Mit Maria beginnt eine neue Geschichte.
Mit Maria beginnt eine neue Geschichte.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zur Lesung zum Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter, 8. Dezember 2010 (Gen 3,9-15.20)
Da steht sie, hoch über dem Christkindelmarkt, auf ihrer Säule, am Platz am Hof im Herzen Wiens. Wer schaut schon hinauf zu ihr, zu Maria, zu ihrem Bildnis aus Bronze, da aufgestellt seit 1647, als Wien in größter Bedrängnis war, in höchster Not? Das bunte Treiben an die vielen Marktständen lässt keine Zeit und keine Gedanken, den Blick zu ihr zu erheben, die da steht, den Mond unter ihren Füssen, einen Kranz von zwölf Sternen um das Haupt. Auch sie scheint sich nicht um das lärmende Gewirr zu ihren Füssen zu kümmern. Sie hat den Blick zum Himmel erhoben, wie entrückt aus den Niederungen der irdischen Welt.
Die Rede ist von der Immaculata Statue am Platz am Hof: Maria, die ohne Makel der Erbsünde empfangene. Heute ist ihr Fest. Heute ist das Fest der „unbefleckten Empfängnis“ Mariens. So weit wie sie da oben den geschäftigen wirbel der Vorweihnachtszeit enthoben zu sein scheint, so fern und fremd wirkt das Thema des heutigen Festes.
Was feiern wir eigentlich am 8. Dezember? Warum soll es ein Feiertag, ein arbeitsfreier Tag sein? Warum war dieser Tag den Menschen in unserem Land einmal so wichtig, dass sie vor 55 Jahren, im Jahr 1955, in der größten Volksabstimmung der 2. Republik, seine Wiedereinführung forderten, was dann auch vom Parlament beschlossen wurde?
Maria, die Mutter Jesu, ist unter allen Heiligen einzigartig. Einzigartig ist auch die Liebe, die ihr entgegengebracht wird, überall auf der Welt, in allen Völkern, und selbst über die Grenzen der Christlichen Religion hinweg. Im Koran wird Maria oft erwähnt, und viele Muslime schätzen sie besonders hoch.
Woher diese Liebe, diese Zuneigung zu der einfachen Frau aus Nazareth? Ich glaube, das heutige Fest gibt dafür den tiefsten Grund an. Maria ist die neue Eva. Nach der Darstellung der Bibel stand am Anfang der Menschengeschichte ein Drama, das seither und bis heute nachwirkt. In Bildern beschreibt die Bibel das Unglück: unsere Stammeltern ließen sich zur Auflehnung gegen Gott verführen. Sie wollten frei und mündig werden, und ernteten Unglück und Tod.
Seit dem Sündenfall ist alles im Menschen verstört: die Harmonie zwischen Leib und Seele ist gestört. Leidenschaften packen den Menschen und schaffen ihm viel Leid. Die Eintracht zwischen den Geschlechtern ist zerbrochen. Sie beschuldigen einander und versuchen, einer über den anderen zu herrschen. Und sie müssen kämpfen, für das Gute und gegen die böse Neigung.
Mit Maria beginnt eine neue Geschichte. Sie ist „ohne Erbsünde empfangen“. Sie setzt dem Kreislauf von Schuld und Leid ein Ende. Maria – Mutter der Lebenden! Zuflucht in allen Nöten! Anfang einer versöhnten Welt! Sie ist nicht fern von uns, entrückt. Sie hat für alle Menschen Platz in ihrem Herzen, weil dort nichts Böses den Raum verstellt. Heute, am Tag ihrer Empfängnis (durch ihre Eltern Joachim und Anna), neun Monate vor ihrer Geburt (8. September), gibt es Grund genug, zu feiern – und Gott für sie zu danken. Zum Beispiel um 16 Uhr am Platz am Hof, bei ihrer Säule in der Marienfeier!
Nachdem Adam von Baum gegessen hatte, rief Gott, der Herr, ihm zu und sprach: Wo bist du?
Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.
Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe?
Adam antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben, und so habe ich gegessen.
Gott, der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du da getan?
Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt, und so habe ich gegessen.
Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens. Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse.
Adam nannte seine Frau Eva - Leben -, denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen.