Aids sei heute zur chronischen Krankheit geworden, vergleichbar mit Krebs, erkennt der Wiener Aidsseelsorger P. Clemens Kriz.
Aids sei heute zur chronischen Krankheit geworden, vergleichbar mit Krebs, erkennt der Wiener Aidsseelsorger P. Clemens Kriz.
Wiener Aidsseelsorger P. Clemens Kriz erkennt viel Veränderung im Umgang mit HIV/Aids.
Seit Bekanntwerden von Aids hat sich in Österreich viel hinsichtlich der Situation für Betroffene geändert - auch im Bereich der pastoralen Angebote: Das hat Pater Clemens Kriz, seit 1992 Aidsseelsorger der Erzdiözese Wien, in einem Interview auf "Radio Stephansdom" anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember erklärt. "Sind vor ein paar Jahren die Erkrankten noch dahingestorben und man konnte nichts tun, so nehmen sie heute eine Tablette pro Tag, können teils normal arbeiten und haben oft auch eine gute Perspektive", so der Priester aus dem Trinitarierorden.
Aids sei heute zur chronischen Krankheit geworden, vergleichbar mit Krebs. "Auch die große Betroffenheit von einst gibt es heute nicht mehr, wenngleich gesellschaftliche Diskriminierung im Kleinen weiterhin besteht. Doch die Menschen haben gelernt, damit umzugehen", erklärte der Ordensmann. Freilich sei Aids weiterhin nur behandel-, aber nicht heilbar - und die Annahme, dass die medikamentöse Senkung der Virenzahl teils unter die Nachweisgrenze die Ansteckung verhindern könne, sei ein Trugschluss.
Die vielfachen Verbesserungen seit den frühen 1990er-Jahren seien jedoch nicht weltweit geschehen, Kriz: "In vielen Ländern - auch in China und Russland - ist HIV/Aids weiterhin stark und politisch gewollt tabuisiert, mit einer hohen Dunkelziffer an Betroffenen. Das war angeblich auch der Grund, warum der AIDS-Kongress 2010 in Wien stattfand - da es am ursprünglich geplanten Konferenzort Moskau nicht möglich war", so der Priester. Dass in Entwicklungsländern weiterhin viel Aufholbedarf bestehe, sei schließlich auch eine Geldfrage.
Dass es hierzulande die Betroffenheit von einst nicht mehr gebe, beobachtet der Aidsseelsorger auch in seiner eigenen Praxis: Kamen 1992 noch 500 Menschen in den Aidsgottesdienst am 1. Dezember, waren es im Vorjahr nur noch 30 - "fast alle davon ohnehin Pfarrmitglieder", so Kriz. Er stellte das Angebot ein - deutlich entspreche es nicht mehr den Bedürfnissen der Betroffenen. "Jede Zeit hat ihre Formen. Viele von damals sind gestorben, und die Jungen heute haben die Zeit damals nicht miterlebt und können damit nichts anfangen", so der Priester, der bei den Aidsgottesdiensten jährlich die Namen der in dem jeweiligen Jahr Verstorbenen verlesen hatte. Als "einzigen Platz, wo man an unsere Kinder denkt" hatte dies einmal die Mutter eines Verstorbenen bezeichnet. 22 Jahre später sind heute auch viele Eltern bereits gestorben.
Weiterhin bei Betroffenen bekannt ist heute das Aids-Memorial in der im Prater gelegenen Kirche Maria Grün, wo Kriz als Priester tätig ist. "Manche kommen hin und legen Rosen nieder. Doch sie kommen nicht in Gruppen." Auch der jährliche Fackelzug für HIV/Aids sei wegen mangelnder Beteiligung eingestellt worden. "Wenn Gedankenaustausch noch stattfindet, dann auf politischer Ebene. Es ist gut, wenn es erwähnt wird - denn im Großen und Ganzen redet man nicht mehr viel von HIV/Aids", so der Seelsorger.