 Jahren.
Das "Völkermord-Denkmal" von Zizernakaberd in Jerewan, erinnert an den Tod von schätzungsweise bis zu 1,5, Millionen Armeniern vor 100 Jahren.
Begleitet wurde Franziskus von Staatspräsident Sargsjan und Katholikos Karekin II.
Am zweiten Tag seiner Armenien-Reise hat Papst Franziskus der Opfer der Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich gedacht. Am Samstag, 25. Juni 2016 besuchte er das "Völkermord-Denkmal" von Zizernakaberd in Jerewan, das an den Tod von schätzungsweise bis zu 1,5, Millionen Armeniern vor 100 Jahren erinnert. Dort legte er vor der ewigen Flamme eine weiße Rose nieder und sprach ein Gebet. Anschließend traf er mit Nachkommen von Opfern zusammen, die von Papst Benedikt XVI. (1914-1922) gerettet und in dessen Sommerresidenz in Castel Gandolfo beherbergt wurden. Begleitet wurde Franziskus vom Oberhaupt der armenisch-apostolischen Kirche Katholikos Karekin II. und Staatspräsident Sersch Sargsjan.
Bereits am Freitag hatte der Papst die Verfolgung der Armenier vor 100 Jahren als "Völkermord" bezeichnet. Abweichend vom Manuskript und ungeachtet der heftigen türkischen Proteste nach der Armenien-Resolution des Bundestages sagte er wörtlich: "Diese Tragödie, dieser Völkermord, eröffnete leider die traurige Liste der entsetzlichen Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts, die von anormalen rassistischen, ideologischen oder religiösen Motivationen ermöglicht wurden, welche den Geist der Menschenkinder so weit verdunkelten, dass sie sich das Ziel setzten, ganze Völker auszurotten."
Im April 2015 hatte der Papst in einer Gedenkmesse für die Armenier erstmals den Begriff "Völkermord" verwendet und damit heftige türkische Proteste ausgelöst. Damals drohte Staatspräsident Erdogan mit den Worten "Der geehrte Papst wird diese Art von Fehler höchstwahrscheinlich nicht wieder begehen". Er wolle ihn dafür "rügen und warnen".
Präsident Sargsjan und Katholikos Karekin II. begleiteten Franziskus zur Gedenkstätte. Ein Besuch des Mahnmals auf einem Hügel am Rande Jerewans ist üblich beim Empfang von Staatsgästen in der Südkaukasusrepublik. Später am Samstag waren eine katholische Messe in der nördlichen Stadt Gjumri sowie ein ökumenisches Friedensgebet vor Zehntausenden Menschen im Zentrum von Jerewan geplant.
Zwischen 1915 und 1918 wurden im damaligen Osmanischen Reich zwischen 300.000 und 1,5 Millionen christliche Armenier, Pontos-Griechen, Assyrer und Aramäer ermordet. Während Historiker vom "ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts" sprechen und der Regierung des damaligen Osmanischen Reichs die Hauptverantwortung zuweisen, räumt die Türkei bislang lediglich ein, dass es Massenvertreibungen und gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben habe. In deren Folge seien hunderttausende Menschen gestorben.
Papst Franziskus hat die Katholiken in Armenien vor zu starker Rückwärtsgewandtheit gewarnt. Sie seien stets in der Gefahr, den Glauben auf etwas aus der Vergangenheit zu reduzieren, als sei er "ein schönes Buch mit Miniaturen, das in einem Museum aufbewahrt werden muss", sagte er am Samstag bei einem Gottesdienst in Gjumri, der zweitgrößten Stadt des Landes. "Wenn aber der Glaube in die Archive der Geschichte eingeschlossen wird, verliert er seine verwandelnde Kraft, seine lebendige Schönheit und seine positive Offenheit allen gegenüber", so der Papst. Der Glaube sei vielmehr "auch die Hoffnung für eure Zukunft". Christliches Leben müsse außer dem Gedächtnis immer auch auf dem lebendigen Glauben und der barmherzigen Liebe gründen. Dies seien die drei Fundamente christlichen Lebens.
Franziskus mahnte vor einigen zehntausend Katholiken zugleich ein stärkeres soziales Engagement an. "Es braucht Menschen guten Willens, die den Brüdern und Schwestern, die sich in Schwierigkeiten befinden, in der Tat und nicht bloß mit Worten helfen." Er forderte "gerechtere Gesellschaften, in denen jeder ein würdiges Leben führen und in erster Linie eine gerecht bezahlte Arbeit haben kann".
In seiner Predigt würdigte Franziskus den armenischen Mönch Gregor von Narek (951-1003) als Vorbild an Barmherzigkeit. Er hatte den Mystiker im vergangenen Jahr zum Kirchenlehrer erhoben. Gregor von Narek sei "ein großer Bote der göttlichen Barmherzigkeit", der die "menschlichen Erbärmlichkeiten immer in Dialog mit der göttlichen Barmherzigkeit gebracht" habe, erklärte er.
Der armenisch-katholischen Kirche gehören nach vatikanischen Angaben 280.000 Gläubige der rund drei Millionen Armenier an. Sie ist eine mit Rom verbundene Kirche, die den Papst anerkennt.
Der Papst war am Freitag zu einem dreitägigen Besuch in Armenien eingetroffen. In seiner Begrüßungsrede bezeichnete er die Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg erneut als "Völkermord". Nach einem Besuch der armenisch-katholischen Kathedrale von Gjumri steht heute Abend ein ökumenisches Friedensgebet in Jerewan auf dem Programm.